"Katastrophengesetz" für psychisch Kranke

Von Peter Rauscher
Kritiker sehen Rot, weil das neue Gesetz in ihren Augen psychisch Kranke mit Straftätern gleichsetzt. Foto: Archiv/Ronald Wittek Foto: red

Geschlossen lehnen die Bayreuther Landtagsabgeordneten der Opposition das in Bayern geplante Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz ab. Auch die Bayerischen Bezirke, Träger der psychiatrischen Kliniken, hatten gegen das Vorhaben des Sozial- und des Gesundheitsministeriums protestiert.

 
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Einer der Wortführer des Widerstandes ist der Bayreuther Prof. Thomas Kallert, Ärztlicher Direktor der Bezirkskliniken Oberfranken. An diesem Dienstag werden im Landtag Experten dazu gehört, auch der Ministerrat befasst sich mit dem Thema. Die Bayreuther CSU-Landtagsabgeordnete Gudrun-Brendel-Fischer teilte auf Anfrage mit, es werde in jedem Fall Änderungen geben. "Wir wollen keine Stigmatisierung psychisch Kranker, deshalb muss die doppelte Aktenführung und die Speicherdauer von Daten hinterfragt werden."

Christoph Rabenstein (SPD): „Wir hatten im Landtag die erste Lesung des „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes“, und schon bei dieser Debatte wurde deutlich, dass es absolut kein „Hilfe“-Gesetz sondern ein Katastrophen-Gesetz für psychisch kranke Menschen ist. Sie werden nämlich quasi gleichgesetzt mit forensisch Untergebrachten und damit stigmatisiert. Allein schon durch die Registrierung in einer Unterbringungsdatei führt dazu, dass für Missbrauch dieser Daten Tür und Tor geöffnet ist. Das Verhältnis zwischen Betroffenen und Ärzten wird dadurch zudem immens beeinflusst, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit wird oft nicht mehr möglich sein. Es bleibt zu hoffen, dass in der Anhörung die Kritikpunkte der Experten noch einmal verdeutlicht werden und sich dann das Gesetz grundlegend ändert. In dieser jetzigen Form jedenfalls werden ich und meine Fraktion das Gesetz deutlich ablehnen.“  

Ulrike Gote (Grüne): "Das CSU-Gesetz ist ein Sicherheitsgesetz, das alle psychisch kranken Menschen als potentielle Gefahr sieht. Ob Beinbruch oder Depression, es kann jeden treffen, und Kranke brauchen qualifizierte Hilfe und Unterstützung. Statt Hilfe bietet die CSU Überwachung. Es braucht einen radikalen Perspektivwechsel: Der kranke Mensch und seine Bedürfnisse gehören in den Mittelpunkt. Es darf keine Gleichsetzung der Unterbringung psychisch Kranker mit Maßregel- oder Strafvollzug geben. Unterbringungsdatei und Meldepflichten müssen weg.

Peter Meyer (Freie Wähler): Das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz stellt die Gefahrenabwehr in den Vordergrund, während der Hilfe-Teil des Gesetzes zu kurz kommt. Menschen in psychischen Krisen werden immer wieder mit psychisch kranken Straftätern in einen Topf geworfen. Andere Bundesländer haben in den entsprechenden Gesetzen wesentlich ausgeprägtere Hilfsangebote. Der – zu begrüßende – flächendeckende Krisendienst muss auch bei der sofortigen vorläufigen Unterbringung durch die Polizei hinzugezogen werden. Die umfangreichen Meldepflichten und die Unterbringungsdatei sind völlig überzogen. Warum sollen von nicht straffälligen und nicht fremdgefährdenden, „nur“ psychisch kranken Menschen hochsensible Daten für mindestens fünf Jahre gespeichert werden und Polizei, Justiz und vielen weiteren Behörden zur Verfügung gestellt werden? Welchem präventiven Zweck kann dies dienen? Besser und ausreichend wäre ein anonymisiertes Melderegister für Zwangsmaßnahmen, um eine ausreichende und damit effektive Kontrolle über die in Bayern durchgeführten Zwangsmaßnahmen zu erreichen.

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