Wiedererweckung einer Seltenheit: Konsoltisch aus den Gemächern der Markgräfin wird in München restauriert und ergänzt Ein Stück Weltkunst kommt heim

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Feine Späne fallen auf den Holztisch, auf das Werkzeug. Mit leichtem Druck schiebt der Holzbildhauermeister Martin Kutzer das Schnitzwerkzeug in einem Bogen nach vorne. "Nicht zu stark, nicht dass ich durch bin", sagt er. Er ist fast fertig mit seiner Arbeit, die ihn seit gut 80 Stunden beschäftigt. Die ein Stück weit die Neuerfindung der Geschichte sein musste. Und die ein Möbelstück mit höchstem Seltenheitswert wieder näher an den Ort bringt, an dem es eine wichtige Rolle gespielt haben dürfte. Denn Kutzer arbeitet an einem Konsoltisch, der wohl in den Privatgemächern der Markgräfin Wilhelmine seinen Platz hatte.

 
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Wenn die Sonne in die Werkstatt in den Restaurierungswerkstätten der Bayerischen Schlösserverwaltung in Schloss Nymphenburg fällt, dann kann man durchschauen. Durchschauen durch das Lindenholz. Wenige Millimeter stark ist das Holz an manchen Stellen. So fragil, dass es brechen würde, wenn man stärker hindrückt. Kutzer hat den vergoldeten Konsoltisch, der "mindestens seit 1997 im Depot des Neuen Schlosses war, weil er beschädigt war und weil das passende Pendant fehlte, das der Tisch wohl im Krieg verloren hat", wie der Möbelrestaurator Bernhard Mintrop sagt, an mehreren Stellen ergänzt. Winzigste Stücke, Spitzen von Blättern der floralen Elemente. Ganze Blätter, die Schilf darstellen sollen. Und auch ein großes Stück, das aus der Mitte der Frontseite des Tisches herausgebrochen und verschwunden war.

Annähern durch Zeichnen

"Zehn bis 15 Stunden", sagt Kutzer, habe er allein damit verbracht die fehlenden Stücke "herauszuzeichnen, damit man sich das überhaupt ornamental vostellen kann". Aus Plastilin hat er im Anschluss ein Modell geformt und an die Unterseite des Konsoltisches geheftet. Ein erster Schritt zum endgültigen Ergebnis, bevor eine Schablone aus Karton die Größe für das Stück Lindenholz vorgab, aus dem er in den folgenden Stunden Span und Span heraustrieb. "Für ein einzelnes Blatt muss ich nichts vorzeichnen, für die größeren Stücke aber schon", sagt Kutzer. Was das Ergänzen an dem alten Stück so schwer macht: "Die Ergänzungen müssen exakt auf die Fehlstelle passen." Der Stumpf, der Rest eines abgebrochenen Blattes oder die fehlende Spitze einer Blüte jedoch ist keine glatte Bruchstelle. Und kann auch nicht einfach so vom Holzbildhauer geglättet werden. Neu auf alt anzupassen, dass es sitzt, als wäre es nie durchtrennt gewesen, ist die zweite Kunst, die Kutzer beherrschen muss.

Eine Kunst, die heute nur noch wenige können

"Das wird heute an keiner Schule mehr gelehrt. Höchstens angerissen, aber nicht in der Tiefe behandelt", sagen Kutzer und seine Kollegin Margaretha Bienapfel. Kutzer ist seit 2009 in den Restaurierungswerkstätten, Bienapfel arbeitet hier seit 1988. "Die Konzentration liegt bei der Ausbildung der Holzbildhauer auf der freien Arbeit." Nicht auf der Restaurierung.

Bayreuther Schlösser büßten viele Möbel ein

Wie wertvoll der vergoldete Tisch für Bayreuth und das Neue Schloss ist, kann wohl keiner besser erklären als Bernhard Mintrop. "In Bayreuth", sagt Mintrop, "sind viele Möbel verloren gegangen. Zum großen Teil natürlich durch den mehrfachen Besitzerwechsel, weil die Bayreuther Markgrafen im 18. Jahrhundert ausgestorben sind." Im Anschluss fiel die Markgrafschaft an Ansbach, "Bayreuth war nur noch Nebenresidenz, Markgraf Alexander hat viele Stücke nach Ansbach geholt, wo sie auch heute noch sind". Sicher, sagt Mintrop, sind auch einige Stücke verkauft worden, bevor die erst die Preußen, dann die Bayern kamen. "Auch Napoleon soll ja das eine oder andere aus Bayreuth mitgenommen haben." Erst Ludwig II. habe die Schlösser zum Teil remöbliert. Stücke, "die stilistisch gut nach Bayreuth passen", haben in den vergangenen Jahren den Weg mach Bayreuth gefunden. "Die Bemühung, in den Schlössern Dinge zu zeigen, die dorthin gehören, läuft seit Jahren", sagt Mintrop.

Exakt zuzuordnen: Ein Möbel aus der Werkstatt der Hofbildhauer Dorsch

Dieser Tisch lässt sich dem Neuen Schloss exakt zuordnen. "Dass er zu diesen wenigen Stücken gehört, die wirklich nach Bayreuth gehören, macht ihn doppelt wertvoll." Um 1755 herum geschaffen von den Hofbildhauern, den Bayreuther Gebrüdern Dorsch, muss er - das legt die Vergoldung nahe - in den Repräsentationszimmern der Markgrafen gestanden sein. Je näher man den wichtigsten Räumen im Schloss kommt, desto prunkvoller werden die Möbel. "Dieser Tisch hatte im Krieg sein Gegenstück verloren. Erst vor einigen Jahren ist es gelungen, ein Gegenstück zu erwerben", sagt Mintrop. Etwa seit 1997 lag der Tisch, der jetzt in München ergänzt und restauriert wird, im Depot im Neuen Schloss. "Seitdem hat ihn keiner gesehen, außer uns."

Bayreuther Rokoko - in Potsdam zur Weltkunst entwickelt

Das Bayreuther Rokoko habe "einen eigenen Stil entwickelt. Formenreich, ungewöhnlich formalistisch mit der Darstellung der Palmblätter und Rohrkolben. In Potsdam ist zur Weltkunst geworden, was in Bayreuth vorgeprägt wurde", sagt Mintrop. Während andere Tische "eine neue Fassung bekommen haben oder überrestauriert wurden, ist dieser sehr authentisch erhalten mit seiner tollen Polimentvergoldung". Ebenfalls noch da: die Marmorplatte des Tisches. "Original aus Altdorfer Marmor. Das Bayreuther gehörte zu den wenigen Fürstentümern mit eigenen Marmorbrüchen. Das macht es möglich, die Möbel exakt zuzuordnen." Eine Zuordnung gelang bei einem Fragment durch die Art der Gestaltung: In Würzburg tauchte im Depot das Bein eines Tisches auf, der wohl im Krieg in Bayreuth zerstört wurde.

Der Tisch wird im Damenflügel im Familienzimmer Wilhelmines stehen

Seinen Platz hat der Tisch schon in Bayreuth: "Er und sein Gegenstück werden im Familienzimmer der Markgräfin präsentiert. Im ersten großen Raum der Zimmerflucht im Damenflügel", sagt Mintrop. Das Ziel ist, den Tisch zu den Residenztagen im September zu zeigen. Wenn es zeitlich klappt, bekommt der Konsoltisch eine Vergoldung. "Wenn nicht, dann präsentieren wir ihn so, wie er ist", sagt Cordula Mauß, Pressesprecherin der Schlösserverwaltung. "Es ist gar nicht so schlimm, wenn man die Ergänzungen erkennt." Wichtig ist, dass der Tisch heimkommt nach Bayreuth. Ein kleines Stück Weltkunst fürs Neue Schloss.

Die Restaurierungswerkstätten der Schlösserverwaltung

Die Restaurationswerkstätten in Schloss Nymphenburg arbeiten für alle 47 Schlösser und Burgen, die zur Schlösserverwaltung gehören. Wie Cordula Mauß, Pressesprecherin der Schlösserverwaltung, im Gespräch mit unserer Zeitung sagt, arbeiten dort 45 Restauratoren und Bildhauer - für alle Gewerke: "Holz, Stein, Vergolder, Kunsthandwerker, Metallbauer", zählt Mauß auf. Außerdem Zimmerer, Gemälderestauratoren, Restauratoren, die Tapisserie, Lüster, Papier bearbeiten können. "Was wir hier leisten können, reicht dennoch nur für einen Bruchteil der Arbeiten. Viel wird auch an freie Restauratoren vergeben", sagt Mauß.

Nach Nymphenburg, ergänzt der Möbelrestaurator Bernhard Mintrop. kommen in der Regel die kniffligen Fälle, "die Problemfälle", die besonders aufwendig und sensibel angefasst werden müssen. Bei denen im eigenen Labor geprüft werden, "wie original die Fassung und die Farbe ist, ob die Farbe vielleicht sogar Giftstoffe enthält wie das Schweinfurter Grün, das Arsen enthält". Kein Stück, sagt Mintrop, mit dem die Restauratoren in Nymphenburg zu tun haben, gleiche dem anderen.

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