Zu hohe Gehsteige in Creußen erfordern viele Umwege durch die Stadt Hindernisse für Rollstuhlfahrer

Von
Für Reiner Haase ist es nicht einfach, mit seinem Elektrorollstuhl durch Creußen zu fahren. Foto: Engelbrecht Foto: red

„Immer nur daheim sein, das ist öde“, sagt Reiner Haase. Aber draußen unterwegs zu sein, ist für den 58-jährigen Creußener nicht einfach, denn er ist auf den Rollstuhl angewiesen. Und im Stadtgebiet gibt es einige Stellen, die er gar nicht oder nur schwer passieren kann. Jetzt hat sich Haase mit einem Brief an den Stadtrat gewandt und hofft, dass was dagegen unternommen wird.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Reiner Haase hat als Betriebselektriker gearbeitet und war leidenschaftlicher Motorradfahrer. Doch auf einmal ging das nicht mehr. Das war vor anderthalb Jahren. Ein Taubheitsgefühl in den Füßen breitete sich aus. Elektromessungen im Bezirkskrankenhaus brachten die Diagnose. Haase leidet an Polyneuropathie, einer Erkrankung des Nervensystems. „Ursache dafür ist meine Nierenerkrankung“, sagt der 58-Jährige. Haase ist Dialysepatient, viermal die Woche bekommt er eine Blutwäsche. Allerdings nicht im Krankenhaus, sondern er kann Heimdialyse machen. Seine Ehefrau Silke hilft ihm dabei. Auslöser für die Nierenerkrankung wiederum sei wohl sein nicht ganz so gesunder Lebenswandel gewesen, gibt Haase zu und legt die Hand auf den Bauch. In einem Jahr wird ihm seine Frau eine neue Niere spenden.

Die Nervenerkrankung ist schleichend, mittlerweile geht das Taubheitsgefühl bis kurz unter das Knie und auch die Finger sind betroffen. Er kann nicht mehr frei stehen und die Füße heben. Er hat spezielle Krücken, die er an die Füße schnallen und sie bewegen kann. Das geht zu Hause, wo er sich auch überall an den Möbeln festhalten kann.

Aber für draußen hat er einen Rollstuhl und einen Elektrorollstuhl, damit er nicht immer auf Unterstützung von anderen angewiesen ist. Den Elektrorollstuhl hat er von seiner Mutter übernommen, die Krankenkasse gewährt ihm nur einen normalen. „Ich bin ja ’nur’ gehbehindert, nicht ’außergewöhnlich’ gehbehindert“, sagt Haase.

Doch mit den beiden Geräten ist es gar nicht so einfach. Haase wohnt in der Vogelhöhe. Wenn er zum Einkaufen in den Supermarkt will, muss er einen Umweg entlang der Bundesstraße machen und kann nicht wie alle anderen quer durch über den Schwarzbach, denn der Holzsteg, der darüberführt, ist zu hoch für ihn. Weder kann er mit dem Elektrogefährt hinauf, noch kann ihn jemand in dem normalen Rollstuhl drüberfahren. Auch in der Vogelhöhe sind die Gehsteige für ihn zu wenig abgesenkt, sagt Haase. Das gleiche Problem hat er in der Bahnhofstraße bei der Brunnenapotheke zum Hämmerleinhaus hinüber. „Ich müsste dann beim Kreisel die Straße überqueren, aber das sind halt alles Umwege, die Zeit kosten“, sagt er. Kritisch ist es für ihn auch die Vorstadt hinter zur Ampel über die B 2. Das Stück ist so steil, dass es die Bremsen am Rollstuhl kaum packen. Oder der schmale Weg parallel zum Schwarzbach in Richtung Thietmarplatz. „Der müsste etwas breiter sein.“

Mit seinem Schreiben will Haase in erster Linie die Situation für Rollstuhlfahrer in Creußen mehr ins Bewusstsein der Leute rücken. Und er hofft natürlich, dass die Stadt für Erleichterung sorgen kann. Haase denkt hier zum Beispiel an eine Rampe, auf der er auf den Steg über den Schwarzbach fahren kann. Oder im Rathaus, wo es zwar eine Rampe gibt, die er ohne Hilfe aber nicht nutzen kann, einen Aufzug. „Ich will nicht immer von anderen abhängig sein.“

Heilbar ist die Nervenerkrankung von Haase nicht, sie schreitet immer weiter fort. „Aber ich möchte trotzdem so selbstständig wie möglich leben“, sagt der Creußener, der seit 2009 Frührentner ist. Ab und zu arbeitet er auf dem Recyclinghof. Das aber nicht nur wegen des Geldes, sondern hauptsächlich um rauszukommen und Kontakt zu den Leuten zu haben. Er fühlt sich zwar zu Hause wohl, aber immer nur drinnen ist auch nichts.

Autor