Das Grundgesetz geht baden

Von Thorsten Gütling
Eintritt zahlen für die Therme Obernsees. Dass Mistelgauer Bürger weniger bezahlen, als andere Gäste aus dem Landkreis Bayreuth, verstößt gegen das Grundgesetz. Kein Grund für den Landrat und die obersten Beamten im Landratsamt daran etwas zu ändern. Foto: Andreas Harbach Foto: red

In der Therme Obernsees gibt es Gäste, die weniger zahlen als andere. Dass das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass das gegen das Grundgesetz verstößt, beeindruckt die Mitglieder des Zweckverbands wenig. Auf Vorschlag von Landrat Hermann Hübner (CSU) haben sie sich diese Woche darauf verständigt, die verfassungsfeindliche Praxis vorerst fortzusetzen. Bis die Sache auffliegt.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Christian Arneth besucht die Therme Obernsees. An der Kasse bezahlt er 15 Euro und geht weiter in Richtung Drehkreuz. Da bekommt er mit, dass der Mann hinter ihm nur 13 Euro bezahlen muss und fragt nach den Gründen. Die Kassiererin, so erzählt es der Mistelgauer später, rät ihm, sich bei der Geschäftsführung des Bades zu erkundigen. Das tut Arneth, schreibt Gernot Geyer einen Brief und bringt damit einen Stein ins Rollen.

Kaum einer weiß von dem Rabatt

Das Schreiben, das der Mistelgauer zurück bekommt, trägt die Unterschrift von Landrat Hübner. Er ist der Vorsitzende des Zweckverbandes Therme Obernsees. Hübner schreibt, dass es seit dem Jahr 2001 einen ermäßigten Eintrittspreis für Mistelgauer Bürger gibt. Werktags und außerhalb der Ferien zahlen Mistelgauer Bürger, soweit sie davon wissen und ihren Ausweis vorzeigen können, 15 Prozent weniger als alle anderen Gäste. Christian Arneth, selbst vor eineinhalb Jahren nach Mistelgau gezogen, wusste davon nichts. Auf Kurier-Nachfrage erklärt das Landratsamt Bayreuth, der 2001 in einer nicht öffentlichen Sitzung beschlossene „Mistelgau-Tarif“ sei anschließend im Mitteilungsblatt der Gemeinde veröffentlicht worden. Im vergangenen Jahr, heißt es auf Kurier-Nachfrage, hätten nur rund 800 der insgesamt 263.000 Gäste den Rabatt genutzt. In seinem Brief an den Mistelgauer schreibt der Landrat auch, er sehe keinen Anlass, diesen Rabatt für alle sichtbar auf den Preistafeln zu verzeichnen.

Unvereinbar mit dem Grundgesetz

In seinem Brief an den Mistelgauer erklärt Hübner auch, warum es diesen Tarif überhaupt gibt und er ihn für sinnvoll erachtet. Weil die Therme zu 70 Prozent vom Landkreis und zu 30 Prozent von der Gemeinde Mistelgau finanziert wird. Und weil der Landkreis seine Kosten wiederum auf alle seine Gemeinden umlegt. Insofern würden die Bürger von Mistelgau doppelt belastet. Eine Argumentation, die Arneth nicht gelten lassen will. Denn führe man diesen Gedanken zu Ende, müssten die Badegäste aus dem Landkreis auch geringere Eintrittsgelder zahlen als die aus der Stadt Bayreuth oder aus dem Landkreis Kulmbach. Und Arneth verweist auf Artikel 3 des Grundgesetzes, wonach niemand wegen seiner Heimat oder Herkunft benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Eine Ansicht, die das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich bestätigt hat.

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden

Im Juli hat das Gericht einem Österreicher Recht gegeben, der gegen ein von mehreren Gemeinden und einem Landkreis betriebenes Freizeitbad im Berchtesgadener Land geklagt hatte. Der Grund: Er hatte dort einen höheren Eintrittspreis bezahlen müssen als einheimische Badegäste. In der Urteilsbegründung heißt es: „Zwar ist es Gemeinden nicht von vornherein verwehrt, ihre Einwohner bevorzugt zu behandeln. Die darin liegende Ungleichbehandlung Auswärtiger muss aber durch hinreichende Sachgründe gerechtfertigt sein.“ Solche Gründe könnten vorliegen, wenn es sich um das Bad einer Gemeinde handle, das mit knappen Ressourcen betrieben und deshalb zu allererst für die eigenen Bürger gedacht sei. Sei ein Bad aber auf Überregionalität ausgelegt und soll es bewusst Auswärtige ansprechen, könnten solche Gründe nicht mehr gelten, heißt es in dem Urteil. In der Satzung der Therme Obernsees steht, dass das Bad zur Förderung des Fremdenverkehrs gebaut wurde.

Urteil alleine reicht nicht für eine Diskussion

Auf Nachfrage gibt das Landratsamt zu, dass nicht das Urteil der Grund dafür war, warum sich der Zweckverband Anfang dieser Woche mit dem Thema beschäftigt hat. Es heißt: „Die Sache wurde aufgrund der Anfrage eines Gastes aus der Gemeinde Mistelgau auf die Tagesordnung gesetzt.“ Aus Unterlagen, in die der Kurier Einsicht hatte, geht hervor, dass der Landrat den Mitgliedern des Zweckverbands in nicht öffentlicher Sitzung dennoch vorgeschlagen hat, so lange über das Urteil hinweg zu sehen, bis es weitere Beschwerden oder eine öffentliche Diskussion darüber gibt. Der Landrat schreibt: „Es muss davon ausgegangen werden, dass der Mistelgau-Tarif einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhält.“ Und weiter: Falls der öffentliche Druck weiter zunimmt, „wird der Zweckverband nicht umhin können, sich am verfassungsmäßigen Handeln zu orientieren“.

Imageschaden vermeiden

Auf Nachfrage heißt es, der Zweckverband habe nicht übereilt zum Nachteil der Gemeinde entscheiden und einen Imageschaden vermeiden wollen. Er habe den Fall noch einmal rechtlich prüfen und im Zweckverband später noch einmal zur Abstimmung stellen wollen. Eile sei aufgrund des Gerichtsurteils nicht geboten. Nachdem der Kurier zwei Tage nach der Sitzung des Zweckverbands, entsprechende Nachfragen im Landratsamt gestellt hat, vermeldete Sprecher Michael Benz, der Verbandsvorsitzende habe die weitere Gewährung dieser Vergünstigung ab sofort ausgesetzt. Der Zweckverband wolle sich nicht dem Vorwurf aussetzen, möglicherweise verfassungswidrig zu handeln.

Nicht alle Rabatte zahlen die Mitglieder

Auf Nachfrage im Landratsamt heißt es übrigens auch, die Rabatte für Mistelgauer Bürger würden nicht von der Gemeinde Mistelgau, sondern von den Verbandsmitgliedern bezahlt. So wie jede andere Rabattaktion für Großkunden, darunter Betriebssportgemeinschaften und Hotels, auch. Zumindest in einem Fall stimmt das nicht. Auch Kuriermitarbeiter bekommen beim Eintritt in die Therme Obernsees Rabatt. Die Differenz begleichen der Kurier und die Initiative gesunder Betrieb (IgB).

Einen Kommentar dazu lesen Sie hier.

 

Bilder