Ärger und Unsicherheit in heimischen Geschäften: Computerkassen-Händlerin Carolin Rausch über das neue Aufzeichnungs-Gesetz Kassen-Gesetz: "Ganze Branchen am Pranger"

Von Katharina Wojczenko
Muss bald eine neue Kasse her? Silke Hauenstein-Urhan, Inhaberin des Landhaus Bergschloss in Mistelbach, sieht den Gesetzentwurf des Finanzministers eher kritisch. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Mit Schummel-Software in Warenkassen hinterziehen Einzelhändler und Gastronomen jedes Jahr Milliarden an Steuern. Ein neues Gesetz soll das ändern. Das bringt viel Arbeit und Kosten für Unternehmer, sagt Carolin Rausch von der Firma Rausch Computerkassen in Goldkronach im Interview. Nicht nur sie sieht das kritisch.

 
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Die Schummler-Praxis hatte auch der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft im Kurier kritisiert. Derzeit können digitale Grundaufzeichnungen in Kassen geändert und gelöscht werden. Ein Gesetzentwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble soll es richten: Er schreibt neue Standards für elektronische Registrierkassen vor. Die Kunden von Carolin Rausch stammen vor allem aus der Hotellerie und Gastronomie.

Frau Rausch, bei Ihnen ist derzeit sehr viel los. Dabei gilt das neue Gesetz doch erst ab Januar 2020. Warum sind Ihre Kunden jetzt schon im Stress?
Rausch: Der neue Gesetzesentwurf für 2020 ist lediglich eine Ergänzung zu den nun geltenden Bestimmungen. Bereits zum 31.12.2016 endet die Übergangsfrist für Kassensysteme, die nicht die über die technische Möglichkeit verfügen, jede Einzelbuchung zehn Jahre digital zu archivieren. Der bisherige Standard sah vor, tägliche Endabrechnungen zu erstellen, die mit einer fortlaufenden Nummer gekennzeichnet waren. 

Wie viele Kunden haben sich bei Ihnen wegen dieser Änderung gemeldet?
Rausch: Im Augenblick stehen unsere Telefone nicht mehr still. Der Beratungsbedarf ist groß, ebenso die Verunsicherung bei den Anwendern. Viele haben ihre Systeme bereits vor Jahren bei uns umgerüstet und modernisiert, erfüllen längst die Auflagen, die ab Januar 2017 gelten. Viele befinden sich gerade in der Umrüstungsphase.

Nun sieht der Gesetzgeber weitere Auflagen vor, deren Ausmaß derzeit nicht vorhersehbar ist. Viele haben Bedenken, dass die neuen Kassensysteme in drei Jahren wieder ausgetauscht werden müssen.

Speicherproblem: Wie Smartphone-Daten auf dem alten Nokia-Handy

Was kostet die Umstellung für einen Betrieb?
Rausch: Die Umrüstung und/oder Neubeschaffung kostet zwischen 500 Euro und einer hohen fünfstelligen Summe. Das richtet sich nach dem System, das der Anwender bisher eingesetzt hat.

Was können die neuen Kassen, was die alten nicht konnten?
Rausch: Alte Kassen aus den 80er bis 90er Jahren hatten in der Regel einen gedruckten Journalstreifen, anhand dessen sich jede Einzelbuchung nachvollziehen ließ. Die Kassen der 2000er Jahre hatten meist ein elektronisches Journal, das aber wegen der damaligen Speichermöglichkeiten nicht über die Kapazität verfügte, jede Einzelbuchung länger als 30 Tage zu archivieren. Die Daten eines Smartphones können auch nicht in einem Nokia 3110 untergebracht werden.  

In 25 Jahren zwei Betrugsverdacht-Fälle

Gab es solche Steuer-Betrüge Ihres Wissens nach in der Region?
Rausch: Sobald ein Betrugsverdacht vorliegt und die Steuerfahndung bei einem meiner Kunden im Bereich Kassensysteme ermittelt, werde ich in der Regel als eine Art Sachverständige hinzugezogen. In 25 Jahren ist dies zweimal der Fall gewesen  – bei einem Kundenstamm im hohen dreistelligen Bereich. Es stellte sich heraus, dass das Kassensystem in Ordnung war. 

Was halten Sie von dem neuen Gesetz?
Rausch: Ich finde es erschreckend, dass plötzlich ganze Branchen pauschal als Steuerhinterzieher an den Pranger gestellt werden. Die Schätzung, dass dem Fiskus durch manipulierte Abrechnungen Milliarden an Steuereinnahmen durch die Lappen gehen, sollte man hinterfragen. Schwarze Schafe gibt es überall, daraus darf man nicht ableiten, dass jeder Gastwirt ein Steuerhinterzieher ist. 

Gegen schwarze Schafe

Lassen sich die schwarzen Schafe künftig besser fangen?
Rausch: Die neueren Kassensysteme protokollieren jeden Buchungsvorgang und sind somit für den Steuerprüfer detailliert zehn Jahre lang nachvollziehbar. Es ist sinnvoll, dass zukünftig Kassensoftware zertifiziert werden soll.

Schade, dass es nicht schon heute eine Stelle im Finanzministerium gibt, die diese Zertifikate erteilt. Dann hätten unsere Kunden ein Dokument in Händen, das bestätigt, dass Manipulationen an ihrem Kassensystem ausgeschlossen sind.

Die europäischen Nachbarn machen's vor

Was würde Ihrer Meinung nach das Problem lösen?
Rausch: Unsere politischen Entscheidungsträger könnten aus den Erfahrungen benachbarter EU-Länder lernen. In Österreich gelten Registrierkassenpflicht und Belegerteilungsverpflichtung ab einem Jahresumsatz von 15.000 Euro, der 7500 Euro Bareinnahmen überschreitet. Das ist eine klare Regel, die für alle gilt. Warum hat man das in Deutschland nicht übernommen?

Italien praktiziert seit mehr als 20 Jahren, wie die Handhabung von Kassensystemen funktionieren kann. Aber anscheinend sind effektive Lösungen der EU-Nachbarländer nicht gefragt. Stattdessen werden neue Gesetze und Instrumente konstruiert.

Das steht im neuen Gesetz

Das "Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen" soll Steuerhinterziehung mit Registrierkassen den Garaus machen. Wer eine elektronische Kasse nutzt, muss künftig zertifizierte Sicherungstechnologien verwenden. Außerdem sollen Finanzämter mehr kontrollieren.

Das Kabinett hat den Gesetzentwurf schon beschlossen. Nach Auskunft des Finanzministeriums soll das Parlament voraussichtlich vor Weihnachten darüber entscheiden. Eine allgemeine Registrierkassenpflicht bringt das Gesetz nicht: Bei Wochenmärkten, Vereinsfesten und Straßenverkäufen sind weiterhin nicht-elektronische Kassen erlaubt.

Das sagen andere aus der Region

Die Praktikerin: Silke Hauenstein-Urhan (Foto: Ronald Wittek), Inhaberin des Landhaus Bergschloss in Mistelbach, ist nicht begeistert. "Die Sache ist ja noch nicht ausgegoren, deshalb warte ich ab. Die Frage ist: Kann meine Kasse das oder muss ich nachrüsten? Gott sei Dank hat sie schon den Insika-Standard." Den empfiehlt das Finanzministerium.

Eine neue Kasse koste 5000 Euro. In den vergangenen sechs Jahren habe sie bereits wegen rechtlicher Änderungen zwei Updates für jeweils 600 Euro installiert. Die elektronische Kasse erleichtere bei Fremdpersonal die Kontrolle und abends den Abschluss. Und sie glaubt: Wer wirklich betrügen will, findet andere Wege als über die Kasse.

Die Industrie- und Handelskammer: Eine ganze Branche mit hohen Kosten und zusätzlicher Bürokratie zu belasten, nur um einigen wenigen auf die Schliche zu kommen - das tut der Gesetzentwurf aus Sicht der IHK. "Das Thema wurde unter anderem im IHK-Handelsausschuss heftig und kontrovers diskutiert", sagt Sprecher Michael Zeisel.

"Viele werden nicht um eine Neuanschaffung herumkommen." Und er fürchtet weitere Kosten: "Es wäre das erste Mal, dass sich elektronische Systeme nicht in relativ kurzer Zeit manipulieren lassen."

Das Finanzamt: Der Bundesrechnungshof spricht von Milliarden, die dem Fiskus wegen manipulierter Kassen entgehen. Wie viel es in der Region und der Stadt Bayreuth sind, kann das Bayerische Landesamt für Finanzen nicht sagen. Zahlen zu Betrugsfällen mit manipulierten Kassen werden statistisch nicht erfasst.

Das Problem sei der Steuerverwaltung allerdings gut bekannt, teilt ein Sprecher mit. Bei Betriebsprüfungen werde daher ein besonderes Augenmerk auf die Kassenprüfung gelegt. Immerhin: Die Kosten für die Umstellung der Kassen können die Betriebe von der Steuer absetzen.

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