Wilhelmine als Zugpferd scheidet aus
Auch in der Vorbereitung des Antrags in enger Abstimmung mit Icomos (International council on monuments and sites), der Berater-Organisation der Unesco, "um den Antrag so zu formulieren, dass er zwingend wird", wie Krückmann es formuliert. Mehrere Ideen werden da geboren - und wieder verworfen: Zum Beispiel die, alle markgräflichen Bauten mit hinein zu nehmen. Oder die geistige Welt Wilhelmines, "die kultur- und geistesgeschichtlich an der Spitze des 18. Jahrhunderts steht", wie Krückmann sagt. Er nimmt sogar mit Alice Schwarzer Kontakt auf, weil Wilhelmine auf dem Gebiet der Emanzipation ihrer Zeit meilenweit voraus war. "Dann kam da wieder der Einwand der Icomos: Die Sache wird von der Generalversammlung des Welterbekommittees entschieden. Und wer soll in Indien, Grönland oder Aserbaidschan was mit Wilhelmine anfangen könne?"
Opernhaus als Solitär soll das Rennen machen
Schließlich, etwa um 2007 herum fällt die Entscheidung: "Wir machen nur das Opernhaus. Denn die Kriterien hatten sich gewandelt. Es sollte nicht nur das Schönste und Beste Weltkulturerbe werden. Sondern das Charakteristischste für die jeweilige Gattung." Und genau das ist das Markgräfliche Opernhaus: "Das Paradebeispiel für alle barocken Operngebäude. Und eine Einzel-Spielstätte gab es noch nicht als Weltkulturerbe." Höchstens Theater - wie in Vicenca das Theatro Olimpico oder in Mantova das Theatro Schientifico, auch von Galli Bibiena - die Teil eines Welterbe-Ensembles innerhalb einer Altstadt sind. Jedoch, als Zugabe, passt auch in Bayreuth alles: "Das Umfeld, die Infrastruktur, ist nahezu komplett erhalten. Bayreuth hat noch die Struktur der damaligen Landeshauptstadt - was den Bayreuthern, ganz nebenbei, einiges mehr an Stolz vermitteln könnte."
98 Prozent der Pracht von früher ist erhalten
Krückmann sagt, in der heißen Phase, in der der Antrag geschrieben wurde, kommt der federführende Referent Alexander Wiesneth auf einen weiteren Aspekt: "Im Prinzip ist der Innenraum des Opernhauses ja eine ziemlich windige Architektur. Alles aus Holz gebaut. Und nicht für die Ewigkeit gedacht." Kam im Barock häufig zum Einsatz, ist heute aber sehr selten. "Ein riesiges Wunder, dass diese Art temporärer Architektur erhalten geblieben ist. In Bayreuth deshalb, weil die Stadt nach der Residenzzeit eine eher verschlafene Provinzstadt wird, in der wenig Modernisierungsdruck herrscht." Das Einzige, das fehlt, ist die Bühnenmaschinerie. Vom Inneraum, sagt Krückmann, sind "rund 98 Prozent erhalten geblieben. Es fehlen eigentlich nur die Zwischenwände zwischen den Logen".
Bayreuth hat die zwei wichtigsten Theater der nachantiken Zeit
Krückmann, der Bayreuth mit der Zeit lieben gelernt hat, sagt: "Was mich fasziniert, und darauf kam ich auch erst nach und nach: Bayreuth besitzt mit dem Opernhaus und dem Festspielhaus die beiden wichtigsten Theater der nachantiken Zeit." Auf der einen Seite das Haus, das den absolutistischen Herrschaftsgedanken des Ancien Régime repräsentiert. Auf der anderen Seite das Haus, "das die radikale Neuerung durch Wagner zeigt, der das demokratische Theater kreierte, in dem jeder Besucher mehr oder weniger die gleiche Wertigkeit haben durfte".
Die Quintessenz als Krönung seiner Arbeit in Bayreuth
Die Quintessenz wird in St. Petersburg am 28. Juni 2012 von der Generalversammlung der Unesco erkannt. Um 15.07 Uhr lässt die Vorsitzende des Kommitees, Eleonora Mitrofanova, den Hammer aufs Pult fallen und sagt ein Wort: "Adopted" - angenommen. Peter Krückmann kann diesen Moment nicht mitverfolgen, "ich hatte an dem Tag keinen Computer zu Hause. Aber kurz nach der Entscheidung hat mich der ehemalige Oberbürgermeister Dieter Mronz angerufen und mir das Ergebnis mitgeteilt, was ich rührend von ihm fand". Krückmann, der die Möglichkeiten in dem Haus entdeckt hat, sagt: "Jeder wusste, wie schön das Haus ist. Seine Bedeutung hatte man lange nicht erkannt. Dass das Opernhaus Welkulturerbe wurde, war für mich die schöne Vollendung meiner Tätigkeit für Bayreuth."