Der damalige Regionalpräsident Carles Puigdemont stand nicht vor Gericht: Er war im Herbst 2017 zusammen mit anderen Politikern vor einer Festnahme ins Exil nach Belgien geflohen. "Insgesamt 100 Jahre Haft. Eine Barbarei", twitterte Puigdemont als erste wütende Reaktion aus Brüssel. Am Nachmittag gab er eine Erklärung ab und bezeichnete die Urteile als "unmenschlich". Sie zeugten von "Unterdrückung und Rache", so der 56-Jährige.
Die spanischen Justizbehörden haben derweil einen zeitweise zurückgezogenen internationalen Haftbefehl gegen ihn wieder aktiviert, um ihm doch noch in Spanien den Prozess zu machen. Puigdemonts Nachfolger Quim Torra sagte: "Die Regionalregierung und ich lehnen diese Urteile als ungerecht und undemokratisch ab." Man werde weiter auf eine katalanische Republik hinarbeiten.
Inwieweit die Gerichtsentscheidung die Parlamentsneuwahl in Spanien am 10. November beeinflussen wird, ist noch unklar. Ministerpräsident Pedro Sánchez erklärte: "Niemand steht über dem Gesetz." Er forderte, die unabhängige Arbeit der Justiz anzuerkennen und die Urteile zu respektieren. Das Ende des Verfahrens öffne eine "neue Phase" für das Zusammenleben und den Dialog in der Krisenregion. Wie die Spitzen anderer großer Parteien sprach er von einem "vorbildlichen Gerichtsverfahren".
Auch der Fußball-Spitzenclub FC Barcelona äußerte sich in einer offiziellen Mitteilung - kritisierte aber die Justizentscheidung. "Gefängnisstrafen sind keine Lösung", hieß es. Der Konflikt müsse durch einen politischen Dialog gelöst werden. Der amtierende spanische Meister sprach sich für eine Freilassung der Verurteilten aus und sprach deren Familienmitgliedern seine Solidarität aus.
Viele Unterstützer des Separatismus haben der Justiz vorgeworfen, mit dem Prozess ein Exempel statuieren zu wollen. Die Zahl der Sicherheitskräfte war vorsichtshalber massiv erhöht worden. Der frühere katalanische Innenminister Joaquim Forn, der zu zehn Jahren und sechs Monaten Freiheitsentzug verurteilt wurde, schrieb auf Twitter: "Danke für Eure Unterstützung. Danke, weil wir wissen, dass ihr immer da seid. Wir werden nicht müde werden. Es lebe das freie Katalonien!"
Die Bundesregierung wollte die Urteile derweil nicht kommentieren. "Wir haben immer wieder betont, dass der Katalonien-Konflikt innerhalb der spanischen Rechts- und Verfassungsordnung zu behandeln ist", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Dies sei nun durch das oberste spanische Gericht geschehen.
Insgesamt waren zwölf Separatisten angeklagt. Drei wurden nun wegen Ungehorsams verurteilt und müssen nicht ins Gefängnis - allerdings dürfen sie ein Jahr und acht Monate kein politisches Amt ausüben.
Der Prozess, der live im spanischen Fernsehen übertragen wurde, war Mitte Juni nach vier Monaten mit den Schlussplädoyers der Angeklagten zu Ende gegangen. Diese riefen dabei fast ausnahmslos dazu auf, den Dialog zu suchen und eine politische Lösung für den Konflikt in der Region im Nordosten des Landes zu finden.
Insgesamt wurden in dem Mammutprozess fast 600 Zeugen vernommen, darunter der konservative frühere Ministerpräsident Mariano Rajoy, in dessen Amtszeit das Referendum fiel. Im Herbst 2017 hatte Rajoy die Regionalregierung abgesetzt und Katalonien monatelang unter Zwangsverwaltung gestellt.