"Reichsbürger"-Schwerpunkt in Kulmbach

Von Jürgen Umlauft
1700 "Reichsbürger" gibt es laut neuesten Schätzungen des Innenministeriums in Bayern, davon gehörten etwa 150 bis 200 zum harten, aktiven Kern. Einer der regionalen Schwerpunkte ist Kulmbach. Archivfoto: dpa Foto: red

In Bayern gibt es nach neuen Erkenntnissen von Polizei und Verfassungsschutz rund 1.700 Personen, die aufgrund "belastbarer Nachweise" den "Reichsbürger" zuzurechnen sind. Bei weiteren 1600 prüfen die Sicherheitsbehörden die Zugehörigkeit noch. Das teilte Innenminister Joachim Herrmann am Mittwoch im Landtag mit. Nach Auskunft von Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner ist die "Reichsbürgerbewegung" auch ein "Phänomen der ländlichen Räume". Regionale Schwerpunkte seien der Raum Kulmbach/Mainleus, der Landkreis Cham, die Region Dachau und das Chiemgau.

 
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Dort hätten sich so genannte Land- oder Heimatgemeinden gebildet, die eine eigene staatliche Ordnung aufbauen wollten.

Harter Kern von bis zu 200

Der harte Kern der "Reichsbürger" in Bayern umfasst nach Einschätzung des Verfassungsschutzes 150 bis 200 Personen. Die Bewegung bestehe zu rund 75 Prozent aus Männern, vorwiegend im Alter zwischen 40 und 70 Jahren. Etwa 40 davon seien der rechtsextremen Szene zuzuordnen. Strukturelle Verbindungen gebe es aber kaum, da die "Reichsbürger" den Rechtsextremen trotz in manchen Punkten ähnlichen Gedankenguts als "Spinner" und "Querulanten" gelten, erläuterte Herrmann. Wie Körner ergänzte, gibt es in zwei Fällen Verbindungen aus der "Reichsbürgerszene" zur AfD. Eine betreffe einen Beisitzer im AfD-Landesvorstand.

Zunehmend gewalttätig

Laut Herrmann werden die "Reichsbürger", die die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches nicht anerkennen und damit auch die geltende Rechtsordnung ablehnen, zunehmend gewalttätig. Er sprach von einer sich "rasant entwickelnden Gewaltspirale". Vor allem gegen Polizeibeamte komme es zu "massiven Widerstandshandlungen". Höhepunkt sei der Mord eines "Reichsbürgers" an einem SEK-Beamten im mittelfränkischen Georgensgmünd gewesen. In diesem Fall gibt es nach Auskunft von Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidbauer Indizien, dass der mutmäßliche Täter über den Polizeieinsatz gegen ihn "vorinformiert" gewesen sei. Die Ermittlungen dazu liefen. Dem Vernehmen nach soll der Schütze von einem den "Reichsbürgern" nahestehenden Polizisten gewarnt worden sein.

Prüfungen von Waffen-Besitz

Als Konsequenz aus dem Fall geht der Freistaat nun konsequent gegen waffenbesitzende "Reichsbürger" sowie deren Anhänger im öffentlichen Dienst vor. "Waffen und Munition haben in den Händen von Reichsbürgern nichts zu suchen", betonte Herrmann. Bisher seien 130 Waffenbesitzer der Reichsbürgerszene zugeordnet worden, 33 seien inzwischen entwaffnet. 240 weitere Fälle würden geprüft. Im öffentlichen Dienst sind laut Herrmann vier Bedienstete als "Reichsbürger" identifiziert worden, gegen vier weitere bestehe ein Verdacht. Es seien Disziplinarverfahren eingeleitet worden.

Bei der Polizei richte sich der Verdacht gegen 15 Beamte, 12 aktive und 3 Pensionäre. 6 der 12 aktiven seien bereits vom Dienst suspendiert. "Wir akzeptieren Reichsbürger weder bei der Polizei noch im sonstigen öffentlichen Dienst" stellte Herrmann klar.

"Verfechten ihre Ideologie mit fanatischer Inbrunst"

Der Minister warnte davor, die Bewegung wegen ihrer für Normalbürger oft "kruden Vorstellungen" nicht ernst zu nehmen. "Gerade die Aktivisten sind nicht lustig oder nostalgisch gesinnt, sie verfechten ihre Ideologie mit fanatischer Inbrunst", erklärte Herrmann. Er rief alle Behörden auf, Vorfälle mit "Reichsbürgern" in jedem Fall der Polizei zu melden. Zur Auswertung sei an den Polizeipräsidien Zentralstellen eingerichtet worden. Nur so lasse sich ein Überblick über Szene verschaffen und das weitere Handeln koordinieren.

Rabenstein unterschätzte die Bewegung

Die Fraktionen im Landtag begrüßten das konsequente Vorgehen des Staates. Christoph Rabenstein (SPD) zeigte sich von der hohen Zahl an "Reichsbürgern" in Bayern überrascht. Vor dem Attentat von Georgensgmünd sei die Bewegung offenbar unterschätzt worden, er nehme sich da nicht aus. Wie sie nun zeige, seien da "nicht nur Spinner unterwegs, da sind Leute dabei, die die Demokratie gefährden", sagte Rabenstein. Katharina Schulze (Grüne) nannte die Entwicklung "besorgniserregend". Die offenbar weiter steigende Zahl an Sympathisanten mache ein entschiedenes Durchgreifen der Behörden erforderlich. Hans Reichhardt (CSU) nannte das Vorgehen des Freistaats "vorbildhaft".

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