Neues Lebenshilfe-Wohnheim Bald ziehen die ersten Bewohner ein

Wohnheimleiter Daniel Mösch (Dritter von links) erläutert Sozialministerin Ulrike Scharf (Zweite von rechts) das Wohnheimkonzept. Mit auf dem Bild sind unter anderem Lebenshilfe-Geschäftsführerin Susanne Hilpert (links), Lebenshilfe-Vorsitzender Oliver Weigel (rechts) Landtagsabgeordneter Martin Schöffel (Vierter von links) und der Arzberger Bürgermeister Stefan Göcking (Dritter von rechts). Foto: Florian Miedl

Fernseher hinter Panzerglas, Schutztüren, aber jede Menge Wohlfühlatmosphäre. Das neue Lebenshilfe-Wohnheim in Arzberg nimmt mit geändertem Konzept den Betrieb auf. Das hat einen einfachen Grund.

 
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Noch hängen Kabel von der Decke, manche Wände sind unverputzt. Wo derzeit Handwerker den Ton angeben, ziehen in gut zwei Monaten 24 Menschen mit Behinderungen ein. Am Freitag hat die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf die Baustelle für das Lebenshilfe-Wohnheim in Arzberg besucht.

Eines vorweg: Die Lebenshilfe Fichtelgebirge muss sich von dem ambitionierten Konzept verabschieden, ein Wohnheim speziell für geistig und psychisch behinderte Menschen mit besonders herausforderndem Verhalten zu betreiben. Laut Geschäftsführerin Susanne Hilpert findet der gemeinnützige Verein nicht genügend Mitarbeiter für deren Betreuung. Daher gibt es nur noch acht Plätze für die ursprünglich vorgesehene Zielgruppe – auch wenn die Nachfrage nach Wohnheimplätzen riesig ist. Jeweils weitere acht Plätze sind für geistig behinderte Senioren und eine Gruppe von Bewohnern mit unterschiedlichen Behinderungsarten vorgesehen.

Wohlfühlatmosphäre

„Das Wohnheim wird für die Bewohner ihr neues Zuhause, daher legen wir Wert auf Wohlfühlatmosphäre“, sagt Heimleiter Daniel Mösch beim Rundgang. Vor allem die großen Fensterfronten fallen auf. Diese bringen nicht nur Licht in die Räume, sie ermöglichen dem Personal auch einen Überblick, wenn sich Bewohner in einem der drei Innenhöfe oder im Garten befinden. Fast alle in einiger Zeit hier lebenden Menschen benötigen eine intensive Betreuung, teilweise in allen Lebensbereichen. Das Haus samt Garten und Innenhöfen ist dafür ausgerichtet. Susanne Hilpert: „Wir legen im Außenbereich Hochbeete zum Gärtnern an und einen Kreisweg, da wir Bewohner mit Weglauftendenz erwarten.“

Die drei Wohngruppen funktionieren wie eine WG. Laut Daniel Mösch hat jeder Bewohner ein eigenes Zimmer mit Bad und WC. Gemeinsam nutzen sie ein großes Wohnzimmer, einen Hauswirtschaftsraum, einen abgeschlossenen Innenhof und einen Gartenteil.

Herausforderndes Verhalten

Die acht geistig und psychisch behinderten Bewohner mit herausforderndem Verhalten haben ihr Leben zum Teil jahre- oder jahrzehntelang in Psychiatrien verbracht und kommen mit einem sogenannten Unterbringungsbeschluss nach Arzberg. Sie leben in ihrem Wohnbereich in einer geschlossenen Abteilung, was aber nicht bedeutet, dass sie wie in einem Gefängnis „weggesperrt“ sind. „Wir werden natürlich auch Ausflüge oder Spaziergänge unternehmen, allerdings mit einem hohen Anteil Betreuer“, erläutert Mösch. Für den Alltag ist ein Betreuungsschlüssel von 1 zu 0,83 notwendig. In der Nacht sind für die etwas andere Wohngruppe zwei Pädagogen anwesend. Auch die Einrichtung ist speziell, was aber nicht auf den ersten Blick auffallen wird. So ist das Besteck weggeschlossen und der Fernseher hinter Panzerglas angebracht. „Es kommt schon mal vor, dass jemand mal aggressiv wird oder einen besonderen Bewegungsdrang verspürt. Deshalb muss ja nicht gleich der Fernseher kaputt gehen oder sich jemand verletzen“, sagt der Wohnheimleiter.

Außer mehreren Büros, einer Teeküche für die Mitarbeiter und anderen Funktionsräumen stehen den Bewohnern unter anderem ein Sportraum mit Boxsack und anderen Geräten, ein Rückzugszimmer und ein Snoezelenraum zur Verfügung. Snoezelen ist ein Kunstwort und bezeichnet eine Therapie, die die Wahrnehmung der Umgebung stimuliert. Dies entspannt die Seele und den Körper und steigert die Konzentration. Daniel Mösch: „Weiter verfügen wir über ein Pflegebad für diejenigen, die nicht mehr selbst zum Baden oder Duschen in der Lage sind.“

Noch ein, zwei Mitarbeiter notwendig

Vorgesehen ist, dass das Wohnheim Mitte Juni bezugsfertig ist. Kurz darauf, wahrscheinlich ab Juli, ziehen die ersten Menschen ein. „Für die Gruppe der Bewohner mit herausforderndem Verhalten suchen wir noch ein, zwei Mitarbeiter, bevorzugt Heilerziehungspfleger“, sagt Susanne Hilpert. Das übrige Personal steht zumindest auf dem Papier zur Verfügung. Die Geschäftsführerin hofft, dass noch ein paar Pädagogen und Heilerziehungspfleger von Marktredwitz nach Arzberg wechseln wollen.

Sozialministerin Ulrike Scharf, die auf Einladung von Landtagsabgeordneten Martin Schöffel nach Arzberg gekommen ist, zeigt sich angesichts des Konzepts und des Wohnheims beeindruckt. „Die Einrichtung der Lebenshilfe Fichtelgebirge wird bald mit viel Leben gefüllt sein. Ab Juli finden die ersten Bewohnerinnen und Bewohner hier ein neues Zuhause. Ich setze mich aus voller Überzeugung für Investitionen in den Bau von Einrichtungen für Menschen mit Behinderung ein. Es ist wichtig, dass wir in Bayern eine flächendeckende Versorgungsstruktur haben.“ Der Freistaat fördere den Bau daher mit rund 3,4 Millionen Euro.

10,7 Millionen Euro

Stolz auf das Projekt sind auch der Vorsitzende der Lebenshilfe Fichtelgebirge, Oliver Weigel, und der Arzberger Bürgermeister Stefan Göcking. Immerhin sei es gelungen, auf einer Brache eine zukunftsfähige Einrichtung zu bauen. Auf dem Areal, auf dem das Wohnheim und nebenan eine Werkstatt der Lebenshilfe stehen, befand sich früher die Porzellanfabrik Schumann und eine große Ökonomie der Fabrikantenfamilie.

Die Lebenshilfe Fichtelgebirge hat in Arzberg 10,7 Millionen Euro in das Wohnheim investiert. 6,2 Millionen Euro erhält sie aus verschiedenen Fördertöpfen. „Das heißt, wir müssen 4,5 Millionen Euro selbst finanzieren“, rechnet Oliver Weigel vor. Ursprünglich war der Bau mit 7,5 Millionen Euro kalkuliert worden, eine Summe, die angesichts der gestiegenen Baukosten nicht zu halten war.

Die Werkstatt der Lebenshilfe in Arzberg ist seit Oktober 2020 in Betrieb. Wegen der Corona-Pandemie ist laut Susanne Hilpert kein offizielles Eröffnungsfest möglich gewesen. Hier arbeiten 35 Beschäftigte mit psychischen Behinderungen. „Wir betreiben hier keine Endproduktion, sondern erledigen Aufträge überwiegend für heimische Unternehmen.“ Unter anderem füllen die Mitarbeiter Folien-Ballons, stecken Kartonagen zusammen oder fertigen technische Federn. Die Beschäftigten wohnen bis auf einen daheim und werden am Morgen mit einem Lebenshilfebus abgeholt und am Abend wieder nach Hause gebracht. In Marktredwitz sind in der Werkstatt 150 Mitarbeiter mit geistigen Behinderungen beschäftigt. In den Werkstätten erledigen die Arbeiter Terminaufträge für die Wirtschaft.

Das Wohnheim und dessen Gartenbereich werden eingezäunt sein, da einige Bewohner desorientiert sind. Der Zaun wird aus optischen Gründen reichlich begrünt.

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