Laut Statistischem Bundesamt lebten Ende 2023 rund 1,4 Millionen 16- und 17-jährige Erstwähler in Deutschland, die nun bei der Europawahl abstimmen dürfen. Wie viele dann tatsächlich zur Urne gehen, ist eine interessante Frage. Wahlanalysen zeigten eher einen Trend zu niedrigerer Wahlbeteiligung bei jüngeren Altersgruppen.
Das habe auch biografische Gründe, sagt Jugendforscher Hurrelmann. Die älteren Generationen empfänden das Wählen als eine soziale, gesellschaftliche Pflicht. Sie wüssten es zu schätzen, dass es möglich sei, frei seine Stimme abzugeben. "Für die jüngeren Menschen ist das eine Selbstverständlichkeit", sagt er. "Sie gehen am liebsten zur Wahl, wenn ihre Stimme wirklich auch zählt."
Klare Botschaften und soziale Medien
Hurrelmann ist überzeugt: Bereits im 14. Lebensjahr seien junge Menschen in der Lage einzuschätzen, was bei einer Wahl passiert. Mit 16 Jahren könne man also eine Wahlpräferenz äußern. Um sich diese junge Wählergruppe zu sichern, müssten Parteien klare Konturen zeigen und attraktiv kommunizieren. "Inhaltliche Orientierung ist für junge Leute noch wichtiger als für alle anderen", betont der Jugendforscher. Die junge Generation sei themenorientiert und im politischen Spektrum breit aufgestellt.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die sozialen Medien. "Die meiste politische Information wird über die digitalen Plattformen aufgenommen", erklärt Hurrelmann. Das müssten Parteien auch bedienen. Die AfD nutzt die sozialen Medien besonders stark, um Jugendliche mit ihren Botschaften zu erreichen. "Die haben in der jungen Generation ihre Resonanz und entsprechend steht die Partei sehr gut da", sagt der Jugendforscher. Dass junge Leute weniger über traditionelle Kommunikationskanäle erreicht werden könnten, hätten andere Parteien lange nicht verstanden. "Sie tun es jetzt - noch reicht es vielleicht, im Wahlkampf das eine oder andere wieder aufzuholen."
Wahlsimulation für rund 1,26 Millionen Jugendliche
Parallel zur Europawahl wird am 9. Juni auch die Juniorwahl 2024 stattfinden. Dabei simulieren Schüler und Schülerinnen der Jahrgangsstufen 7 bis 13 die Wahl. Das Wahlrecht ab 16 habe einen Impuls in die Schulen gegeben, sagt Gerald Wolff von der Juniorwahl. "Wir sehen eine extrem hohe Nachfrage: Die Anzahl der Schulen hat sich im Vergleich zur letzten Europawahl verdoppelt", sagt er. Jede dritte Schule wird den Angaben zufolge bei der Wahlsimulation mitmachen. Rund 1,26 Millionen Jugendliche und etwa 40 000 Politiklehrkräfte werden sich beteiligen. "Da sieht man, dass das Wahlrecht ab 16 definitiv etwas mobilisiert hat", sagt Wolff. Das Projekt bietet seit über 20 Jahren ein Angebot zur politischen Bildung und wird vom Bundesfamilienministerium und der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert.
Gegen Gleichgültigkeit kämpfen
Alle Schulformen machten mit, sagt Wolff. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten auch gezeigt: Wer die ersten drei Male in seinem Leben wählen gehe, werde mit einer höheren Wahrscheinlichkeit sein Leben lang wählen. "Worum es insgesamt geht, ist der Kampf gegen Gleichgültigkeit."