Rechtsextremismus-Experte hält Kritik an neuen Fotos von Hitler für nicht gerechtfertigt "Auch Nazis haben gelacht“

Von Susanne Will
Gelöste Stimmung 1936: Winifred Wagner und Adolf Hitler in Bayreuth. Foto: Wolfgang Wagner/Hauptstaatsarchiv Foto: red

Darf man Adolf Hitler, den Massenmörder, den Diktator, darf man ihn als Mensch zeigen? Der Kurier hat es in seiner Samstagsausgabe getan. Und dafür auch Kritik geerntet. Martin Becher ist Geschäftsführer des Bayerischen Bündnisses für Toleranz. Er sagt: „Der Kurier muss die Fotos im Kontext des Holocausts veröffentlichen.“

 
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Die Fotos stammen aus einem Film, den der Wagner-Enkel Wolfgang 1936 zu den Bayreuther Festspielen gedreht hat. Er zeigt Hitler lachend, in Sommerlaune, privat, in Wochenendstimmung bei den Wagners. Das war einigen Kurier-Lesern zu viel. „Peinlich und geschmacklos“, die Fotos könnten „missverstanden werden“, lautete die Kritik. „Es gibt nichts Positives, was dieser Mensch gemacht hat“, sagt ein anderer Leser.

Hitler ist Person der Geschichte

Martin Becher, Geschäftsführer von „Bayerisches Bündnis für Toleranz – Demokratie und Menschenwürde schützen“ in Bad Alexandersbad, hat eine andere Auffassung. „Hitler ist eine Person der Geschichte, an der es ein berechtigtes öffentliches Interesse gibt. Wenn neue Fotos von ihm existieren, und die noch dazu im Kontext von Wagner und Bayreuth stehen, dann ist es die Pflicht des Nordbayerischen Kuriers, diese zu veröffentlichen.“

Im Kontext mit dem Massenmord

Allerdings weist er darauf hin, dass Berichte oder Fotos über oder von Adolf Hitler immer im Kontext stehen müssen. „Es muss deutlich werden: Adolf Hitler ist verantwortlich für den größten industriellen, staatlich verantworteten Massenmord. Dieser Kontext muss hergestellt werden.“

Heißt das, dass also immer die gesamte Geschichte Hitlers und des Nationalsozialismus erzählt werden muss? „Nein. Aber wenn ein Elfjähriger die Zeitung in die Hand bekommt, muss er lesen können, was Hitler getan hat – dass er eben nicht nur fröhliche Tage bei Wagners genossen hat.“

Sie zeigen den Menschen, nicht den Nazi

Gerade für Bayreuth existiere ein eindeutiges Interesse an derartigen Bildern, so Martin Becher. „Da geht es auch um die Geschichte der Stadt, um den Umgang der Stadt mit Adolf Hitler, um den der Festspiele mit Hitler, da sind solche Bilder wichtig.“ Und wichtig für Becher gerade deshalb, weil sie den Menschen Adolf Hitler und nicht den Nazi zeigen. „Ich habe nichts davon, wenn ich Nazis aus der menschlichen Gemeinschaft ausschließe, sie nur als Unmenschen zeige“, sagt Becher.

Herausforderung für alle Demokraten

Und nennt ein Beispiel: „Als Beate Zschäpe beim ersten Gerichtstag wegen der Morde des NSU im Gerichtssaal erschien, titelte die Bild-Zeitung: ,Der Teufel trägt Prada‘. Das ist nicht in Ordnung.“ Sie sei zwar mutmaßlich an einer „schrecklichen Mordserie“ beteiligt und ein überzeugter Nazi, so Martin Becher. „Aber: Sie ist ein Mensch. Und hat deshalb einen menschenwürdigen Prozess verdient.“ Gerade das mache den Unterschied zwischen Rechtsstaat und Nationalsozialismus aus. „Wenn die demokratische Mitte wiederum Nazis exkludiert – dann verhalten wir uns genauso menschenfeindlich, wie es die Nazis waren.“ Allerdings sei das eine anspruchsvolle Herausforderung für alle Demokraten.

"Die grausamen Täter waren ganz normale Männer"

Aus einem weiteren Punkt hält er das Abdrucken der Fotos für notwendig: „Da wird klar: Auch Nazis haben ein Privatleben. Auch Nazis haben gelacht und hatten Humor. Es gab den SS-Mann, der möglicherweise in einem KZ getötet hat, und am Abend seinen Hund streichelte, mit seinem Kind spielte und dabei Wagner hörte. Wenn wir uns die menschliche Dimension nicht ansehen, verstehen wir das Monströse nicht. Diese grausamen Täter waren ganz normale Männer!“

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