Extremisten die Stirn zeigen

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Sie und ihre Mitstreiter wollen ein Zeichen gegen Extremismus in Pegnitz setzen (von links): Susanne Bauer vom Unterstützerkreis, Simone Birnmeyer vom Gymnasium und Pastor Stefan Schörk von der evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde. Foto: Klaus Trenz Foto: red

Handeln, bevor Handlungsbedarf entsteht. Frei von parteipolitischem Dünkel. Das Bewusstsein schärfen für eine Entwicklung, die unsere Gesellschaft zu spalten droht. In Pegnitz hat sich ein „runder Tisch für Demokratie, Toleranz und Menschenwürde“ mit Vertretern von Kirche, Schulen und ganz „normalen“ Bürgern gegründet. Sein Ziel: Der Kampf gegen jede Form von Extremismus. Ohne Holzhammer, ohne Schlagworte, ohne Schaum vor dem Mund. Für den 27. März plant er eine Veranstaltung, in der das Thema Rechtsextremismus beleuchtet wird.

 
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Im Vorfeld gab es diverse Treffen. Da ging es auch darum, ob dieser Schritt der richtige ist, ob man sich an die Öffentlichkeit wenden sollte. „Die Frage war, inwieweit das in Pegnitz überhaupt ein Thema ist, das wurde durchaus kontrovers diskutiert“, sagt Stefan Schörk, Pastor der evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde. Weil ja extremistische Tendenzen gleich welcher Art in Pegnitz nicht erkennbar seien.

Wo beginnt das?

Was aus seiner Sicht nicht bedeutet, dass es sie nicht gibt. Denn: „Der blüht oft im Verborgenen.“ Verstecke sich hinter „Gewohnheitsfloskeln“ wie „das wird man doch noch sagen dürfen“. Wenn es um Flüchtlinge geht. Oder darum, „dass bei Adolf Hitler ja auch nicht alles schlecht war.“ Die Übergänge sind fließend, sagt Schörk - „wo beginnt der echte Extremismus?“

Fachleute raten zur Vorbeugung

Auch Susanne Bauer vom Vorstand des Unterstützerkreises, der sich um Flüchtlinge und benachteiligte Menschen in Pegnitz ganz allgemein kümmert, sieht Wachsamkeit geboten: „Wir wollen ein Zeichen setzen.“ Dazu hätten auch Experten geraten, mit denen sich die Mitglieder des runden Tisches vor dessen Geburt abgesprochen haben.

Nicht nur "auf Rechts" unterwegs

Von der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus, von der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg. Wobei wie gesagt das Augenmerk nicht ausschließlich „auf Rechts“ liegt.

Was das Ganze ausgelöst hat

Auch wenn hier der aktuelle Auslöser zu suchen ist. Etwa mit Blick auf das geplante Konzert in Pegnitz mit wohl dem rechten Lager zuzuordnenden Bands. Oder auf Erkenntnisse aus Nordbayern, dem Vogtland und Thüringen: „Da ist bei Rechtsextremen eine richtige Wanderbewegung zu verzeichnen. Können sie irgendwo nicht landen, ziehen sie einfach weiter, kaufen Gaststätten, pachten Wiesen für Konzerte. Und das gleich für zehn Jahre.“ Bei einem Netzwerktreffen von Einrichtungen, die mit dem Thema zu tun haben, sei auf jüngste Beispiele aus dem Raum Coburg verwiesen worden.

Ohne Parteipolitik bitte

Auch die Schulen sitzen mit im Boot. Wie das Gymnasium Pegnitz. Was naheliegend ist, sagt Lehrerin Simone Birnmeyer, die stellvertretend mit am runden Tisch sitzt. Trägt die Schule doch schon einige Jahre das Prädikat „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“. Wie auch die Realschule. Ein Prädikat, das gelebt werden sollte, „das ist ein wenig in den Hintergrund gerückt“. Das ist jetzt anders, „wir haben das sogar zum Schwerpunktthema für das ganze Schuljahr gemacht“. Entscheidend sei für sie, dass bei dieser Initiative keine parteipolitischen Interessen mitschwingen, das lasse mit der Rolle einer Schule nicht vereinbaren.

Was Kinder nicht wissen

Vorbeugend zu agieren, sei ein Muss, sagt Birnmeyer. Weil „in den sozialen Netzwerken viel passiert, weil der Prozess der Radikalisierung da rasch erfolgt“. Und weil die Schüler oft gar nicht wüssten, was sie da veröffentlichen, wie schnell da strafrechtlich relevante Tatbestände erfüllt seien. Das Interesse der Schüler sei da. Das belege ein Workshop mit Fachleuten vom Verfassungsschutz, die Zehntklässler bei einem Workshop über verbotene Symbole aufgeklärten.

Alle müssen mit ins Boot

Und darüber, was Zahlen und Zeichen bedeuten, welche Rückschlüsse man daraus ziehen könne. Alle, die mit Menschen arbeiten, die für Menschen da sind, sollten sich angesprochen fühle, sagt Pastor Schörk, „wir dürfen da nicht Markenschilder schauen, das geht jeden an“. Das habe auch etwas mit den christlichen Werten zu tun, die unser Land prägen: „Das betrifft nicht nur die intellektuelle Elite, sondern nahezu alle Institutionen, auch die Vereine“. Und, klar, da müssten auch die Kirchen ihre Stimme erheben. Denn das Extremismusproblem sei letztlich ein Systemproblem, das die ganze Gesellschaft erfasst hat. Weil viele Bürger mit der globalisierten Welt nicht mehr zurechtkämen, „weil da immer mehr Ängste aufkommen“.

Warum die Demokratie lebt

Ganz so weit will Simone Birnmeyer nicht gehen. Weil das System ja noch funktioniere, „weil unsere Demokratie schon noch stark ist“. Sie kenne kaum ein Land, in dem zum Beispiel die lange Übergangszeit bis zur Bildung einer neuen Regierung so folgenlos geblieben wäre. Für Susanne Bauer sind die beiden Auftraktvorträge im März und April ein erster Schritt. Die Resonanz bleibe abzuwarten, dabei bewenden lassen wolle es der runde Tisch jedenfalls nicht. Wie wichtig das Pegnitzer Vorgehen sei, dokumentiere übrigens auch die Unterstützung durch das Bundesprogramm „Demokratie leben“.

Der Auftakt

Vertreter der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern informieren am Dienstag, 27. März, ab 20 Uhr im evangelischen Gemeindehaus unter dem Titel „Was ist Rechtsextremismus?“ über Gruppieren und Symbolik der rechten Szene. Und am 26. April referiert Michael Weiß von der Agentur für soziale Angelegenheiten in Berlin über rechtsextreme Lebenswelten.

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