Weiter Uneinigkeit bei der Kindergrundsicherung
Stichwort Kindergrundsicherung, eines der Prestigeprojekte aus dem Ampel-Koalitionsvertrag. Schon vor dem Kabinettsbeschluss gab es viel Hin und Her - damals ging es ums Geld. Jetzt, Monate später, liegt ein Gesetzentwurf im Parlament, doch die Personalvorstellungen von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sorgen für Zoff vor allem zwischen ihren Grünen und der FDP. Umsetzung zum 1. Januar 2025? Mehr als fragwürdig.
Am Dienstag nahm die Koalition in letzter Minute doch noch Gesetzesbeschlüsse auf die Tagesordnung für die Bundestagssitzung dieser Woche: unter anderem das Energiewirtschaftsgesetz und das Selbstbestimmungsgesetz, das es transgeschlechtlichen Menschen einfacher machen soll, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen zu ändern. Doch bei vielen Großprojekten läuft es zäh.
Zahlreiche Projekte warten auf Umsetzung
Seit Monaten gibt es Verhandlungen über ein Solarpaket und eine Reform des Klimaschutzgesetzes. Von der FDP blockiert sind Beschränkungen bei der Werbung für ungesündere Lebensmittel an die Adresse von Kindern. Die vorgesehenen Erleichterungen beim Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus stehen ebenfalls aus. Hinter den Kulissen ist zu hören, dass dieses Vorhaben erst einmal zurückgestellt wurde, weil die Kommunen mit der Versorgung und Integration der Ukraine-Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber schon alle Hände voll zu tun haben.
Grüne und SPD regt auf, dass Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lange keine Anstalten gemacht hat, das Mietrecht zu verschärfen. Seine Partei glaubt nicht, dass sich die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt mancher Ballungsgebiete damit beheben ließe. Jetzt hat er sich zwar bereiterklärt, die Mietpreisbremse, die sonst Ende 2025 auslaufen würde, bis 2029 zu verlängern. Ausreichend, um Mieter vor überhöhten Mieten zu schützen, ist das aus Sicht der Koalitionspartner aber nicht.
Nach wie vor auf sich warten lässt das vereinbarte Tariftreuegesetz aus dem Haus von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Laut einer Vorlage vom vergangenen Frühjahr sollten nur noch Arbeitgeber größere Aufträge vom Bund bekommen, die ihre Beschäftigten nach Tariflohn bezahlen. Die Arbeitgeber liefen dagegen Sturm.
Mit den Ländern verhakt hat sich die Ampel-Regierung etwa bei einer großen Reform zur Neuaufstellung der Krankenhäuser - und beim sogenannten Digitalpakt 2.0. Es geht um die Digitalisierung der Schulen. Ampel und Länder streiten darüber, wer wie viel Geld bereitstellt. Das Bafög hat die Koalition zwar einmal erhöht und auch eine Studienstarthilfe für Studenten aus ärmeren Familien auf den Weg gebracht. Die grundlegende Reform, wie im Koalitionsvertrag verabredet, gab es bisher aber nicht. Ob das Straßenverkehrsgesetz in dieser Legislaturperiode noch reformiert wird, ist auch völlig offen. Es soll Städten und Gemeinden mehr Spielraum geben zum Beispiel für die Einrichtung von Busspuren und Tempo-30-Zonen, wurde aber vom Bundesrat gestoppt.
Krisenmanagement und Wahlkampf
Insgesamt hatten die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag am 8. Dezember 2021 auf 141 Seiten 453 Versprechen gemacht. Damit nahm sie sich viel vor, deutlich mehr als die Vorgängerregierung mit nicht einmal 300 Vorhaben. Durch Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation wurde der Berg an Arbeit noch einmal größer: Krisenmanagement hatte plötzlich Vorrang.
Nun bleibt der Regierung nicht mehr allzu viel Zeit, neue Vorhaben in Gang zu bringen. Zwar könnten SPD, Grüne und FDP eigentlich bis zur Sommerpause 2025 noch Gesetze beschließen. Doch bis ein Entwurf durch die Abstimmung der Ressorts, durchs Kabinett, dann durch den Bundestag und den Bundesrat gegangen ist, vergehen mitunter Monate. Parallel sind die Ampel-Parteien eigentlich schon im Wahlkampf: erst für die Europawahl im Juni, dann für die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September. Bis zum Jahresende müssen auch die Weichen für die Bundestagswahl gestellt sein: Es gilt nicht nur Spitzenkandidaten zu nominieren, sondern auch Programme zu erarbeiten. Die heiße Wahlkampfphase beginnt dann üblicherweise schon im Frühsommer.
Bis dahin werden die Ampel-Parteien versuchen, ihren Ruf aufzupolieren. Schon zur Halbzeit der Koalition hieß es, eigentlich liefere die Regierung besser ab, als sie öffentlich wahrgenommen werde. Doch im Gedächtnis der Wähler bleibt häufig nicht, was reibungslos klappt und schnell abgeräumt ist, sondern wo sich die Partner verhaken - wo Kompromisse gemacht werden, die am Ende keiner als Erfolg verkaufen kann, weil man zuvor jede denkbare Lösung für unmöglich erklärt hatte. Das anzugehen, scheint nun dringender als die letzten Prozentpunkte des Koalitionsvertrags.