Muslime kritisieren den Bayreuther Salafistenprediger und werfen ihm vor, sich nicht zu integrieren Bayreuth: Muslime sauer über Salafistenprediger

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Die Al-Taqwa-Moschee in Bayreuth Foto: Ronald Wittek Foto: red

"Diesen Salafisten wollen wir nicht!" Die Kritik am einstigen Imam der Al-Taqwa-Moschee in Bayreuth kommt jetzt sogar aus den Reihen der Muslime. Er sei der falsche Mann, und er verweigere die Integration. Und rücke damit alle Muslime in ein schlechtes Licht.

 
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Er wird ganz besonders im öffentlichen Leben vermisst. Anas F.  (29), ehemaliger Vorbeter in der Bayreuther Al-Taqwa-Moschee, Imam und Salafist. Beim Verfassungsschutz heißt es: „Es gibt keine guten Salafisten.“ Sie stehen unter Beobachtung, gelten als gefährlich für die Demokratie. Aus ihren Reihen stammen die terroristischen Kämpfer für den Islamischen Krieg.

Selbst die Bayreuther Moslems beäugen das Treiben des Predigers mit Verwunderung. Nirgends ist er zu sehen, er spricht nicht öffentlich und auch bei der Demonstration nach den Anschlägen auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo vergangene Woche war er nicht dabei. „Anas ist es nicht gelungen, sich zu integrieren“, sagt Adil Zaher (40). Zaher ist Vorsitzender des Irakischen Vereins in Bayreuth, er arbeitet als Dolmetscher, hat eine Sicherheitsfirma, verheiratet, zwei Kinder (sieben und zehn), ist Soldat bei der Bundeswehr und er ist sauer auf den Imam. „Wir verlangen Angemessenheit“, sagt er. Jeder solle leben, wie es sich gehöre. „Das ist nicht gegen den Islam, wenn ich mich integriere.“ Scharfe Worte von einem Moslem gegen einen Moslem. Aber es geht noch schärfer. Adil fordert unverhohlen den Rücktritt des Ersten Vorsitzenden des Vereins Islamisches Zentrum Bayreuth, der das Gebäude der Moschee in der Gabelsberger Straße 11 für etwa 250 000 Euro gekauft hat: „Er ist nicht die passende Person für das Amt.“

Zaher geht noch weiter. Es sollte eine Person kommen, „die für alle Seiten akzeptabel ist“. Jemand, der sich mehr integriere. „Wir wollen uns nicht einander umbringen, wir wollen friedlich leben.“ Wer ein Kämpfer sein wolle, der solle im Nahen Osten gegen die Diktaturen kämpfen. Und nicht gegen Unschuldige.

Seit etwa einem Jahr läuft gegen den Marokkaner Anas F. der mit einer Deutschen verheiratet ist und zwei Kinder hat, ein Ausweisungsverfahren – als „Gefährder“ soll er nach Willen der Verfassungsschützer abgeschoben werden. Einen ersten Antrag im Eilverfahren hat das Verwaltungsgericht Bayreuth abgelehnt (der Kurier berichtete). Im Sommer findet die Hauptverhandlung statt. „Ich habe mit dieser Debatte nichts zu tun. Die Vorwürfe überraschen mich selbst“, sagte er vor einigen Monaten. Er betonte, er sei unschuldig. Woher die Vorwürfe kamen, wisse er nicht. „Ich bin nicht der Typ, der gern in den Zeitungen stehen mag“, sagte er. Er sagte aber auch: „Da ich von meiner Unschuld ausgehe, hab ich nichts zu verheimlichen. Ich will nicht an einer Lüge beteiligt sein.“ Trotz mehrerer Versuche, mit ihm ins Gespräch zu kommen, meldete er sich nicht. Auch an Anruf in der As-Salam Moschee in Schwandorf, wo er seit vergangenem Jahr predigt, bleibt erfolglos. Offenheit sieht anders aus. Dafür ist er umso öfter auf Videos im Internet zu sehen, wo er auch auf Deutsch predigt. Nach Informationen des Kurier hält er sich zurzeit in Marokko auf, wo er seine kranke Mutter pflegt. Vor Gericht hatte er vorgebracht, im ihm drohe dort Verfolgung und Folter, sobald er mit dem Salafismus in Verbindung gebracht würde.

Anas F. beim Rezitieren von Koran-Versen im YouTube-Video:

Jetzt gerät Anas F. also auch aus den eigenen, muslimischen Reihen unter Druck. Er sei „leider bei vielen unbeliebt“, sagt ein Muslim aus Bayreuth. Er setze auch theologisch die falschen Akzente, sehe nur die Unterschiede zwischen den Religionen, nicht aber die Gemeinsamkeiten. Die Gläubigen, die in die Salafisten-Moschee in der Gabelsberger Straße gehen, setzen sich aus allen Schichten zusammen: Ärzte, Hochschullehrer, Sportler, Studenten, Flüchtlinge, Angestellte, Geschäftsleute, auch ihre Kinder bringen sie mit; sie engagieren sich in Vereinen oder Schulen. „Nicht jeder, der ein salafistisches Zentrum besucht, kann der salafistischen Szene zugerechnet werden“, heißt es beim Verfassungsschutz. Allerdings dürfte auch nicht jedem klar sein, dass er mit seiner Spende den Salafismus unterstütze. Man müsse sich erst die Personen anschauen, welche Funktionen sie innerhalb der Organisation hätten, wie sie sich über das Gebet und die Spende hinaus engagieren. Der Bayreuther Islamwissenschaftler Rüdiger Seesemann hält nach Gesprächen mit dem Imam das, was er predigt, für einen „apolitischen“ Salafismus, also ungefährlich.

Auch SPD-Stadtrat Halil Tasdelen warnt, alle Gläubigen dort über den salafistischen Kamm zu scheren. Es wüssten nicht alle, dass die Moschee unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Die Jugendlichen dort hätten nichts mit Salafismus zu tun. Nur weil sich manche einen Bart haben wachsen lassen, sei es „nicht fair und nicht in Ordnung“, sie als gefährliche Salafisten abzustempeln. Allerdings sagte Tasdelen auch, Menschen aus anderen Kulturkreisen sollten Flagge zeigen. „Du musst dich einbringen, wenn du Akzeptanz haben willst.“

Hintergrund: Salafismus

Als „Salafismus“ bezeichnet man eine Strömung des Islam, die sich strikt an der Lebensweise der „frommen Altvorderen“ (arab. Al-salaf al-salih) orientiert. Gemeint sind die drei dem Propheten nachfolgenden Generationen, die den Islam noch ohne verfremdende Einflüsse auf der Basis von Koran und Sunna gelebt haben (vgl. Steinberg, Der nahe und der ferne Feind, München 2005, S. 16 ff.).Der Salafismus lässt sich in drei Strömungen einteilen, deren Grenzen aber fließend sind. Der puristische Salafismus versucht, jegliche westlichen und anderen Einflüsse aus der Ideologie fernzuhalten. Politische Aktivität oder die Macht in einem Staat zu übernehmen, planen Puristen nicht. Der politische Salafismus beinhaltet die Forderung nach Einführung der Scharia und einem gottgefälligen Leben, verbunden mit einer politischen Agenda. Teile dieses Spektrums rechtfertigen unter bestimmten Bedingungen die politisch motivierte Gewalt. Der dschihadistische Salafismus sieht im militärischen Dschihad die einzige Möglichkeit, die Einheit des Islam wieder herzustellen und die Muslime zum „wahren Glauben“ zurückzuführen. Daher wird Gewalt gegen alle „Feinde des Islam“ und gegen Ungläubige propagiert (vgl. Entscheiderbrief 6/2013 des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge).

Der Verfassungsschutz macht diese Unterscheidung nicht, sondern ordnet Salafismus klar als islamistische Strömung ein. Ferner geht er davon aus, dass es etwa 6300 radikale Salafisten in Deutschland gibt.

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