"Das war etwas Großes, etwas Neues, es herrschte Euphorie"
Unten im Haus war die Werkstatt, in der anderen Hälfte haben wir gewohnt. Wir hatten fünf Angestellte, davon vier aus Weidenberg und Umgebung. 450 Menschen arbeiteten in der Siedlung. Das war etwas Großes, etwas Neues, es herrschte Euphorie. Freizeit gab es wenig: Wir mussten das ganze Ding hier aufbauen, haben in Eigenleistung die Werkstatt erweitert.
In den 60er Jahren ging die Schmuckindustrie hier stark zurück, Knöpfe und Lüster waren nicht mehr konkurrenzfähig. Ich habe auf Hohl- und Pressformen für die großen Glashütten umgestellt, so musste ich keinem der Mitarbeiter kündigen. 1996 übernahm mein Sohn Jürgen den Betrieb. Er ist heute allein und arbeitet im Formenbau für die Glas- und Kunststoffindustrie.“
Das war passiert: Sudetenland und Bayreuther Land
Gablonz, heute Jablonec nad Nisou, war einst die Weltmetropole des Modeschmucks. Dementsprechend begehrt waren die Fachkräfte, die nach dem Krieg eine neue Heimat suchen mussten. „Wegen zeitlicher Verzögerungen und besseren Bedingungen in Kaufbeuren-Neugablonz blieb für unsere Region aber nur noch eine begrenzte Zahl von ansiedlungswilligen Betrieben übrig“, sagt Klaus Hübner, Mitarbeiter des Glas-Knopf-Museums Weidenberg.
Ursprünglich sollte am ehemaligen Flugplatz Bindlacher Berg Glasindustrie ansiedeln. Doch die amerikanische Armee beanspruchte das Gelände, auf dem sich erste Betriebe niedergelassen hatten, 1951 für sich. Für die Heimatvertriebenen war kein Platz mehr.
Unter anderem dem damaligen Bürgermeister Georg Hagen sei es zu verdanken, dass im selben Jahr mit dem Bau der Gablonzer Werksiedlung in Weidenberg begonnen wurde, sagt Hübner. Die Flächen gehörten großteils Bauern.
Die Bauwilligen bekamen Finanzhilfen vom Marshallplan. So entstand der Ortsteil Werksiedlung. Und die Glaswarenerzeuger gründeten kurze Zeit später den Verein Werksiedlung, der heute Träger des Museums ist.
Info: Das Glas-Knopf-Museum in Weidenberg öffnet zum 70. Jahrestag am Sonntag, 3. Juli, von 14 bis 17 Uhr. Zu sehen sind Produktionsprozesse an Original-Maschinen aus den 50er Jahren, Fachleute erklären den Formenbau und warum die sudetendeutschen Heimatvertriebenen nach Weidenberg kamen.
Mehr zum Thema: Was ist am Schicksal der Sudetendeutschen heute noch aktuell? Manfred Kees erklärt es im Interview.