Bayreuther Workshop Wenn die Medizin nicht mehr heilen kann

Peter Rauscher
Vertraute Personen, vertraute Umgebung, beherrschbare Symptomatik – das wünschen sich todkranke Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Angebote dafür gibt es in Bayreuth, sie erreichen aber nicht immer die Menschen, die sie brauchen. Foto: dpa-Archiv/Felix Kästle

Bekommt jeder Mensch in Bayreuth in seinen letzten Lebenswochen und -monaten die Versorgung, die er als Sterbender braucht? An einigen Stellen könnte es besser laufen.

 
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Bei der Versorgung schwer kranker und sterbender Menschen in der Region Bayreuth gibt es einige qualifizierte Angebote, dennoch könnte manches besser laufen. Einen kleinen Teil dazu beitragen könnte auch die Stadt Bayreuth.

Es geht auch jetzt um Lebensqualität

Der insgesamt zehnte Workshop, den das Seniorenamt der Stadt als Vorbereitung für ein seniorenpolitisches Gesamtkonzept durchgeführt hat, beleuchtete am Internationalen Tag der Pflege den am meisten tabuisierten Bereich aus der Pflege: das Leiden und Sterben an schwerer Krankheit. Es gehe um den Versuch, dass die Stadt das Ihre tut, um Lebensqualität und möglichst große Selbstbestimmung auch in der letzten Lebensphase ihrer Bürger sicherzustellen, sagte Seniorenbeauftragte Brigitte Nürnberger.

Das Sterben ferngehalten

Das Informationsproblem: Seniorenamt und Akteure aus dem Palliativ- und Hospizbereich blieben bei dieser Veranstaltung weitgehend unter sich. Das lag zum einen daran, dass dieser zehnte Workshop der erste in Präsenz war und Teilnehmer in die Bürgerbegegnungsstätte kommen mussten; zum anderen wird über Leid und Tod nicht so gern gesprochen, wissen die Teilnehmer aus eigener Erfahrung. „Wir haben das Sterben lange von uns ferngehalten. Wenn wir die Öffentlichkeit zu Veranstaltungen einladen, bleiben wir regelmäßig unter uns in einer eigenen Blase“, sagte Sabine Baierlein, stellvertretende Vorsitzende des Hospizvereins.

Erst wenn es zu spät ist

Damit hat sie das offenbar zentrale Problem bereits genannt: Man stelle immer wieder fest, dass die Menschen in Bayreuth nicht über die Möglichkeiten von Palliativversorgung und Hospizbegleitung informiert sind, waren sich die Workshop-Teilnehmer einig. Dem Thema stellten sich die meisten Menschen erst bei unmittelbarer Betroffenheit, wenn etwa ein naher Verwandter schwer erkrankt ist oder im Sterben liegt.

Personal fehlt

Palliativversorgung: Laut Gesetz steht allen Menschen der Zugang zu Palliativ- und Hospizversorgung offen, erläuterte Nürnberger. In der Praxis könne sich das aber mitunter als schwierig erweisen. Neben den Palliativstationen in den Kliniken Bayreuth und Kulmbach, in die Patienten vom Arzt eingewiesen oder verlegt werden, steht im ambulanten Bereich das mobile Palliativteam beider Kliniken bereit. Es kann Patienten zuhause oder auch in Pflegeheimen dann aufsuchen, wenn die normale Pflege durch Sozialstationen allein nicht mehr ausreicht. Eine Workshopteilnehmerin schilderte den Fall eines Palliativpatienten, die von ihm gewünschte Versorgung in seinen vier Wänden aber nicht bekam, weil keine Sozialstation die normale Pflege übernahm. Der Personalnotstand in den ambulanten Pflegediensten sei oft ein Problem auch bei der Versorgung Schwerkranker und Sterbender, hieß es.

Ärzte verweigern SAPV-Betreuung

André Hofer, Referent bei der Diakonie Bayreuth, berichtete zudem von Fällen, bei denen Hausärzte ihren schwerstkranken Patienten diese „Spezialisierte ambulante Palliativversorgung“ (SAPV) verweigerten, weil sie der Meinung waren, sie könnten das selbst übernehmen. Andere Ärzte seien über die Möglichkeiten der SAPV einfach nicht gut informiert oder würden in der Einschaltung der Palliativmedizin eine Art eigenes Versagen sehen. Nur wenige Mediziner in Bayreuth verfügen selbst über eine zusätzliche Ausbildung in Palliativmedizin. Eines der wichtigsten Ergebnisse des Workshops war denn auch, dass die Stadt sich an die Hausärzteschaft wenden und entsprechende Kontakte und Vernetzungen herstellen sowie Aufklärung betreiben soll.

70 Hospizbegleiter

Der Hospizverein: Viel Unwissenheit in der Bevölkerung gibt es auch über die Hospizarbeit. Der Hospizverein etwa informiert regelmäßig über Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten und bildet ehrenamtliche Hospizbegleiter aus. Diese Begleitung umfasst keine pflegerischen Aufgaben, sondern ist eine psychologische Betreuung in erster Linie der Angehörigen sterbender Patienten, um sie beim Loslassen der geliebten Menschen und bei der Trauer zu begleiten. Obwohl der Verein 70 ehrenamtliche Hospizbegleiter in seinen Reihen hat, werden weitere Helfer immer gesucht. „70 klingt viel, aber wenn es im Ernstfall schnell gehen muss, kann ich vielleicht noch auf fünf Begleiter zurückgreifen“, sagt Baierlein, die selbst gerade zwei Fälle betreut.

Hohe Hürden fürs Hospiz

Das Albert-Schweitzer-Hospiz: Die Spitze der Pyramide bei der Versorgung schwerst kranker und sterbender Menschen ist das Albert-Schweitzer-Hospiz in Bayreuth, sagt deren Leiter Andreas Hummel. Zehn Betten stehen hier bereit. Zu betreuen seien aber zu jedem Patienten zusätzlich auch dessen Angehörige. Für einen Platz im Hospiz gibt es hohe Hürden: Aufgenommen werden nur sterbende oder schwerkranke Menschen mit begrenzter Lebenserwartung und hoher Symptomlast, die zuhause nicht ausreichend betreut werden können. Die „Gäste“, wie Patienten hier genannt werden, erhalten eine Versorgung rund um die Uhr durch ein professionelles Team, das mehr Zeit hat als Personal auf einer Akutstation. Für den Raum Bayreuth-Kulmbach seien diese zehn Betten derzeit ausreichend, sagt Hummel, schränkt aber ein: „Wenn mehr Menschen von uns wüssten, wäre die Nachfrage mit Sicherheit höher.“ Die Hospiz- und Palliativversorgung bei den Bürgern, vor allem bei den betroffenen Menschen bekannter zu machen ist eine Aufgabe, bei der die Workshopteilnehmer die Stadt Bayreuth in der Pflicht sehen.

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