Ehrenbürger und Alt-Stadtrat feiert heute seinen Geburtstag: „Ich habe in der Kommunalpolitik viel gelernt“ Werner Ponsel: Der Geradlinige wird 80

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Fensterreden oder der Tanz um den heißen Brei, das gebetsmühlenartige Wiederholen und Breittreten von längst Besprochenem in der lokalpolitischen Landschaft hat es für Werner Ponsel nie gegeben. Er war im Stadtrat 36 Jahre lang immer derjenige, der seine Meinung nie versteckte. Der – gerne pointiert – auf den Punkt brachte, was aus seiner Sicht richtig und für die Stadt wichtig war. Heute feiert Werner Ponsel, langjähriger Richter und Strafkammer-Vorsitzender am Landgericht Bayreuth, überzeugter Sozialdemokrat und Alt-Stadtrat, seinen 80. Geburtstag.

 
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Ponsel, neben Dieter Mronz einer der beiden Ehrenbürger der Stadt, sagt im Rückblick auf seine Zeit in der lokalpolitischen Mitbestimmung, dass er keinen Tag bereue. Denn die Zeit von 1972 bis 2008 war eine Zeit des jahrzehntelangen Umbruchs für Bayreuth. Ein Entwicklungsprozess, in dem die Stadt den schweren Mantel „der verschlafenen Beamtenstadt, diesen Ruf hatte die Stadt zu Hans Rollwagens Zeit als Oberbürgermeister“, wie Ponsel sagt, abgestreift hat.

Ponsel, der als Sohn eines Polizeibeamten 1938 in Hof zur Welt kommt, weiß schon früh, dass er Jurist werden will. Damit stellt er sehr bald – unbewusst – eine Weiche auf seinem Lebensweg, der ihn nach Bayreuth führen sollte. Denn nach Kindheit und Jugend ganz oben in Bayern, wie die Hofer mit Stolz ihren Landstrich nennen, sollte nach dem Studium in Erlangen, wo Ponsel seine Frau Karin „kennen und lieben lernt“, wie er sagt, in der Referendariatszeit die Abordnung an die Staatsanwaltschaft nach Hof folgen. Kurz darauf nach Bayreuth an die Regierung und schließlich ans Landgericht in Bayreuth.

Das für Ponsel so typische, verschmitzte Lachen, spielt um seinen Mund, wenn er über seine Kindheit berichtet. Nach Ausbruch des Kriegs schickt seine Mutter ihn zu ihrem Vater. Dorfschullehrer in Leimitz, einem kleinen Dorf bei Hof. „Weil meine Mutter der Meinung war, ein Bub gehört von einem Mann erzogen. Mein Vater war ja sechs Jahre fort. Im Krieg.“ In einer „Schar von Bauernbuben“, sagt Ponsel, wächst er auf. Glücklich. Und mit jeder Menge Blödsinn im Kopf. „In den Augen meines Großvaters waren wir eine Bande von Taugenichtsen, die im Dorf rumgestromert sind.“ Eine Bande, die auch vor großer Gefahr nicht zurückschreckte – zum Entsetzen des August Schricker, Ponsels Großvater. „Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich ihn verzweifelt davon abhalten wollte, den Garten umzustechen. Ich hätte alles getan, doch ich sehe noch wie heute, wie er sticht und sticht. Als ob er geahnt hätte, was ich da im Garten in einer Wachstasche versteckt hatte.“ Karabiner, Maschinengewehre, Munition. All das gräbt der Großvater aus kurz nach Ende des Weltkrieges. „Da war er echt entsetzt“, sagt Ponsel. „Wir konnten schießen, wir konnten mit Stilhandgranate umgehen wie die Soldaten. Dass ich die Gewehre hergeben musste, hat mich eigentlich noch deutlich mehr geschmerzt als die Schläge, die ich aufs Hinterteil bekommen habe.“

Doch der Stromer Ponsel macht sich: Oberrealschule in Hof, dann in Wunsiedel. „Und irgendwann ist mir die Erkenntnis gekommen, dass ich mich ein bisschen anstrengen sollte. Ich wollte ja studieren. Die Reife kam mit 17 oder 18“, sagt Ponsel. Er schreibt sich mit dem Abi in der Tasche in Erlangen ein: Jura. „Acht Semester, dann habe ich das Examen. Das habe ich meinem Vater versprochen. Denn ich hatte eine jüngere Schwester, die auch studieren wollte.“ Ponsel schnuppert auch in Medizin- und Mathematik-Vorlesungen, bleibt aber dabei: Jura soll es werden.

Nach der Referendariatszeit und dem zweiten Staatsexamen kommt Ponsel 1964 endgültig nach Bayreuth. Staatsanwalt, Amtsrichter. 1969 wird er ans Landgericht abgeordnet, bewirbt sich auf eine freie Stelle – „und ratsch, die hab’ ich auch bekommen“. 30 Jahre, fast sein ganzes Berufsleben ist Ponsel Strafrichter. „Von der Pike auf habe ich das gemacht.“ Zwölf Jahre, von 1987 bis zum Ruhestand 1999, ist er Vorsitzender der Großen Strafkammer am Landgericht, leitet schwere, aufwühlende Verfahren wie den Prozess um den Mord an Melanie Preuß.

Kurz nach dem Wechsel ans Landgericht wartet auf Ponsel, der aus einem politisch interessierten, liberalen Familienumfeld kommt, die nächste Herausforderung: Lokalpolitik.

„Willy Brandt, die Veränderung der Politik, die Annäherung an den Osten, das war für mich als politisch interessiertem Menschen der Ausschlag, Mitglied der SPD zu werden. Das ist die richtige Partei für mich, war ich mir sicher“, sagt er. 1971 sei Hans Walter Wild auf ihn, den jungen Richter, zugekommen. In seiner unnachahmlichen Art – Wild konnte sehr bestimmt sein – habe der Oberbürgermeister ihn gebeten, sich mit ihm zu treffen. „Er sagte mir, ich müsse für den Stadtrat kandidieren. Ich habe ihm gesagt, dass ich bestimmt kein Berufspolitiker werde. Und dass ich sowieso erst einmal die Familie fragen müsse.“ Die Familie stimmt zu. Nicht zuletzt deshalb, weil die Lokalpolitik Ponsels Liebäugeln mit einer Stelle im hohen Polizeidienst mit mehrmonatigen Aufenthalten in anderen Städten einen Riegel vorschiebt.

 Die SPD, sagt Ponsel, sei damals „stark von der Arbeiterschaft geprägt gewesen. Das waren alles gewachsene Sozialdemokraten. Ich war ein hineingewachsener“. Trotzdem wird er auf Anhieb gewählt, sitzt im Stadtrat. „Bis Wild wieder kam, 1974 war das: Du musst den Fraktionsvorsitz übernehmen.“ Die SPD, damals führende Kraft im Stadtrat, sollte der Neuling lenken. Die CSU führt sein Freund Veit Holzschuher, die BG Walther Schmidt. „Ich habe nach reiflichem Überlegen zugestimmt, hatte aber plötzlich aus dieser Truppe selbstbewusster Leute heraus zwei Gegenkandidaten. Zwei angesehene, langjährige Sozialdemokraten. Aber: Ich bin mit Mehrheit aus dem Rennen gegangen.“ 27 Jahre lang sollte Ponsel Fraktionsvorsitzender bleiben, bis er das Amt abgab.

Man habe gestalten können in dieser Zeit, sagt Ponsel. „Es war Aufbruchstimmung in Bayreuth. Einer der Eckpfeiler war sicher die Gründung der Universität vor 40 Jahren. Oder die Stadtentwicklung, die Ansiedlung heute so wichtiger Industriebetriebe wie Grundig, die BAT oder Medi. Der Einzelhandel: Bayreuth hatte viele schöne Geschäfte – und einen Schlachthof, der als ungenehmigtes Unternehmen mitten in der Stadt arbeitete.“ Dort steht jetzt das Rotmain-Center, mit Brücke hinüber zum Markt. „Das hat, dessen bin ich mir sicher, viel gebracht für Bayreuth.“

Ponsel hat nach seinem Ausscheiden aus dem Stadtrat seinen Frieden mit der Politik gemacht. „Ich habe mir geschworen, dass ich nicht als Besserwisser durch die Gegend laufen werde. Wer eine Auskunft haben will, dem sage ich unverblümt, was ich von diesem oder jenem halte.“ Mit seinem Freund Wolfgang Kern, Ponsels direktem Nachfolger als Fraktionsvorsitzender, treffe er sich einmal in der Woche, plaudere über dies und das und die Politik. „Aber aus dem Geschehen halte ich mich raus“, sagt Ponsel. Eines aber sagt er doch: Er vermisse, dass die Fraktionen im Stadtrat an einem Strang ziehen. „Man hat früher im Stadtrat nicht kleinkariert herumgetan – so wie man heute den Eindruck hat, dass es passiert. Es ist entschieden worden. Und das ist auch etwas, was vom Oberbürgermeister ausgehen muss. Der muss entscheidungsfreudig sein.“

Die Freizeit, die ihm in seiner beruflich und politisch aktiven Zeit oft gefehlt hat, genießt Ponsel heute umso mehr. Nicht mehr die extremen Touren, die mit den hohen Bergen. Heute ist es Pilze suchen mit Freunden. Wandern. Karten spielen. Den Samstagabend verbringt er beim Stammtisch der Wilden Indianer, „immer ein fröhlicher Abend, an dem es zünftig zugeht“, sagt Ponsel. Ein Anknüpfen an die Studentenzeit, als er – zum Leidwesen seiner Mutter – bei einer schlagenden Verbindung war. Und er verfolgt als stolzer Opa das Aufwachsen der fünf Enkel.

Wenn er heute einen Strich unter sein Leben ziehe, dann könne er sagen, dass er in mehrfacher Weise Glück gehabt habe. „Ich habe das große Glück gehabt, in einer intakten und mir zugewandten Familie zu leben“, sagt Ponsel. Er habe einen Beruf gehabt, der ihn ausgefüllt habe. „Und ich hatte die Möglichkeit, in der Kommunalpolitik mitzuarbeiten – wo ich viel gelernt habe: Dass es wichtig ist, sich zu verständigen, sich abzusprechen, auszutauschen. Ganz anders als im Gericht, wo ich als Einzelner klare, eindeutige Entscheidungen zu treffen hatte.“

Ponsel sagt, er fühle sich nicht wie 80. „Dankbar und froh bin ich, dass ich bis heute gesund geblieben bin.“ Vielleicht sei die gute Konstitution von seinem Großvater Eduard Ponsel auf ihn durchgeschlagen. „Der war Zimmermann, den sehe ich heute noch vor mir: Mit 82 saß er noch auf dem Dach, hat die Dachlatten draufgenagelt. Ein Kerl, der nicht viel gesagt hat. Der aber jedem Witz aufgeschlossen war und immer ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen hatte.“

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