Serie Selbsthilfegruppen Elf Jahre und schon spielsüchtig

Peter Rauscher
Vorsicht, Suchtgefahr: Die schöne neue Spielewelt auf dem Bildschirm fasziniert auch Kinder. Foto: /Arne Dedert

Nicht nur Erwachsene können der Spielsucht verfallen. Wenn Kinder betroffen sind, verzweifeln Eltern leicht. Eine neue Selbsthilfegruppe in Bayreuth soll ihnen beistehen.

 
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Manchmal hasst es Pamela, Mutter zu sein. Gleichzeitig schämt sie sich für solche Gefühle. Es ist doch ihr Kind, mit dem offenbar etwas schiefläuft.

„Mein Sohn ist Playstation-süchtig“, sagt die 44-Jährige ohne Umschweife. Jede freie Minute hängt der Elfjährige an dem Gerät und zockt sich durch die Spiele. Jetzt in den Ferien ist es besonders schlimm. Zwei Stunden Playstation, dann das Tablet, dann wieder Playstation.

Nichts hat geholfen

Vieles hat Pamela schon probiert, Strafandrohungen, Playstation-Entzug, Kontakte zu anderen Jungs – nichts hat geholfen. Der Bub geht immer noch nicht gern raus, sondern taucht lieber zuhause ab in die digitale Scheinwelt. „Ich kann ihn ja nicht rausprügeln.“ Richtig schlimm wurde es, als Pamela 2019 eine Berufsausbildung anfing und jeden Tag lange von zuhause wegbleiben musste. Ihr Sohn war weitgehend auf sich selbst gestellt – da ging es richtig ab. Jetzt kommt er nicht mehr weg von der Konsole. Zudem benimmt er sich, als wäre er nicht ihr Sohn, sondern der Herr im Haus, der das Sagen hat.

Andere Mütter reden über ihre supertollen Kinder

Pamela ist alleinerziehend., ihre Mutter schon gestorben. Sie hat keine Freundin mit einem gleichaltrigen Kind, mit der sie sich austauschen könnte. Manchmal geht sie auf den Spielplatz und verabredet sich dort mit ihrer Cousine mit deren Kind – ohne dass ihr Sohn mitgehen würde. Andere Mütter zu treffen, hat sie keine Lust mehr. „Die reden immer nur darüber, wie supertoll ihre eigenen Kinder sind und was die schon alles können.“ Pamela aber fühlt sich hilflos, als Versagerin, will manchmal einfach nur ihren Frust loswerden, sich „auskotzen“. Sie zweifelt an sich selber, fragt sich, was sie falsch gemacht hat - und bekommt keine Antwort.

Auch die Hilfe des Kinderpsychiaters nimmt sie in Anspruch. Der verschaffte ihrem Sohn einen Platz in der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Bezirkskrankenhaus (BKH) Bayreuth. Eine durchgreifende Veränderung brachte das nicht. Immerhin ist er jetzt in einem Fußballverein.

Neue Selbsthilfebeauftragte am BKH

Wie Pamela fühlen sich viele Eltern überfordert und alleingelassen, wenn bei ihren Kindern psychische Störungen auftreten. Susanne Freund ist seit Januar 2021 Selbsthilfebeauftragten am BKH - eine Stelle, die es vorher hier nicht gab. Sie unterstützt und koordiniert mehrere Gruppen. Gerade ist sie unterstützend dabei, eine und wenn Bedarf da ist auch wenn möglich zwei Selbsthilfegruppen für Angehörige psychisch erkrankter Kinder und Jugendlicher einzurichten. Zorah Beuschel, Sozialpädagogin des Bezirkskrankenhauses und Claudia Friedel von der Selbsthilfeunterstützungsstelle des Paritätischen leiten die Gründung.

Großes Interesse bei den Angehörigen

„Eine Umfrage unter den Angehörigen unserer jungen Patienten hat gezeigt, dass ein großes Interesse daran besteht“, sagt Susanne Freund. Viele betroffene Eltern stünden angesichts der Erkrankungen ihrer Kinder wie Pamela auf verlorenem Posten. Für sie ist es sehr wichtig, dass sie sich zusammensetzen und austauschen können. Der Druck der Gesellschaft, dass alle Frauen Super-Mamas zu sein haben, sei enorm und schüchtere junge Mütter oft ein. Mit dem Bezirkskrankenhaus und der Psychiatrie wird die neue Gruppe nichts zu tun haben. „Wir stellen anfangs nur die Räume bereit und unterstützen die Gründung“, sagt Freund.

Pamela hat sich für die erste Zusammenkunft der Selbsthilfe-Gruppe schon angemeldet. Sie freut sich darauf, endlich mit Frauen zu sprechen, denen es ähnlich geht wie ihr. Die die sie fühlen können, so wie es ihr wirklich geht.

Info: Interessenten für die Selbsthilfegruppe für Angehörige psychisch kranker Kinder und Jugendlicher können sich wenden an susanne.freund@gebo-med.de und dienstags und mittwochs unter Telefon 0921/2839884. Ansprechpartnerin ist auch Claudia Friedel oder Zorah Beuschel (claudia.friedel@paritaet-bayern.de und zorah.beuschel@gebo-med.de).

In der Serie bereits erschienen:

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