Gastronomie Neues Leben für den Seelöwen

Rainer Unger
Symbolisch überreicht Werner Glaser einen Kochlöffel an Sohn Felix, während Traudl Glaser an Caroline Ganz eine Küchenschürze übergibt. Foto: Rainer Unger

Kurzfristig hatte es so ausgesehen, als würde sich für den Kulmbacher Gasthof zum Seelöwen kein Nachfolger finden. Doch die derzeitige Inhaberin Traudl Glaser wusste es besser, und das fast schon vor 30 Jahren.

 
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Das ist doch mal ein starkes Signal, das in Zeiten des Wirtshaussterbens aus dem Grünwehr kommt. Am 11. Januar wird Felix Glaser zusammen mit seiner Lebensgefährtin Caroline Ganz das Gasthaus seiner Eltern Werner und Traudl Glaser „Zum Seelöwen“ nach einer mehrwöchigen Renovierungsphase wiedereröffnen. Lange sah es nicht so aus, dass die Gaststätte im Familienbesitz bleibt beziehungsweise dass es mit ihr überhaupt weitergeht.

Traudl Glaser allerdings hat das schon immer gewusst, erklärt sie mit einem Augenzwinkern: „Als ich mit der Maximiliane schwanger war, da hat der Felix zu mir mal gesagt: ‚Mama, den Seelöwen bekomme doch mal ich. Ich war doch schließlich zuerst da‘. Er war damals acht Jahre alt.“ Zwar fand der inzwischen 37-Jährige schon bald seine Berufung in der Gastronomie, allerdings doch fern des Kulmbacher Lands. Schon vor 21 Jahren zog es ihn in die Schweiz, wo er nicht nur seine Meisterprüfung zum Koch absolvierte, sondern weitere Ausbildungen zum Diätkoch, Konditor und Konfiseur erfolgreich abschloss.

Stationen seines Wirkens waren das Fünf-Sterne-Hotel Eden Roc in Ascona, direkt am Ufer des Lago Maggiore gelegen, weiterhin das höchstgelegene Gourmet-Restaurant Europas im St. Moritzer Skigebiet Corviglia, wo gewaltige Mengen an Trüffeln und Kaviar serviert wurden, wie er verrät, und auch eine Privatklinik. Zuletzt war er in einem Catering-Unternehmen beschäftigt, in dem pro Tag schon mal 1800 bis 2000 Essen zuzubereiten waren.

Caroline Ganz hat ein abgeschlossenes Geschichts-Studium und einen Bachelor in Slawistik und war in der Folge in der Kulturbranche tätig. Zuletzt war sie in der Kulturverwaltung im Kanton Aargau beschäftigt. „Jetzt kümmert sie sich um die fränkische Esskultur“, kommentiert Felix Glaser mit einem Schmunzeln. In dem Zusammenhang erinnert sich sein Vater, wie er sie bei ihrem ersten Kulmbach-Besuch vor rund sieben Jahren zu einem Frühschoppen mitnahm. „Ich dachte, wir gehen einkaufen und danach vielleicht einen Kaffee trinken“, denkt die Schweizerin daran zurück, wie sie den Begriff vollkommen falsch verstanden hatte. Nur zu gut hat Werner Glaser noch ihren Gesichtsausdruck im Gedächtnis, als er mit ihr schnurstracks zur Blaicher Kerwa in die Gaststätte „Zur Schmiede“ ging und zwei Bier bestellte.

Anlässlich seines 70. Geburtstages entschied sich Werner Glaser, nach 45-jähriger Tätigkeit als Wirt zum Jahresende in den Ruhestand zu treten. Im Jahr 1977 kam er über einen Freund an die Gaststätte Meister in Unterrodach bei Kronach. „Damals kostete das Seidla Bier noch 1,20 Mark“, schwelgt er in Erinnerungen. Die Wirtschaft entwickelte sich bald hervorragend und nicht nur Einheimische, sondern auch viele Berliner Urlauber kehrten bei ihm ein. Als er seine spätere Ehefrau Traudl auf einem Weinfest kennenlernte, wagten sie sich im Jahr 1982 mit dem Gasthaus Strooßer in Hochstadt an ein größeres Objekt. Doch schon bald war ihnen klar, sie wollen eine eigene Wirtschaft haben.

Nach einer zunächst erfolglosen Suche zeigte ihnen Gerd Borges, der damalige Inhaber der Schweizerhof-Brauerei, die ehemalige Gaststätte „Zum Seelöwen“, die schon dreieinhalb Jahre leer gestanden hatte. „Sie befand sich in einem fürchterlichen Zustand“, erinnert sich Werner Glaser. Trotzdem kauften beide das Gebäude nach einer kurzen Beratung. In einem gewaltigen Kraftaufwand schafften sie zunächst 45 Container Dreck und Schutt weg, bevor es an die Renovierung ging. Sie verwandelten das Haus in ein herrliches Schmuckstück, das sich besonders durch eine wunderschöne Wirtsstube mit beeindruckenden Wandmalereien auszeichnet. Am 15. Januar 1987 erfolgte schließlich die Eröffnung. Bald sprach sich herum, dass man dort hervorragend essen und zudem gemütlich zusammen sitzen kann.

Für die zahlreichen Stammgäste war es folglich ein Schock, als sie vom Entschluss von Werner Glaser erfuhren, aufzuhören. Eine Weiterführung durch Sohn Felix oder Tochter Maximiliane war zunächst nicht in Sicht. Doch als es darauf ankam, setzte beim Wahl-Schweizer ein Umdenken ein: „Es wäre einfach unendlich schade gewesen, wenn es plötzlich vorbei gewesen wäre“, führt er aus. So entschied er sich mit seiner Lebensgefährtin, die Wirtschaft seiner Eltern zu übernehmen. Allerdings reizte beide nicht zuletzt auch die Chance, eine eigene Gastwirtschaft zu betreiben. „Ich habe schon immer die Abwechslung geschätzt“, führt die 30-Jährige aus, die während ihrer Ausbildung auch schon mal als Bedienung in einem Bistro gearbeitet hatte. Sie freut sich besonders auf die fränkische Wirtshauskultur.

Felix Glaser wird zukünftig weiterhin auf die bei den Gästen beliebten fränkischen Gerichte seiner Eltern setzen und die Produkte von regionalen Erzeugern beziehen, zusätzlich allerdings auch eigene Ideen verwirklichen , aber auch Rezepte seiner Urgroßmutter Babette aufleben lassen. Die Gäste sollen aber nicht nur mit einer hochwertigen und schmackhaften Küche verwöhnt werden, sondern sich in dem urigen und gemütlich eingerichteten Wirtshaus wie bisher wohlfühlen. Dafür will auch Traudl Glaser sorgen, die noch einige Jahre mitarbeiten wird.

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