Wen Herr B. anspricht, der hat verloren

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Symbolfoto: Jan-Philipp Strobel/dpa Foto: red

Wenn Herr B. zu einem Gespräch in sein Büro einlädt, folgen ihm die meisten. Denn gerade eben haben sie was geklaut. Herr B. ist Detektiv im Media-Markt.

 
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Freitagabend betreten fünf Herren den Media-Markt in Bayreuth. Drei davon werden bald in der Zeitung stehen. Sie sind Teil einer professionellen Diebesbande aus Georgien. Herr B., 46 Jahre alt, drei Kinder, verheiratet, hat sie geschnappt. Sie hatten gerade Speicherkarten im Wert von 2000 Euro geklaut. Ihr Trick war clever. Dachten sie. „Aber nicht clever genug“, sagt Herr B.

Aus Anonymitätsgründen darf der volle Name des Detektivs nicht genannt werden. Zu viele Diebe hat er im Laufe der vergangenen 25 Jahre schon erwischt. „Es sind Tausende“, sagt Herr B. Meist erkennt er sie schon, wenn sie in den Laden kommen. Es sind Kleinigkeiten. Die Art, wie sie sich bewegen, wie sie schauen. Und wie sie gekleidet sind.

„Man muss ein gutes Auge haben.“ Die Frau am Regal hat ein kleines Kind auf dem Arm, zwei Sachen in der Hand. „Davon könnte sie eine Sache  schnell einstecken. Aber eher nicht.“  Oder die jungen Männer vor den Video-Spielen. „Die reden nur. Warum sollen die was klauen?“ Tun sie auch nicht. Sie gehen und zahlen. „Man muss ein Gespür dafür haben.“

"Ich beobachte die Waren, bis die Leute durch die Kasse sind"

Das scheint Herr B. zu haben. Er greift erst zu, wenn er „120 Prozent sicher“ ist. Wie die Ermittler in amerikanischen Krimis ist sein Blick auf die vielen Bildschirme gerichtet. Egal in welchem Eck, er weiß, auf welche Leute er achten muss. Sobald eine Sache in der Tasche verschwindet, bleibt er dran. „Ich beobachte die Waren, bis die Leute durch die Kasse sind.“

Denn noch könnte der Kunde bezahlen wollen. Allerdings ist ein Diebstahl vollendet, sobald die Ware nicht mehr vom Personal zu sehen ist. Einkaufen und die Waren in die mitgebrachte Einkaufstasche legen, geht nicht. „Das ist schon Diebstahl.“

Die drei Georgier, die Herrn B. ins Netz gingen, waren weit geschickter vorgegangen. Untereinander tauschten sie wie beim Hütchenspiel die Einkaufskörbe mit den Speicherkarten und leere Einkaufskörbe in den Gängen des Ladens untereinander, bis das Diebesgut bei einem im Mantel verschwand (wir berichteten). Dann kam die Stunde des Herrn B. Denn er hatte die Bande schon längst im Blick, sogar schon einen Tag vorher. Doch da hatten sie die Überwachungskameras entdeckt und waren wieder abgezogen.

Professionelle Diebesbanden aus osteuropäischen Ländern sind ein Phänomen, mit dem die Polizei zunehmend zu tun hat (siehe die Berichte hier und hier). Dies bestätigt Peter Müller vom Präsidium in Bayreuth. Der Detektiv darf die Diebe nicht einfach festnehmen. Er darf noch nicht einmal sagen, „Sie sind ein Dieb“. Sonst droht ihm sogar eine Anzeige.

Herr B. geht auf sie zu und sagt etwas von einem „Verdacht des Ladendiebstahls“ und bittet seine „Kunden“, mit ins Büro zu gehen, um die Sache zu „klären“. Die meisten gehen freiwillig mit. Um sich nicht bloßstellen zu lassen. Jeder Dieb zahlt 150 Euro Strafe, Hausverbot gibt’s obendrein. Widerspruch findet selten statt. „Videos lügen nun mal nicht“, sagt Herr B. und deutet auf die Wand mit den Bildschirmen.

Festnehmen darf er übrigens auch keinen, nur festhalten, bis die Polizei kommt, auch mit Kraft. Aber sonst ist Gewalt nicht erlaubt. „Ich darf mich selbst schützen.“ Wenn einer in die Tasche greift, rät er ihm, das langsam zu machen. „Sonst muss ich zugreifen.“ Herr B. ist ein kräftiger Mann, beherrscht Selbstverteidigung und nennt sich „sportlich fit“. An ihm kommt keiner einfach so vorbei. „Aber die Leute werden immer schlimmer“, klagt er. Und erinnert daran, dass ihn ein Dieb mit einem Messer angegriffen hat. Ein andere mit Pfefferspray. „Ein leichter Job isses nicht.“

Immer wieder Bestechungsversuche: Geldangebote oder Frauen am Abend besuchen

Herr B. ist noch in anderen Läden im Einsatz, auch im Hagebaumarkt. Auch dort klauen die Leute. Eine Bohrmaschine, Schrauben – die ganz teuren und kleinen Sachen gibt’s allerdings im Elektronik-Markt. Vergangenes Jahr fehlten plötzlich zehn teure Schlösser. Nur noch die leeren Verpackungen lagen in den Regalen. Auch Herr B. hat es nicht gemerkt. „Aber wir erwischen sie doch.“ Denn die Diebe versuchten, die geklauten Schlösser umzutauschen. Clever, aber nicht clever genug. Manchmal schnappt Herr B. einen, der ihm bereits in einem anderen Laden ins Netz gegangen ist.

Laufenlassen, das geht bei ihm nicht. Er habe schon Angebote von Frauen, sie abends zu besuchen. Auch Geld wurde ihm schon geboten, falls er jemanden laufen ließ. „Dienst ist Dienst“, sagt Herr B. mit Hinweis auf sein Arbeitsethos. Das nervt manchmal sogar seine Frau. Auch wenn er mit ihr einkaufen geht, hat er seinen Detektiv-Blick drauf. Vor kurzem hat er im Supermarkt einen erwischt, als er eine Wurst einsteckte. Bei der zweiten Wurst lieferte er den Dieb an den Marktleiter aus. Eine „Fangprämie“ kriegt Herr B. übrigens nicht. „Sonst wäre ich Millionär.“

 

Die krassesten Fälle:

Der Einzelhandel verliert nach eigenen Angaben pro Jahr etwa ein Prozent des Umsatzes durch Diebstähle.

  • Ein Dieb nahm einen Fernseher unter den Arm und trug ihn mitsamt der Verpackung durch die Kasse. Bei der Wohnungsdurchsuchung lagen weitere Waren im Wert von 10.000 Euro.
  • Ein Dieb packte ein 2000 Euro teures Laptop aus und verschwand damit.
  • Vier Mädchen klauten Pokemon-Go-Ladestationen. Sie sagten, sie bräuchten das unbedingt.
  • Eine Frau packte 25 Videospiele aus, versteckte die Verpackungen in den Kühlschränken und spazierte durch die Kasse. Alle Spiele, sie sie über Tage geklaut hatte, lagen in ihrem Auto.
  • Eine Frau mit Kinderwagen hatte Babysachen geklaut. Sie gab an, ihr Mann habe sie verlassen, sie habe kein Geld mehr.

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