Warum hat sich Elektromobilität eigentlich bisher nicht durchgesetzt? - Eine Umfrage E-Autos: Die Angst vorm Ausrollen

Von Frank Schmälzle und
Die Tankstelle am Rathaus ist eine von sieben im Stadtgebiet. Der Verkehrsausschuss will Anreize schaffen, dass die Bayreuther mehr elektrisch fahren.. Foto: Ronald Wittek Foto: red

An sich ist es ziemlich interessant, lautlos Auto zu fahren. Und der Antritt der Elektroautos überrascht jedes Mal wieder. Doch entscheidet sich die Mehrheit der Menschen beim Kauf eines neuen Autos nach wie vor für eines mit Diesel oder Benziner. Der Verkehrsausschuss des Stadtrats hat jetzt einen Anreiz geschaffen, elektrisch zu fahren.

 
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Gehört der Elektromobilität auf Deutschlands Straßen die Zukunft? Mag sein, sagt Alexander Nagel, Akademischer Rat am Lehrstuhl für Umweltgerechte Produktionstechnik an der Universität Bayreuth. Die Gegenwart gehört ihr nicht.

Das hat drei Gründe:

1. Der Anschaffungspreise ist im Vergleich zu einem Auto mit Verbrennungsmotor relativ hoch. Den Preisunterschied machen laut Nagel in erster Linie die  Akkus aus. Sie sind so teuer, weil sie in vergleichsweise geringer Stückzahl produziert werden. Bei Renault zum Beispiel liegt die Preisdifferenz vergleichbarer Modelle bei rund 6500 Euro.

2. Die Reichweite ist zu gering, weil die aktuelle Generation der Akkus nicht mehr hergibt. Der Durchschnitts-Deutsche fährt zwar nur etwa 40 Kilometer pro Tag. Dafür würde eine Akkuladung reichen. "Aber das ist eben nur der Durchschnitt", sagt Nagel. Stehen längere Fahrten an, ist die Reichweite ein Problem. Abhilfe kann ein Range Extender schaffen. Ein Range Extender ist ein Verbrennungsmotor, der die Akkus während der Fahrt lädt. Helfen würde natürlich auch das Tanken an einer Stromtankstelle. Aber: "Die Tankzeiten sind viel länger als beim  Benzin-Tanken", sagt Nagel. Bis der Akku wieder voll ist, vergehen mindestens 30 Minuten. Maximal vier Stunden.  Das haben Hersteller erkannt: Neue Akkus und Autokonzepte müssen her. Sie versprechen Reichweiten von 600 bis 800 Kilometern.

3. Die Infrastruktur ist noch mangelhaft. Das betrifft in erster Linie Stromtankstellen und  Parkplätze mit Steckdose. "Noch scheitert die Elektromobilität schlichtweg an der Alltagstauglichkeit", sagt Nagel. Ein Elektroauto muss genauso zuverlässig funktionieren. Vor  allem hinsichtlich der Reichweite, wenn  größere Gegenstände transportiert werden müssen, oder auch mal mehr Personen mitfahren wollen. "Warum sollte der Käufer eines Elektroautomobils all diese Einschränkungen in Kauf nehmen wenn er für weniger Geld ein Auto mit Verbrennungsmotor und ohne diese Nachteile bekommt?", fragt Nagel. .

 

Wenn sich das E-Auto durchsetzen soll, müssen drei Dinge geschehen:

1. Die Akkus müssen besser werden, die Reichweiten müssen bei  600 bis 800 Kilometern liegen.

2. Tanken muss eine Sache von wenigen Minuten sein. Das, sagt Nagel, geht am schnellsten und sinnvollsten durch  Austausch des Akkus an der Tankstelle.

3. Elektroautos müssen zu einem wettbewerbsfähigen Preis zu haben sein. Das ist nicht allein Sache der Hersteller, meint Nagel. Dazu gehören auch steuerliche Anreize, Subventionen und kostenloses  Tanken an der Stromtankstelle.

"Wenn  diese Probleme gelöst werden, können wir uns auf die Vorzüge des E-Autos freuen", sagt der Bayreuther Experte: E-Autos sind leise und komfortabel, vibrieren weniger, haben weniger Verschleiß und blasen keine Aupuffabgase in die Luft. Nagel: "Wenn es klappt, werden wird uns eines Tages fragen, warum wir nicht schon immer e-mobil unterwegs waren."

Die Skepsis der Kunden

Die Skepsis der Verbraucher spüren die Händler am ehesten. Stefan Wedlich, Geschäftsführer des  Renault-Autohauses Wedlich, nennt drei Gründe für die Zurückhaltung: "Die fehlenden Lademöglichkeiten, die Reichweite. Und auch der Preis." Renault ist Wedlichs Aussagen zufolge "führend im Bereich der Elektroautos". Stadtmobile wie der Twizzy, Kleinwagen wie der Zoe oder der Kangoo ZE, der im Lieferwagenbereich interessant ist, fahren rein elektrisch. "Der Zoe komt auf rund 240 Kilometer Reichweite", sagt Wedlich. Also auch kein Argument mehr für die, die hauptsächlich in  der Stadt unterwegs sind oder aus dem Landkreis pendeln.

Keine Angst vor schwächelnden Akkus

Selbst die Sorge um schwächelnde Akkus nehme das französische Unternehmen den Kunden. Der allerdings mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. 79 Euro im Monat kostet die Miete des Akkus. "Verbunden damit ist die Gewähr, dass der Kunde eine neue Batterie bekommt, wenn seine kaputtgeht." Bleibt der Preis fürs Auto: Ein Zoe kostet in Basisausstattung und ohne Überführung rund 21.500 Euro. Ein vergleichbarer fünftüriger Clio mit 90 PS liegt bei 15.400 Euro. Und dann, sagt Wedlich, gebe es ja auch noch eine Elektro-Prämie des Herstellers.

Mehr Unterstützung muss her

Wie Wedlich würde auch Martin Popp vom gleichnamigen Mitsubishi-Autohaus mehr Unterstützung der Kommunen und des Staates begrüßen. Kostenloses Parken, mehr Ladesäulen, das wäre durchaus ein Weg, Elektromobilität zu forcieren, sagt Popp auf Anfrage unserer Zeitung. Popp schwärmt vom neuen Mitsubishi Outlander mit Plug-in-Hybrid. Also der Technik, die rein elektrisches Fahren ebenso erlaubt wie Fahren mit Verbrenner und Laden während der Fahrt. "Der erfolgreichste Plug-in-Hybrind in Deutschland in den ersten zehn Monaten des Jahres. Jeder Vierte war ein Mitsubishi." Und in Bayreuth? "Naja", sagt Popp. "In Bayreuth, da ist es schon sehr ruhig." Fünf Plug-in-Hybride hat er in dem Jahr verkauft, dazu zwei vollelektrische Kleinwagen EV. "Die gingen an Geschäftsleute." Auch Mitsubishi locke Kunden mit einer Elektroprämie, sagt Popp. Wobei der Preisunterschied deutlicher ausfällt: Der Einstiegs-Plug-in kostet rund 12.000 Euro mehr als der Einstiegs-Outlander. Vergleicht man den Einstiegs-Allradler mit Benziner und den Plug-in, der immer Allrad hat, sind es noch rund 4300 Euro. 

Überschaubare Nutzung der Stromtankstellen

Überschaubar nennt Jan Koch, der Pressesprecher der Stadtwerke, die Resonanz an der Elektro-Tankstelle: „Wir werden nicht überrannt.“ Die Stadtwerke bieten eine der acht Stromzapfsäulen im Stadtgebiet an.

Eine historische Parallele zum Benziner

Übrigens: Auch bei den Benzin-Autos hat es eine Zeit gedauert, bis sie sich durchgesetzt haben, sagt Prof. Rolf Steinhilper. Inhaber des Lehrstuhls für Umweltgerechte Produktionstechnik an der Universität Bayreuth. Ziemlich genau 20 Jahre. Weil es keine Tankstellen gab. Eine erstaunliche Parallele zum E-Auto.

Das haben die Stadträte beschlossen

Das war eine Energieleistung der Stadträte im Verkehrsausschuss: Fahrer von Elektroautos zahlen auf städtischen Parkplätzen ab 2016 keine Parkgebühren mehr. Sie müssen sich dabei allerdings an die Höchstparkdauer des jeweiligen Parkplatzes halten. Damit setzen sich die Stadträte über die Meinung der Verwaltung hinweg.

Verkehrsreferent Ludolf Tyll wollte abwarten. Bis der Bayerische Städtetag ein Konzept vorlegt, wie Kommunen E-Mobilität fördern können. Gemeinsam und aufeinander abgestimmt. Irgendwann im nächsten Jahr. Doch die Stadträte wollten nicht mehr warten. Aus dem Jahr 2013 stammt der erste E-Auto-Antrag, damals gestellt von Thomas Ebersberger (CSU). Zwei weitere folgten. Und wurden aufgeschoben.

Verkehrsreferent sieht Probleme

Verkehrsreferent Tyll listet im Verkehrsausschuss die Probleme auf: Er sieht einen neuen Schilderwald auf den Parkplätzen entstehen. Fragt, wie die Verkehrsüberwacher kontrollieren sollen, dass wirklich nur E-Autos kostenfrei parken. Macht sich Gedanken darüber, welche Parkplätze die richtigen seien. Sieht eine Änderung der Parkgebührenordnung als Voraussetzung. Will geklärt wissen, ob nur E-Auto aus Bayreuth das Privileg des kostenlosen Parkens bekommen sollen.

Einfache Lösung

„Es ist so leicht, sich das Leben schwer zu machen“, sagt CSU-Stadtrat Helmut Parzen. Nach langer Debatte gibt es eine einfache Lösung für all die beschworenen Probleme: Fahrer von E-Autos bekommen ab Jahresbeginn 2016 eine Ausnahmegenehmigung von der Stadt. Sie dürfen dann auf allen städtischen Parkplätzen kostenlos parken. Solange, wie es dort auch für alle anderen Verkehrsteilnehmer erlaubt ist. Und das sie die Maximale Parkzeit nicht überschreiten, zeigen sie an, indem sie eine Parkscheibe aufs Armaturenbrett legen. Den großen E-Auto-Boom wird Bayreuth damit nicht auslösen, sagt Christoph Rabenstein (SPD). „Aber was wir machen können, das sollten wir auch tun.“

Plug-in-Hybrid-Fahrer müssen zahlen

Die neue Regelung gilt ausschließlich für reine Elektroautos. Weil die besonders klimaschonend sind. Nicht für sogenannte Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge, die neben dem Elektroantrieb auch über einen Verbrennungsmotor verfügen. 29 solch reiner E-Autos sind derzeit in Bayreuth zugelassen. Gemeinsam mit 127 Plug-In-Fahrzeugen machen sie einen Anteil von 0,3 Prozent aller in der Stadt Bayreuth zugelassenen Autos aus. Der große Rest sind Diesel-Autos und Benziner. In der Stadt sind 48.010 Autos zugelassen.

Mit diesen Zahlen liegt Bayreuth auf dem Niveau der Nachbarstadt Bamberg. Auch in Bamberg machen E-Autos und Plug-In-Hybride einen Anteil von 0,3 Prozent aus. In Bamberg sind etwa 45.000 Autos zugelassen.⋌fs

 

 

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