Die vergessenen Opfer des Nazi-Terrors

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Die Holocaust-Opfer Max und Wilhelm Rose, die im Konzentrationslager Dachau ums Leben kamen, fanden auf dem Stadtfriedhof zusammen mit ihren Eltern Oskar und Henriette Rose ihre letzte Ruhestätte. Peni Rose bedauert, dass das Schicksal der Brüder keine Erwähnung im städtischen Gedenkbuch findet. ⋌Foto: Gunter Becker Foto: red

Max Rose und sein Bruder Wilhelm sind Opfer des Rassenwahns der Nazi. Beide wurden im Konzentrationslager Dachau nur wenige Tage nach ihrer Deportation ermordet. Max und Wilhelm waren Sinti, im Nazi-Jargon, "Zigeuner" und damit Asoziale. Rund 500.000 Sinti und Roma wurden ermordet. Am Samstag, 27. Januar, dem Internationalen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, stellt sich die Frage, warum Max und Wilhelm nicht im Gedenkbuch der Stadt Bayreuth erwähnt werden.

 
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Todesursache: Versagen von Herz und Kreislauf bei Darmkatarrh..“ Die Sterbeurkunde von Max Rose datiert vom 21. November 1942. Der Standesbeamte der Stadt Dachau, wo die Sterbeurkunde bis heute aufbewahrt wird, hat als exaktes Sterbedatum den 18. November 1942, 7.50 Uhr, eingetragen. Die Informationen hatte der Beamte von der Staatspolizeileitstelle München erhalten. Als Eltern werden Oskar und Henriette Rose genannt. Wie Max Rose, dessen Beruf auf dem Formular mit Musiker angegeben wird, wirklich zu Tode kam, bleibt wohl für immer ungeklärt. Verbürgt ist jedoch, dass Max Rose bis zu seiner Verhaftung und Deportation im Jahre 1941 ins Konzentrationslager Ravensbrück im Anwesen Frauengasse 6 in Bayreuth gewohnt hat. Dorthin sandte das Konzentrationslager Dachau auch den Karton mit der Asche des Häftlings mit der Nummer 38501. Warum er ins Konzentrationslager Dachau verlegt wurde, wo er am 3. November 1942 eintraf, lässt sich den wenigen noch existierenden Dokumenten nicht entnehmen. Max Rose starb im Alter von 43 Jahren.

Asche im Karton verschickt

Ein Jahr später ereilt seinen Bruder Wilhelm das selbe Schicksal. Mit Datum vom 15. April 1943 vermerkt der Standesbeamte der Stadt Dachau nach Informationen der Kommandantur des Konzentrationslagers Dachau, dass der am 23. Mai 1901 geborene und am 29. Januar 1943 eingelieferte Häftling mit der Nummer 43049, von Beruf Arbeiter, am 14. April 1943 um 11.10 Uhr gestorben ist. Todesursache: „Versagen von Herz und Kreislauf bei offener Lungentuberkulose“. Auch seine Asche wurde den Eltern in einem Pappkarton zugeschickt.

Im Gedenkbuch der Stadt Bayreuth für die Opfer des Nationalsozialismus findet sich kein Hinweis auf die beiden Bayreuther Sinti, die wie 500 000 Sinti und Roma in Europa Opfer des Rassenwahns der Nazis wurden.

Kein Hinweis auf Sinti-Opfer

Im Jahre 2013 hatte der Stadtrat die Gründung einer Gedenkkommission angeregt, der neben dem Vorsitzenden der israelitischen Kulturgemeinde, der Leiterin des Historischen Museums und dem Historiker Norbert Aas auch der damalige Sozialreferent Carsten Hillgruber angehörten. Drei Jahre später präsentierte die Kommission ihre Vorschläge, wie den Opfern in Bayreuth würdig gedacht werden sollte. Einige Projekte sind umgesetzt, andere noch in der Arbeit. Zusammengefasst kann man die Ergebnisse der Recherchen im Historischen Museum einsehen. Ein öffentlich zugänglicher Computer mit Touchscreen ermöglicht, im Gedenkbuch zu blättern, das unterteilt ist in die Rubriken Euthanasie-Opfer, Gegner des Nationalsozialismus, Jüdische Opfer, Kleinkinder als Opfer des Nationalsozialismus, Tod nach Zwangssterilisation, Todesopfer eines Häftlingstransports, Todesopfer eines Standgerichts und Todesurteile durch Standgerichte. Einen Hinweis auf die Sinti-Opfer sucht man vergebens.

Ausreichend Material

An Informationen und vorliegenden Rechercheergebnissen mangele es nicht, man müsse sich nur die Mühe machen, sie zu finden, sagt die Bayreuther Sintezza Peni Rose. Ob in der Gedenkstätte des KZ Dachau, im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg oder beim Landesverband der Sinti und Roma in Nürnberg – dies alles seien Anlaufstellen für Historiker, die das Schicksal der rassisch verfolgten Sinti und Roma ergründen wollen, weiß Peni Rose, die selbst mehrere Jahre an einem Forschungsprojekt in Heidelberg mitgearbeitet hat. Die Aussage eines Mitglieds der Arbeitsgruppe, die dem Kurier vorliegt, bei der Erstellung des Gedenkbuches sei kein konkretes Material bezüglich der Sinti vorhanden gewesen, lässt Peni Rose nicht gelten. Es gebe ausreichend Material, betont sie, aber wohl wenig bis gar keine Bereitschaft, das Schicksal der Bayreuther Sinti zu recherchieren. Dazu gehört auch das ungeklärte Schicksal von Albert Rose, einem weiteren Bruder von Max und Wilhelm Rose, oder das der 1928 geborenen Cousine Hulda Siebert, die nach Wissen von Peni Rose im März 1945 in einem Polizeigefängnis in Würzburg erschlagen und in Ochsenfurt begraben wurde. Heute ruhen ihre sterblichen Überreste auf dem Stadtfriedhof von Bayreuth. In unmittelbarer Nähe der Grabstelle von Oskar und Henriette Rose und ihren Söhnen Max und Wilhelm.

Kein natürlicher Tod

Der 75-jährige Egon Siebert, Enkel von Henriette, kennt die Familiengeschichte der Rose wie kein zweiter. Er weiß von der Schilderung seiner Großmutter, wie sie den Kripobeamten, der sie zur Deportation auffordern musste, immer wieder zu einer weiteren Verlängerung überreden konnte. Und er weiß aus Erzählungen, dass seine Großmutter ihren Sohn Max als einen sportlichen und kräftigen Mann beschrieb, der nie krank war. „Sie hat sofort gewusst, als die Todesmeldung kam: Der Max starb keines natürlichen Todes.“

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