Wie Feuerwehrleute mit schwierigen Notfallsituationen umgehen Nach schweren Einsätzen: Drüber reden

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Feuerwehrleute bekommen bei manchen Einsätzen Schlimmes zu sehen. Foto: Feuerwehr Pegnitz Foto: red

Schwere Brände, eingeklemmte Personen bei einem Verkehrsunfall, Tote – die seelischen Belastungen, denen Feuerwehrleute bei Einsätzen ausgesetzt sind, sind enorm. Wie gehen sie damit um, bekommen sie Unterstützung?

 
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Markus Stieg kann sich an den schlimmen Unfall im vergangenen November an der Guyancourtbrücke noch genau erinnern. Der 19-Jährige war der Erste an der Unfallstelle, der Schwerverletzte hatte das Auto schon verlassen können. „Da ist mir erst mal schon komisch geworden“, sagt Stieg, der seit einem guten Jahr in der aktiven Wehr ist. In die Feuerwehr eingetreten ist er schon mit acht Jahren. „Das war damals der typische Traum eines Jungen“, erzählt er. Die Gemeinschaft stand mehr im Vordergrund, nicht die Einsätze. Zu denen durfte man erst ab 16 Jahren außerhalb des Gefahrenbereichs mit. Sein erster richtiger Einsatz hieß dann „Baum über der Straße“. Das war noch harmlos. Aber der Unfall hat ihn schon sehr beschäftigt. Vorort habe er dann geschaut, ob noch jemand im Auto ist und den Rettungsdienst unterstützt. „Ich habe Infusionen gehalten“, sagt Stieg.

Einsatz ist noch nachgegangen

Nach dem Einsatz haben sich die Kameraden noch zusammengesetzt und das Geschehen Revue passieren lassen. Das war wichtig für ihn. „Das Ganze ist mir die nächsten Tage noch ziemlich nachgegangen“, sagt er. Auch heute denkt er noch ab und zu dran. Bei den nächsten Einsätzen hat er dann immer Vergleiche angestellt. „Und mir war viel bewusster, was mich alles erwarten kann.“ Das Beste sei, sich nach so einem Erlebnis abzulenken, nicht allein daheim zu sitzen und mit Familie, Freunden und den Kameraden drüber zu reden, so der 19-Jährige. Grundsätzlich solle man aber mit Respekt und der Einstellung, dass etwas Schlimmes passieren kann, überhaupt zur Feuerwehr und dann zu den Einsätzen gehen. Stieg sagt, wenn er zum Beispiel auf der Autobahn im Stau steht, dass er an die Rettungsgasse denkt. „Ich seh das jetzt anders“, sagt er.

Verantwortung übernehmen

Markus Stieg ist ein sehr engagierter Feuerwehrmann. Er ist Jugendwart, betreut den Internet- und Facebook-Auftritt, ist für die Bürger Ansprechpartner bei Problemen mit Wespen und anderen Insekten. Er ist Atemschutz- und Chemieschutzträger. „Ich wollte Verantwortung übernehmen“, erklärt der 19-Jährige. Zurzeit ist er bei ZF in Auerbach im dritten Ausbildungsjahr als Werkzeugmechaniker. Wenn er Feuerwehrlehrgänge machen muss, wird er freigestellt. Da gibt es keine Probleme. Außerdem hat er eine Sanitäterausbildung absolviert. Stieg weiß, dass er sich in schwierigen Situationen auf die Kameraden verlassen kann. „Man darf keine Angst haben, jemandem zu helfen. Man kann nichts falsch machen.“

Schon viel gesehen

„Man muss den Blick für das Ganze haben und am Ende mit dem Einsatz zufrieden, mit sich selbst im Reinen sein“, bringt es Markus Albersdorfer auf den Punkt. Der 41-Jährige ist seit 1991 bei der Feuerwehr. Er hat in Kirchenthumbach begonnen, jetzt ist er auch in Pegnitz. Beruflich ist er Schichtführer und Lehrdisponent bei der Integrierten Leitstelle (ILS) in Bayreuth. Außerdem hat er eine Ausbildung zum Rettungsassistenten. Da hat er schon viel zu sehen bekommen, erzählt er, ist nahe an den Leuten dran. „Es ist immer gut, wenn man bei Einsätzen die Opfer nicht kennt, wenn es keine Kinder oder Bekannten sind“, sagt er. Das sei am schlimmsten. Seinen ersten schweren Einsatz hatte er mit 18 Jahren: ein Unfall mit zwei Toten und einem Schwerverletzten. Vom Sehen kannte er die Opfer. „Das hat schon belastet und sich eingebrannt“, sagt Albersdorfer. Auch er sagt, es sei wichtig, hinterher mit den Kameraden über den Einsatz zu sprechen, ihn chronologisch abzuhandeln. „Aber es darf kein ’wenn, hätte, aber’ geben“, betont er. Man müsse lernen, zu akzeptieren, dass jemand sterben kann, sich im Vorfeld Gedanken darüber machen, dass man Tote sieht. Und auch, dass man Einblick in soziale Umfelder bekommt, zum Beispiel bei einer Wohnungsöffnung. Rund fünf davon gibt es in Pegnitz im Jahr mit sozialem Hintergrund, schätzt er.

Man wächst mit den Einsätzen

„Es gibt keine schlimmen Einsätze“, sagt Albersdorfer, „man wächst mit ihnen.“ Wichtig sei, dass man auch ein stabiles privates Umfeld habe. Er selber spricht oft mit seiner Frau – auch eine Rettungssanitäterin – darüber. Anonymisiert natürlich. Jeder habe seine eigene Strategie mit den Einsätzen hinterher umzugehen. Im Bedarfsfall wird von der Feuerwehrführung auch professionelle Hilfe angeboten. Regelmäßig kommt auch jemand zur Schulung.

Albersdorfer betont, man müsse beim Einsatz auch einen Schlussstrich ziehen, Abschied von einem Toten nehmen. Und man müsse aufpassen, wer beim Einsatz dabei ist, ob er sich auffällig verhält. „Wenn jemand plötzlich sehr ruhig ist, dann ist das ein Warnzeichen für eine eventuelle Suchtgefahr“, sagt der 41-Jährige. Man dürfe niemanden beim Einsatz zu etwas zwingen. Niemand muss direkt an die Notfallstelle, es gibt immer auch genügend anderes zu tun. „Die Mischung muss passen und der Nachwuchs langsam rangeführt werden“, ist er überzeugt. Es sei nie eine Schande zu sagen, nein, das kann ich nicht. Selbst ein „alter“ Feuerwehrmann könne sich plötzlich überfordert fühlen. Und man dürfe nie vergessen, dass alle semiprofessionell, das heißt, zwar ausgebildet, aber eben freiwillig Dienst leisten.

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