Wer nicht spielt, verspielt sein Potenzial

Von Renate Allwicher
Einfach mal wieder Seifenblasen machen - so groß wie möglich? Auch wenn es sinnlos scheint, so schnell wie die Blase platzt? "Ja!", sagt Marco Marino. Denn der spielende Mensch habe das Talent im Hier und Jetzt zu weilen. Und das macht glücklich. Foto: ?????(liefere ich nach) Foto: red

„Fünf! Tschakkaaaa! Raus mit dir!“ – mit hämischer Freude hat schon manch ein rotes Männchen sein schwarzes Pendant vom Mensch-ärgere-dich-nicht-Spielbrett gekickt. Und damit vielleicht einen tränenreichen Wutanfall ausgelöst. Trotzdem macht Spielen glücklich, ist sich Marco Marino sicher.

 
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Ein Spiel ist ein Spiel ist ein Spiel: Wenn wir wirklich spielen, sind wir mit allen Sinnen dabei, denken nicht an gestern und schon gar nicht an morgen. Wie leben im Moment – und wer im Moment lebt, ist glücklich, sagt Marco Marino. Er ist Experte, wenn es um Spielen geht. Nicht nur, weil er viele Jahre lang den Bayreuther Spieleladen Na Hoppla führte und Mitbegründer des Vereins wundersam-anders ist, dessen Vereinszweck unter anderem die Förderung vom Spielen als bildungskulturelles Gut ist. Auch, weil er schon als Soziologiestudent immer eines im Sinn hatte: Die Regeln zu verstehen. „Wie funktioniert eine Gesellschaft, wie funktioniert eine Familie, wie denken und handeln Menschen.“ Letztlich halten wir uns alle ständig an (Spiel-)Regeln. „Du entschuldigst dich, weil du ein paar Minuten zu spät bist. Ich biete dir einen Kaffee an. Das sind alles Konventionen, an die wir uns halten, weil wir es von klein auf so gelernt haben. Wir könnten natürlich auch ausbrechen. Das wäre so wie wenn jemand beim Mensch-ärgere-dich-nicht gleich zwei Mal würfelt.“ Dann wären wir aber Spielverderber.

„Wer schlecht verlieren kann, hat das Spiel noch nicht verstanden“

Von Mensch-ärgere-dich-nicht als klassischem Gesellschaftsspiel hält Marino viel. Es ist eines der Spiele, die den Menschen ganz ins Hier und Jetzt befördern. Für die Spieldauer zählen nur die Augenzahl auf dem Würfel, das Schlagen und Geschlagen werden, die Rettung ins Haus in letzter Sekunde. „Gesellschaftlicher Status? Schranken? Sorgen? All das spielt keine Rolle“, sagt Marino. Der Gewinner freut sich, der Verlierer brennt auf Revanche – oder sitzt beleidigt in der Ecke. „Wer schlecht verlieren kann, hat das Spiel noch nicht verstanden“, sagt Marino dazu. „Ihm fehlt die Leichtigkeit, die wir Menschen brauchen, um mit Niederlagen umzugehen.“ Das müssen wir lernen – zu spielen hilft uns dabei.

Was ist denkbar, was ist möglich? Gedankenspiele.

In diesem Sinne ist zu spielen alles andere als sinnlos. Gewinnen und Verlieren (-können) gehört zum Leben genauso dazu wie das Spielen an und für sich. Schon wenn wir denken, spielen wir, betreiben Gedankenspiele dazu wie wir ein Problem lösen könnten. Was ist denkbar und was ist dann auch möglich?

Auch um zu lernen sollten wir spielen, erklärt Marino, denn Lernen funktioniere nur über Emotionen. „Manchmal tricksen wir, indem wir die Situation, in der wir lernen, in eine glückliche Situation verwandeln - kochen uns einen guten Tee, räumen den Schreibtisch schön auf. Spielend indes geht es noch besser. Praktische Übungen sind gefragt!“

Nicht überall wo Spiel drauf steht, ist auch Spiel drin

Auf der anderen Seite warnt Marino: Nicht alles, was uns als Spiel angepriesen wird, ist tatsächlich eines. Sammelkarten zum Beispiel, gehören Marions Ansicht nach nicht dazu. Zwar könne man mit ihnen auch spielen. Aber es hat nicht jeder die gleichen Voraussetzungen: Wer die besten, stärksten, mächtigsten Karten hat, gewinnt. Um an diese ranzukommen kann ich vielleicht tauschen, vor allem aber muss ich eines tun: kaufen. Gleiches gelte für das Glücksspiel an Automaten. Hier geht es nicht um das Spielen im Hier und Jetzt, sondern darum, dauerhaft mehr zu kriegen – und der Gewinner ist nicht der Spieler.

"Rettet das Spiel!"

Marino empfiehlt ein Buch zu diesem Thema: „Rettet das Spiel! Weil Leben mehr als Funktionieren ist“ von Gerald Hüther und Christoph Quarch. Die Autoren sind der Überzeugung: Wir brauchen die Lust am Spielen, um Mensch zu sein. Nur Funktionalisieren und Ökonomisieren, das geht nicht, denn damit würden wir Menschen uns alle Freiheit und Schönheit nehmen. Ob Musik, Kunst oder Technik – spielend lernen wir, spielend erfinden wir Neues. Wenn wir damit aufhören würden, entwickeln wir uns nicht weiter. Wer nicht spielt, verspielt sein Potenzial. Der letzte Satz ihres Vorwortes: „Das Leben ist kein Spiel, aber wenn wir nicht mehr spielen können, dann können wir auch nicht mehr leben.“

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