Bayreuth Knapp 1500 Teilnehmer bei Corona-Demo

, , , aktualisiert am 17.01.2022 - 22:44 Uhr

Acht gestoppte Minuten war der Zug der Montagsspaziergänger, der sich vom Neptunbrunnen über den Ring und wieder zurück zog. Nach offiziellen Angaben der Polizei waren es zwischen 1300 und 1500 Teilnehmer, die vor allem gegen den Corona-Impfzwang demonstrierten. Die Veranstaltung blieb friedlich, man hielt sich an die Vorgaben der Polizei, vor allem nur zwei Spuren der Fahrbahn zu benutzen. „Wir sind friedlich“, „keine Gewalt“ – das hatte Martin Freudenberg, der die Veranstaltung anmeldet, zu Anfang ausgerufen.

 
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Bayreuth - Bei den Demonstrationen gegen die Corona-Politik liefen Nazis mit, sagte Paul Lehmann von Verdi auf der Gegendemo. Rechtes Gedankengut werde salonfähig gemacht. Er „vermisste“  es, dass sich die Veranstalter  gegen rechts positionieren.“

Allerdings waren unter den Demonstranten nach Beobachtungen des Kuriers keine erkennbar Rechtsextremen etwa des Dritten Wegs. Dies wurde auch auf Polizei-Seite dem Kurier bestätigt.

Zwei Männer mit Deutschlandflaggen waren den Veranstaltern ein Dorn im Auge. „Das ist keine politische Veranstaltung“, hieß es. Warum er eine Deutschlandfahne trug, beantwortete der Mann so: „Das ist gelebte Demokratie.“ Dass er es überhaupt erklären müsse, mache ihn „traurig“. Er sei hier, weil er als Unternehmer Angst davor habe, dass er wegen etwaiger Impf-Folgen in ein paar Jahren sein Unternehmen nicht mehr leiten könne.

„Wer behauptet, Corona gibt es nicht, lügt“, sagte  Sebastian Lützow  auf der Gegendemonstration. Damit gefährde man die Gesundheit anderer und sich selbst. Der Glaube an Verschwörungsmythen und die Skepsis gegenüber der Wissenschaft, der Egoismus und die scheinbare Distanz zu rechten Kreisen der Querdenker-Szene sei nicht hinnehmbar. Auf die Komplexität dieser Pandemie gebe es keine einfachen Antworten.

„Es ist normal, dass zu verschiedenen Themen verschiedene Meinungen existieren“, sagte Spaziergangs-Organisator Freudenberg dem Kurier. Ob in den Telegram-Kanälen, in denen  Demo-Termine bekannt gegeben werden, „vereinzelt ,nicht beweisbare Verschwörungstheorien’ verbreitet werden, kann ich nicht beurteilen, da weder ich noch irgendjemand anders die alleinige Wahrheit gepachtet hat.“

Mit dem Vorwurf, dass die geteilten Beiträge „eine Nähe zur AfD“ zeigen würden, „kann ich nichts anfangen, da dies wohl absichtlich schwammig formuliert wurde. Wer definiert, ob Beiträge eine Nähe zu irgendeiner Partei aufweisen? Was schließen wir dann daraus? Bringt uns das irgendwie weiter? Auf solchen Grundlagen ist eine konstruktive Diskussion unmöglich und wird wohl auch nicht gewünscht. Anscheinend geht es nur um Diffamierung ohne sich mit der anderen Seite auseinander setzen zu müssen“, sagt Freudenberg. 

Von der AfD war der Bayreuther Bundestagsabgeordnete Tobias Matthias Peterka auf dem Spaziergang. Er sei, sagte er dem Kurier, nicht an der Organisation beteiligt. „Das können die alleine.“

Teil des Organisationsteams ist Barbara Keck aus der Verwaltungsgemeinschaft Weidenberg. Sie verteilt Ordnerbinden. „100 müssten wir verteilen,  150 gingen weg.“ Keck ist mit dem Abend  zufrieden.  „Ich finde es toll, dass wir  in Bayreuth friedlich Gesicht zeigen“, sagt sie danach. Die neue Demo-Route sei besser  als die alte. „Der Hohenzollernring bringt die gewaltige Masse noch besser zum Ausdruck.“

Auf zwei Spuren waren die Impfgegner unterwegs. Die Ein- und Ausfahrt in die ZOH war  unterbrochen. Es gab Stau.  Die Demonstranten  trommelten,  trugen Kerzen. Begleitet vom Ruf nach „Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung.“  „Ich bin kein Staatsfeind“, steht auf dem Plakat eines  Bindlachers, Mitte 70. Auf seinem zweiten  steht: „Ich bin gegen die Impfpflicht, Nazis und Linke.“ Und mit Bleistift  daneben: „Außer gegen Sarah Wagenknecht.“ Der  Mann  glaubt: „Die Demonstrationen können nicht mehr gestoppt werden.“ Er hofft, wieder in die Lohengrin-Therme zu dürfen, wo er seit 25 Jahren eine  Dauerkarte habe. „Warum darf ich mit Negativtest nicht rein, der Geimpfte ohne Test aber schon?“

Wünsche haben auch die Kinder zweier Bayreutherinnen um die 40. „Es tut mir für sie leid, weil ich nichts mit ihnen machen kann“, sagt eine. Beide arbeiten sie in der Pflege, werden wohl bald ihren Job verlieren. „Dabei liebe ich ihn.“   Zwei Jahre lang habe sie sich jeden Tag getestet, sei nie krank gewesen. Bei der Impfung habe sie von Anfang an ein schlechtes Bauchgefühl gehabt. „Dann habe ich mich damit befasst und entschieden, dass ich das nicht will.“ Sie will nicht verleugnen, dass es Corona gibt und auch niemanden kritisieren, der sich impfen lässt. „Aber jeder sollte für sich entscheiden dürfen.“

Das finden auch Julian und Sybille. Sie gehören zu den Organisatoren der Demo, halten Reden und gehen beim Zug vorneweg.  „Das  Grundgesetz garantiert körperliche Unversehrtheit“, betont Sybille. Eine zwanghafte Impfung verstoße dagegen. Die Corona-Krise sei mittlerweile eher eine gesellschaftliche denn eine gesundheitliche, findet Julian.

Zum Abschluss  gab es zurück am Neptunbrunnen  eine offene Bühne. Eine ältere Frau mahnt die Teilnehmer, ihre Meinung zu vertreten, aber nicht die Geimpften verantwortlich zu machen. „Seid euer Beobachter, wo ihr euch ertappt, das gleiche Spiel zu spielen.“

Benjamin Böhm, Einsatzleiter der Polizei, zieht ein positives Fazit. „Weil alles friedlich blieb und unser Konzept, die Demos auseinander zu halten, voll aufging.“

Diesmal trafen sich die Gegendemonstranten am Markgräflichen Opernhaus. Und erstmals zogen auch sie durch die Innenstadt. Jedoch war vorab mit Stadt und Polizei  abgesprochen worden, dass sich die beiden Demos nicht begegnen. So ging’s durch die Ludwigstraße, die Friedrichstraße und die Kanzleistraße zurück zum Ausgangspunkt. „Wir sind nass, wir sind hier nicht zum Spaß“, skandierten einige. Nach Angaben von Veranstalter René Liebermann waren es rund 350 Teilnehmer. „Wir werden immer mehr.“ Die Polizei sprach hingegen nur von 130 Teilnehmern.

Zuvor bei der Kundgebung übte Sebastian Lützow scharfe Kritik an der Stadt Bayreuth, weil diese nicht von ihrem Recht Gebrauch mache, Auflagen zu erteilen. Denn die Kritiker der Corona-Politik müssen trotz der hohen Teilnehmerzahl keine Masken tragen. Die andere Seite tue dies freiwillig.

Auch die Gegendemonstranten finden, dass die Corona-Politik in Teilen versagt habe. Doch nur solidarisch komme das Land aus der Krise, findet Verdi-Mann Lehmann. Daher ergebe auch eine branchenbezogene Impfpflicht keinen Sinn.

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