32 Würste, eine Königin und eine Demo

Von Katharina Wojczenko
So war der 6. Fränkische Bratwurstgipfel in Pegnitz. Fotos: Andreas Harbach/Ralf Münch Foto: red

Etwa so viele Besucher wie im Vorjahr, 32 Würste, dicke Rauschschwaden und demonstrierende Bauern: Beim sechsten Fränkischen Bratwurstgipfel stand Pegnitz fast ganz im Zeichen der fränkischen Leibspeise. Der Bratwurstkönig ist heuer zum ersten Mal eine Frau. Die Höhepunkte der sieben fleischlastigen Stunden.

 
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Simone die Erste: Mit Simone Schönleben von der Metzgerei Rösch im mittelfränkischen Neustadt/Aisch ist das königliche Zepter nach fünf Jahren erstmals in weiblicher Hand. Vor zwei Jahren hat sie mit ihrem Mann Volker die Metzgerei ihres Vater übernommen. Dem widmet sie ihren Sieg, den 40 Jahren Erfahrung, die er an sie weitergegeben hat. Sie weint fast vor Freude. Sie räumte schon den ersten Platz ab mit ihrer Fränkischen Bratwurst im Bändeldarm mit Majorannote und der Bierbratwurst. Ihre Fankurve ist nicht mehr zu bändigen. Die Jungs in Karohemden hüpfen, singen - und stürmen die Bühne zum Gratulieren.

Karamell-Erdnuss: Grieben-Apfel, Pulled Pork, Spinat-Käse, Chili, Senf, Champagner, Bier, Domina (der Bocksbeutel!), Cevapcici,14 Zutaten und sieben Gewürze, Gemüse oder ein ökumenischen Wurstrezept, das Kaiser Heinrich gemundet haben soll - bei den kreativen Bratwürsten haben sich die Metzger einiges einfallen lassen. Das kommt bei den Besuchern an. Die abgefahrenste Mischung heißt Karamell-Erdnuss - und ist schon um 14 Uhr ausverkauft. "Das Thema ist 100 Prozent getroffen - die Wurst schmeckt mir aber nicht", sagt Horst Kopp aus Pegnitz, der noch eine ergatterte. Er liebt Verkostungen und hat um kurz vor 12 schon "sechs, sieben kreative Sorten" probiert. Für die kommt er zum Bratwurstgipfel, die klassischen lässt er links liegen.

Kreativ bevorzugt: Das besagt die nicht-repräsentative Kurier-Umfrage auf dem Gelände. Auch wenn die Jury die Bierbratwurst wählte: Ging es nach den Besuchern, könnte es ruhig noch exotischer sein. Elisa und ihr Mann Dominic aus Pottenstein schwärmen immer noch von der Schäuferla-Bratwurst von 2015. Zusammen mit Sabrina und André aus Auerbach haben sie sich durch fünf Sorten getestet. "Wir kommen wegen des Außergewöhnlichen", sagt Dominic (27), gebürtiger Pegnitzer, "die extremst cool umgestylte klassische Bratwurst". Ihr Favorit: einstimmig Pulled Pork. Ihr Traum: Schokolade oder Gyros.

Keine Stimme: Die Besucher durften nicht mehr ihre Favoriten bestimmen. Das übernahm am Sonntag erstmals komplett eine zwölfköpfige Jury, "weil einige Metzger busseweise Fans mitbrachten, die für sie stimmten", sagt Handwerkskammerpräsident und Gipfel-Ideengeber Thomas Zimmer. Und den schönsten Stand - noch eine neue Kategorie - kürt die Fränkische Weinkönigin Christina Schneider. Auch sie fließt in die Gesamtwertung ein.

Die Liebe zur Wurst: Lässt sich nur schwer in Wort fassen. Wenn Franken Zuneigung zeigen, klingt das anatomisch. "Willkommen in der Herzkammer der fränkischen Bratwurst, die wir im Herzen tragen", sagt Bürgermeister Uwe Raab. Reimt: "Bratwurst, Brot und Bier ist das fränkische Lebenselexier." Der oberfränkische Handwerkskammer-Präsident Zimmer sagt es indirekt: "Das ist die einzige Veranstaltung, die die drei fränkischen Kammern zusammen machen."

Die Stimmung: Ist prächtig. Bei Sonnenschein und diesmal ohne Regen-Pause kommen Tausende in den Wiesweiherpark. Mit Fahrrädern, Hunden, Picknickdecken, Kinderwagen. Wer genug gegessen hat, spielt mit den Kindern nebenan oder schickt sie zur Hüpfburg, fährt mit ihnen Bimmelbahn, setzt sich an die Pegnitz. Über all dem liegt der entspannte Swing der Band Barfly. Das Gedränge ist in etwa so wie im Vorjahr. Die 2000 Sitzplätze waren schon um 11 Uhr besetzt.

Die Nöte der Jury: Landrat Hermann Hübner, Mitglied der Klassik-Jury, musste 16 Wurststückchen beurteilen. Dabei sah er nicht immer glücklich aus. "Ich habe mich auf die Gewürze konzentriert", sagt Hübner. Das Problem: "Die Wurst muss heiß sein. Das ist sie nach zehn Minuten nicht mehr. Ich habe 20 Minuten gebraucht." Was ihn schmerzt: Dass die Bayreuther feinen Bratwürste es so schwer haben. "Die muss man direkt von Grill essen, sonst werden sie schlaff. Und in die Groben kann man mehr reinlegen."

Die leise Milch-Demo: Die etwa 20 Männer und Frauen sind sauer. Kurz vor der Krönung des Bratwurstkönigs ziehen sie Richtung Bühne. Dort steht Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), Mittelfranke, Wurstfreund und Gipfel-Schirmherr und redet über die kulinarischen Genüsse Frankens. Über Bratwurst, Bier, Wein. Das Wörtchen Milch fällt. Mehr nicht. Die Bauern bleiben stumm. Ihre Plakate sagen: "Landwirtschaftsminister, warum lässt du uns im Stich?", "Schmidt, du musst handeln, wir Milchbauern gehen zugrunde." In einem Schubkarren liegen Tetrapacks mit Milch vom Discounter, "die beschissene Lage der Milchbauern". Kein Tropfen Milch fließt, kein Tetrapack fliegt.

Sie wollen eine flexible Mengensteuerung, sagen sie. Dass der Minister umsetze, was die Landesagrarministerkonferenz vor zwei Wochen einstimmig beschlossen habe. Nach der Krönung gibt Schmidt am Kinderspielplatz Interviews. Die Demo nähert sich lautlos. Der Motor seines Dienstwagens läuft schon, als sich zwei Demonstranten nähern. Alfred Gmelch aus Auerbach vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter übergibt ihm eine Resolution, beide sprechen kurz miteinander. "Die Bauern wissen, dass ich mich für sie einsetze und dass ich keine Wunder bewirken kann", sagt Schmidt dem Kurier. Und dem Bauern, dass viele Molkereien, die die niedrigen Preise mitbestimmen, Landwirten gehören. Ein Milchgipfel soll's ändern, verspricht Schmidt.

Das wird 2017 kommen: ein eigener Stand für fränkischen Wein. Bei Bratwurst und Bier hat Bürgermeister Uwe Raab das mit dem Fränkischen Weinbauverbands-Präsidenten Artur Steinmann ausgemacht. Viele Weinprinzessinnen soll er auch mitbringen.

Mehr dazu: Franken hat die erste Bratwurstkönigin

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