Personalnot Ambulante Pflege schwer zu bekommen

Peter Rauscher
Viele alte Menschen, die zuhause leben, brauchen Unterstützung. Doch ambulante Pflegedienste sind in Bayreuth oft nur schwer zu finden. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Stell dir vor, die bist pflegebedürftig und bekommst zuhause keine Hilfe: Dieses Szenario dürfte auch in Bayreuth künftig immer wahrscheinlicher werden. Auch kleine Schritte könnten helfen, die Versorgungslage etwas zu entspannen.

 
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Bayreuth - Wer in Bayreuth zuhause auf Pflege oder Alltagshilfen angewiesen ist, wird es künftig wohl immer schwerer haben, diese Unterstützung auch zu bekommen. Trotz ungünstiger Rahmenbedingungen: Ideen, die sich verschärfende Personalsituation wenigstens abzumildern, gibt es in der Stadt.

Jeden Tag weniger Personal

In mehreren Workshops unter Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit und von Akteuren aus der Seniorenarbeit trägt das Bayreuther Seniorenamt gerade ein seniorenpolitisches Gesamtkonzept zusammen. Jüngstes Thema bei einer Hybridsitzung mit gut 30 Teilnehmern: die ambulante Versorgung hilfsbedürftiger Menschen in der Stadt. Den Erfahrungen der Teilnehmer zufolge ist die Situation schon jetzt sehr ernst.. „Wir haben fast jeden Tag weniger Personal. Die Versorgung von Patienten wird immer schwieriger, teilweise können wir keine neuen Klienten mehr aufnehmen. Mit Blick auf die Zukunft fahren wir auf eine äußerst kritische Situation zu“, umriss Richard Knorr, stellvertretender Kreisgeschäftsführer beim Bayerischen Roten Kreuz, die Lage.

Leistungen immer teurer

Der Bedarf nach ambulanter Pflege steige, doch die Leistungen würden für Patienten immer teurer und könnten von vielen nicht mehr bezahlt werden, sagte Marc Walter, Qualitätsbeauftragter der Awo. Mit der politischen Absicht, dass ambulante Pflege vor stationärer gehen solle, sei das nicht zu vereinbaren.

Situation ist prekär

Früher konnte man sich einen ambulanten Pflegedienst aussuchen, heute muss man froh sein, überhaupt einen zu finden, hat Kathrin Dörfler von der Mobilen Seniorenberatung der Stadt beobachtet. Und wer eigentlich drei Besuche am Tag benötige, müsse oft zufrieden sein, wenn er einen Besuch bekomme. „Die Situation in der häuslichen Pflege ist prekär, zudem fehlen Entlastungsangebote.“ Mit Blick auf den Personalmangel habe sie große Sorgen, zumal nun die geburtenstarken Jahrgänge langsam ins Rentenalter kommen.

Hilfebedarf steigt

Bereits jetzt kommt in Oberfranken auf sieben offene Stellen im Pflegebereich nur ein Bewerber, berichtete Seniorenbeauftragte Brigitte Nürnberger. Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen mit 65 Jahren und älter in Bayreuth bis zum Jahr 2040 um 11,4 Prozent steigen. Weil die Menschen immer älter werden, wird wegen des höheren Demenzrisikos im Alter auch die Zahl Demenzkranker steigen. Von 230000 in Bayern im Jahr 2017 auf 340000 im Jahr 2040. Folge: Der Versorgungsbedarf steigt.

Wie sollen all diese Menschen künftig zuhause gut versorgt werden, wenn die Hilfen schon jetzt nicht ausreichen, wie auch Paula Schauer von der Fachstelle für pflegende Angehörige konstatierte? Das seniorenpolitische Gesamtkonzept will nicht nur Ist-Zustände erfassen, sondern auch Lösungsvorschläge für den lokalen Raum erarbeiten. Auch wenn man in Bayreuth an den großen Stellschrauben von Bundes- und Landespolitik nicht drehen kann, sammelten die Akteure einige Vorschläge, die vor Ort umsetzbar wären. Hier einige Beispiele:

Gratis-ÖPNV für Ehrenamtliche

-Mehr Werbung für ehrenamtliche Alltagshelfer, deren Einsatz bei Vorliegen eines Pflegegrades von der Pflegekasse im Rahmen des Entlastungsbetrags von 125 Euro monatlich bezahlt wird;

-Kostenlose ÖPNV-Tickets in der Stadt für diese Ehrenamtlichen;

-Sonderparkrechte für Pflegedienste und Verzicht der Stadt auf Strafzettel im Parkverbot.

-Grundsätzlich bessere Information Betroffener und besserer Austausch zwischen Pflegediensten und staatlichen Fachstellen;

-Ermittlung von Bedarfen für Tages- und ambulante Nachtpflege

-Eine digitale Plattform in Bayreuth über freie Pflege- und Betreuungskapazitäten.

Boni und Dienst-E-Bikes

Besonders kreativ zeigte sich im Workshop eine Klasse von Pflegeschülern des bfz. Ihnen ging es nicht in erster Linie um die Durchsetzung utopischer Gehaltsvorstellungen. Sie regten zum Beispiel ein Bonussystem für Kollegen an, die etwa mehrmals für erkrankte oder verhinderte Kollegen einspringen. Gut fänden sie auch ganztägige Zwischendienste, weil geteilte Dienste morgens und abends für die Pflegekraft den gesamten Tag blockieren. Die Bereitstellung von Dienst-E-Bikes im Sommer und Kooperationen von Pflegediensten mit Kinderbetreuungseinrichtungen, um attraktiv für Pflegepersonal mit Kindern zu sein, sind weitere Vorschläge.

Parkplatz für den Pflegedienst

Bei der Anregung, mehr Parkplätze in der Innenstadt für Pflegedienste bereitzustellen, weil oft wertvolle Zeit mit der Suche nach Stellmöglichkeiten verloren geht, will das bfz mit gutem Beispiel vorangehen. Schulleiterin Annika Scheit sagte den Schülern zu, sich dafür einzusetzen, dass das bfz in der Eduard-Bayerlein-Straße künftig einen Parkplatz für Pflegedienste freihält. Und wenn der Träger nicht mitspielen sollte? „Dann stelle ich meinen eigenen Parkplatz zur Verfügung.“

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