Recht: Oberfränkin kämpft gegen Stalking

Von
Ingrid Beck kämpfte gemeinsam mit der CSU-Bundestagsabgeordneten Silke Launert für eine Verschärfung des Stalking-Paragrafen. Im neuen Gesetz ist ein Teil der Forderungen der beiden Oberfränkinnen enthalten. Sie sind überzeugt: Künftig wird den Opfern erleichtert, einen Täter vor Gericht zu bringen. Foto: privat Foto: red

Der Bundestag hat jetzt eine Verschärfung des Stalkingparagrafen beschlossen. Die Reform soll die Opfer stärken. Denn bisher werden jährlich zwar mindestens 20.000 Fälle angezeigt. Doch nur ein Prozent der Stalker wird verurteilt.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Das weiß die oberfränkische Bundestagsabgeordnete und Bezirksvorsitzende der Frauen-Union, Silke Launert, allein aus ihrer Berufserfahrung als Staatsanwältin: "Ich habe viele solcher Fälle gehabt. Eigentlich ist die geringe Zahl der Verurteilungen ein Schlag ins Gesicht der Frauen." Die Statistik geht von 20- bis 25.000 Fällen pro Jahr aus. Aber höchstens 400 bis 500 Täter werden verurteilt. Die Zahl der Urteile geht dabei seit einigen Jahren ständig zurück.

Telefonterror vom Ex-Freund

Stalker schreiben unaufhörlich SMS, üben Telefonterror aus, spionieren ihren Opfern nach. Und das sind zu 85 Prozent Frauen. "Wer so etwas nicht erlebt hat, kann es oft schwer nachvollziehen", sagt Ingrid Beck, Gründerin der Initiative "Gemeinsam gegen Stalking". Die Berlinerin war selbst Opfer eines Stalkers, den sie im Internet kennengelernt hatte. Sie verließ damals die Großstadt und zog nach Oberfranken. Den Prozess gegen den Mann gewann sie zwar. Dass der Täter nicht ins Gefängnis kam, sondern den Gerichtssaal mit einer Bewährungsstrafe verlassen hat, schockierte Ingrid Beck zutiefst. Deshalb gründete sie 2007 eine Anti-Stalking-Initiative, um andere Frauen zu helfen. Sie leidet seitdem an einer Autoimmunerkrankung und kann nicht mehr arbeiten. "Der Stalker hat meine Existenz zerstört", sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. Das ging soweit, das sie daran dachte, ihr Leben selbst zu beenden. Die Täter haben oft wie ihre Opfer in ihrer Kindheit oder Jugend Gewalt erlebt. Stalker haben eine narzissistische Persönlichkeitsstörung und ertragen es nicht, von anderen abgewiesen zu werden.

Reform soll zu mehr Urteilen führen

Polizei und Justiz richteten bislang wenig aus gegen die Täter. Viel zu selten wurden sie zur Verantwortung gezogen. "Mit der verabschiedeten Reform werden wir das ändern und dafür sorgen, dass es mehr Verurteilungen geben wird", ist Silke Launert überzeugt, die im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz an einer Änderung des Gesetzentwurfes mitgewirkt hat. 2015 gab es in Oberfranken polizeiliche Ermittlungen in 157 Fällen, 2014 in 174 Fällen. Wie sie ausgegangen sind, ist nicht bekannt.

Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes

Das Missverhältnis von Taten und Verurteilungen ist Launert zufolge auf einen zu eng gefassten Tatbestand zurückzuführen. Über den Nachstell-Paragrafen 238 im Strafgesetzbuch wurde nur verfolgt, wer die Lebensgestaltung des Opfers "schwerwiegend beeinträchtigt". Außerdem musste es sich um eine "beharrliche Nachstellung" handeln. Eine belästigte Frau musste die Wohnung oder den Arbeitsplatz wechseln, ihre Wohnung nur begleitet verlassen, damit die Justiz einschreitet. "Also äußerlich Handeln, um Hilfe zu bekommen", sagt Launert. Nicht die Handlungen des Täters zählten, sondern wie das Opfer damit umgeht. "Dies ist nicht nachvollziehbar und wird jetzt geändert. Starke Opfer werden jetzt besser geschützt."

Psychischer Druck bislang unterschätzt

Künftig reicht es, wenn die Taten "in Intensität, Häufigkeit und zeitlicher Abfolge dazu geeignet sind", eine schwerwiegende Beeinträchtigung herbeizuführen. Der Frau auflauern, in ihrem Namen im Internet handeln, auf den Anrufbeantworter sprechen und Gewalt androhen: Das kann nun von der Justitz verfolgt werden, ohne dass das Opfer seine Lebensumstände anpasst. "Damit wird auch der psychische Druck viel stärker berücksichtigt", sagt Launert und zählt Beispiele wie Depression, Schlafstörungen und Unruhe auf.

Opfer müssen nicht mehr weichen

Und noch etwas ändert sich: Bisher konnten Staatsanwaltschaftes das Verfahren einstellen und das Opfer darauf verweisen, selbst Anklage zu erheben bei vollem Kostenrisiko. Somit waren Stalking-Verfahren oftmals schnell beendet. "Die Frauen haben sich mit Recht im Stich gelassen gefühlt", sagt Stalking-Beraterin Beck, die bereits 350 Betroffene begleitet hat. Bundesweit wird von 600- bis 800.000 Betroffenen im Jahr ausgegangen. Bereits 2012 setzte sich Bayern für eine Verbesserung des Gesetzes ein. Zusammen mit Launert formulierte Beck Anträge für die Frauen-Union und die CSU-Landesgruppe. 2015 wurden in einer Petition an den Justizminister Heiko Maas (SPD) Unterschriften gesammelt. Darin wurde gefordert, Stalking als Offizialdelikt zu behandeln. Damit umgehen die Opfer das Unterschreiben eines Strafantrags. Zur ebenfalls geforderten Aufnahme ins Opferentschädigungsgesetz kam es allerdings trotz der Reform nicht. Dennoch bewertet Beck das neue Gesetz als Fortschritt: "Früher mussten die Opfer weichen, das ist jetzt zum Glück vorbei."

Autor

Bilder