Vier Wochen vor der Premiere: Im Festspielhaus arbeiten mehr als zehn mal so viele Menschen wie sonst Festspielhaus: Hier spielt jetzt die Musik

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Ohne kommt hier keiner rein. Ohne Hausausweis. Jeder braucht einen neuen, bevor er auch nur eine Note singen kann im Bayreuther Festspielhaus. An der Pforte kann es deshalb gerade jetzt den einen oder anderen Stau geben. Hausausweis, Parkausweis, Parkausweis laminieren. Ordnung muss sein, auch wenn es der Kunst gilt.

 
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Die Bayreuther Festspiele sind ein Betrieb, in dem von jetzt auf gleich alles funktionieren muss. Rund 60 Menschen, sagt Festspielsprecher Peter Emmerich, arbeiten das ganze Jahr hier. Zwischen Juni und Ende August sind es zwischen 700 und 800. Von jetzt auf gleich. "Anfang der Woche sind Chor und Orchester gekommen", sagt Karina Schulz aus dem Pressebüro. Rund 190 Musiker des Festspiel-Orchesters, 149 Chorsänger. Das Haus gleicht jetzt wieder einem Bienenstock. Zum 104. Mal seit 1876. 

Menschen huschen über die glänzend gelaufenen Betonstufen des Hauses, durch die Gänge. Jeder mit einem bestimmten Auftrag, viele mit Blocks und Mappen. Die Bühnentechniker, gut erkennbar durch ihre schwarze Kleidung, passen auf, dass ja keiner dorthin kommt, wo es Geheimnisse zu erhaschen gäbe. Beispielsweise die Kulissen von "Tristan und Isolde", der Oper, die am 25. Juli die Festspiele eröffnen wird. In der Inszenierung von Festspielleiterin Kathatrina Wagner. "Hausausweis? Genehmigung?" - knappe Fragen an jeden, der auf der Bühne unterwegs ist und erkennbar nicht Schwarz trägt oder ein Kulissenteil schiebt.

Auf der Probebühne ganz links hinten auf dem Gelände nach der Schlosserei steht das hölzerne Boot, das im "Holländer" eine nicht ganz unwichtige Rolle spielt. Geprobt wird mit Klavier. "Das Orchester probt separat. Und traditionell im Restaurant. Jetzt haben gerade die Sitzproben zu ,Lohengrin' stattgefunden", sagt Karina Schulz. Über den Dirigentengang erreichen die 190 Musiker den hellen Raum. Vorbei an Schwarz-weiß-Fotografien aller Dirigenten, die seit 1876 den Taktstock im Orchestergraben geschwungen haben. Nur einer fehlt, neben Axel Kober ist eine Lücke: "Kirill Petrenko. Von ihm bekommen wir ein neues Foto", sagt Schulz' Kollegin Valerie Seufert beim Rundgang mit unserer Zeitung. 

Nahezu alles, was für die Opern gebraucht wird, bauen die Festspiele selbst. Eigene Werkstätten sind ganz nah dran am Haus. Schreiner, Schlosser sowieso. Nicht weit weg von der Probebühne ist die Färberei, wo die Stoffe nach den Vorgaben der Regisseure und der Schneiderei vorbereitet werden. "Gefärbt. Oder auf alt gemacht, wenn sie nicht neu aussehen dürfen", sagt Valerie Seufert. Typischer Werkstatt-Charakter. Der herrscht überall im Haus. Und drum herum. 

In den Garderoben liegen die Kostüme bereit für die erste Anprobe. Alles in Reih und Glied, perfekt geordnet. Auf den Plätzen Empfangsgeschenke: Ein Schokoladen-Junikäfer, Seife, Handtuch, ein nettes Schreiben mit Tipps, wie das künstlerische Zusammenleben auf dem engen Raum in den kommenden Wochen am besten klappen kann. In der Maske wird an den Perücken gearbeitet. "Der ,Holländer' ist in der Hinsicht besonders aufwendig", sagt Ausstattungsleiterin Monika Gora. Alles Maßanfertigung. "Der Anblick der vielen Köpfe mit den Perücken fasziniert mich jedes Mal wieder", sagt Gora.

Maßanfertigung auch in der Schuhmacherei. Robert Haaser ist einer von denen, die jedes Jahr zwei Monate lang auf den Grünen Hügel kommen. Haaser ist Schuhmachermeister, hat seine eigene Maß-Werkstatt in Bautzen. "Das ist mein zehntes Jahr hier. Der Laden läuft in der Zeit ohne mich weiter, während ich mir den Luxus gönne, hier arbeiten zu dürfen", sagt er. Haaser arbeitet an den Schuhen, die im "Tristan" getragen werden. "Es müssen leise Sohlen drauf", sagt Haaser.

Für Töne sind schließlich die Solisten, der Chor und das Orchester zuständig. Und nicht die Requisite.

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