Bayreuther Workshop Mehr Lebensqualität für Menschen mit Demenz

Peter Rauscher
Fahrräder mit Begleitung sind ein Weg, um die Mobilität demenzkranker Menschen und damit ihre Lebensqualität zu verbessern. Die Awo in Bayreuth verfügt seit kurzem über zwei solche Räder Foto: Archiv/Gabi Schnetter

Jeder zweite Erwachsene in Bayern fürchtet sich laut Umfrage davor, einmal an Demenz zu erkranken. Demenz, der Verlust von Gedächtnis, Fähigkeiten und Fertigkeiten, vielleicht auch der Persönlichkeit, ist damit nach Krebs die meistgefürchtete Krankheit. Darüber spricht man deshalb nicht gerne als Gesunder - was aber gravierende Folgen für die Versorgung Demenzkranker haben kann, berichteten Experten beim Workshop Demenz des Bayreuther Seniorenamtes.

 
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Die Veranstaltung, an der gut 30 Personen überwiegend online teilnahmen, war Teil sieben einer ganzen Reihe von Workshops, die am Ende in ein seniorenpolitisches Gesamtkonzept der Stadt Bayreuth einfließen sollen. Dass dem Thema ein eigener Nachmittag gewidmet war, kommt nicht von ungefähr. Seniorenbeauftragte Brigitte Nürnberger nannte Zahlen der Alzheimer-Gesellschaft: Rund 240000 Menschen in Bayern sind demnach an einer Form von Demenz erkrankt. Weil die Menschen immer älter werden, wird bis 2030 ein Anstieg auf 300000 erwartet. Wenn immer mehr Demenzkranke auch in Bayreuth leben, soll die Stadt für ihre Versorgung gerüstet sein.

Abklären in der Gedächtnisambulanz

Wobei bei weitem nicht jeder ältere Mensch mit Gedächtnislücken Demenz hat, betonte Dr. Christian Mauerer, Leitender Oberarzt des gerontopsychiatrischen Zentrums am Bezirkskrankenhaus in Bayreuth. Wer über nachlassende Konzentration oder Merkfähigkeitsstörungen besorgt ist, kann sich vom Hausarzt hierher an die vor 20 Jahren gegründete Gedächtnisambulanz wenden. Dort werden die Ursachen dieser Störungen abgeklärt, damit die Patienten Klarheit erlangen, ob und welche Krankheit dahintersteckt. „Einem Drittel der Menschen, die zu uns kommen, können wir sagen, dass sie nicht an Demenz leiden“, sagt Mauerer. Das Demenzzentrum bietet außerdem eine ambulante kognitive Gesprächsgruppe an. Für Menschen, die eine stationäre Aufnahme im Bezirkskrankenhaus wegen Demenz oder wegen anderer altersbedingter psychischer Störungen brauchen, stehen im gerontopsychiatrischen Zentrum insgesamt 57 Betten bereit.

Zu wenig Personal

Sehr viele Demenzkranke Menschen werden in Pflegeeinrichtungen betreut, andere von Angehörigen zuhause. So verfügt die Awo in Bayreuth über eine eigene Einrichtung mit Hausgemeinschaften für Menschen mit Demenz. Hier sollen die Menschen Kontakte haben, Gemeinschaft erleben und das Gefühl haben, etwas Sinnvolles zu tun, sagte Awo-Vorständin Marion Tost. „Woran es aber fehlt, ist Zeit. Wir leiden hier sehr unter den zu geringen Personalschlüsseln.“ Tost äußerte größte Bedenken, dass nach neuen Schlüsseln noch weniger Personal als bisher bezahlt werde. Auch an ausreichender ärztlicher Betreuung habe es den Bewohnern zuletzt in den Pandemiejahren gefehlt. Sie wünsche sich für ihre Schützlinge mehr Möglichkeiten, herauszukommen zu barrierefreien Orten in der Stadt, wo es auch Toiletten gibt. Und sie wünsche sich mehr Verständnis von gesunden Personen, wenn sich Demenzkranke in der Öffentlichkeit etwas anders verhalten.

Impfpflicht kostet Mitarbeiter

Fehlendes Pflegepersonal bemängelten auch Stefan Kessler von der Alzheimer-Gesellschaft und Richard Knorr, Abteilungsleiter Pflege beim BRK. Er machte seinem Ärger Luft über die „unsägliche“ einrichtungsbezogene Impfpflicht, durch die er im Sommer zwölf Mitarbeiter verlieren werde. Aus seiner Erfahrung heraus sei es extrem wichtig, den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen, wann ein Mensch mit Demenz von zuhause in eine stationäre Einrichtung wechselt. „Meistens passiert das zu spät, erst bei fortgeschrittener Demenz, was dann dazu führt, dass die kranken Menschen immer wieder weglaufen wollen.“

Hilfe erst, wenn es zu spät ist

Die meisten Angehörigen Demenzkranker suchten erst Hilfe, wenn es zu spät ist, hat auch Andre Hofer von der Diakonie Bayreuth beobachtet. Und das, obwohl es genügend Beratungsangebote gibt. Aber diese Angebote kommen bei den Menschen oft nicht an, sagte Elke Lindner vom BRK. Sie wünscht sich deshalb mehr offene Ohren für das Thema Demenz auch und gerade bei Menschen, die in der Familie (noch) nicht von dem Thema betroffen sind.

Begleitung für Patienten und Angehörige

Aufklärung bereits in Schulen, niederschwellige Hinführung zum Thema etwa durch das Angebot von Kinofilmen oder Zeitungsberichten war deshalb einer von vielen Vorschlägen, die der Workshop sammelte. Den kranken Menschen die Angst vor Heimen nehmen, indem man sie vorher dort probewohnen lässt und beim Übergang begleitet, lautete eine andere Anregung. Wobei eine solche Begleitung auch Angehörige von Demenzpatienten brauchen, etwa in Form von Unterstützung bei Anträgen und dem Umgang mit Behörden. Werner Hamann, Vorsitzender des Seniorenbeirats, setzte sich dafür ein, dass es zumindest für die jetzt ältere Generation noch ein Recht auf einen nicht-digitalen Zugang zu Behörden geben muss.

Es braucht mehr Ehrenamtliche

Personalmangel wurde nicht nur in der hauptamtlichen Pflege beklagt, auch mehr ehrenamtliche Helfer werden gebraucht, um zum Beispiel mit einem Pool an Fahrern für die Fahrradrikschas von Alzheimergesellschaft und Awo die Mobilität Demenzkranker zu verbessern. Oder um eine musikalische Betreuungsgruppe für Demenzkranke aufzubauen; oder eine eigene Band; oder ein Tanzlehrer…. Am Ende stand eine Vielzahl von Vorschlägen, um die Lebensqualität Demenzkranker in Bayreuth zu verbessern. Und damit auch die Angst vor der Krankheit abzubauen. Demenz kann man zwar nicht heilen. Aber Elke Lindner sagte: „Man kann demenzkranke Menschen gut begleiten und ihnen mit Hoffnung begegnen.“

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