Schon vor neun Jahren hatte Braun in einem Gutachten für das Bundesarbeitsministerium gefordert, die Urwahl zu stärken. So solle die Zulassung freier Listen erleichtert werden. Derzeit seien die Hürden zu hoch, auch seien Frauen deutlich unterrepräsentiert. Entsprechende Vorstöße seien damals zwar von der Union unterstützt, aber von der SPD mit Rücksicht auf die Gewerkschaften blockiert worden. Das hindert Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nicht daran, jetzt für die Sozialwahl zu werben: Sie seien "die Chance, direkten Einfluss auf die Entscheidungen der Sozialversicherungsträger zu nehmen", schreibt Nahles.
"Ich kämpfe für mehr Urwahlen"
"Ich kämpfe dafür, dass mehr Urwahlen durchgeführt werden", antwortet Rita Pawelski, Bundeswahlbeauftragte für die Sozialwahlen und frühere CDU-Bundestagsabgeordnete, auf Kurier-Anfrage. "Wahlen ohne Wahlhandlung“, der Begriff ist eine Verhöhnung des Begriffs der „Wahlen“. Eine solche Verhöhnung sollten wir uns in diesen Zeiten, in denen in bestimmen Ländern Wahlen manipuliert werden, nicht leisten." Versicherte der DRV in Bayreuth könnten Urwahlen erzwingen, wenn sie sich zusammenschlössen, eine Liste und ein Programm erstellten und mindestens 2000 Unterstützerunterschriften sammelten - allerdings erst wieder bei der Wahl im Jahr 2023.
Böse Überraschungen?
Wenn es nach Helmut Häußer geht, wäre das keine gute Idee. Er kandidiert in sechs Jahren zwar nicht mehr, aber: "Es ist schon gut, wenn man in der Selbstverwaltung Leute platziert, die was von der Sache verstehen." Bei Urwahlen könne man auch böse Überraschungen erleben, sagt er vor dem Hintergrund von Wahlerfolgen populistischer Kräfte. Anders als die Versicherten der DRV Nordbayern darf Häußers Frau übrigens schon bei der Sozialwahl ihre Stimme abgeben. Als Versicherte bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, die Urwahlen durchführt und mit dem Slogan um Stimmen wirbt: "Wählen, weil in einer Demokratie das Wählen einfach dazugehört."
Stichwort: Sozialwahl
Zur Urwahl bei der Sozialwahl 2017 sind mehr als 30 Millionen Versicherte der Rentenversicherung Bund und der Rentenversicherung Saarland sowie über 21 Millionen Versicherte bei Techniker-Krankenkasse, DAK-Gesundheit, KKH, HKK und – wegen der Fusion zeitverzögert – Barmer-GEK und Deutscher BKK aufgerufen. Gewählt werden per Brief nicht Personen, sondern Listen. Je mehr Stimmen eine Liste erhält, desto mehr Sitze erhält sie in der Vertreterversammlung beziehungsweise im Verwaltungsrat der Sozialversicherung. Dort wird zum Beispiel über Wahltarife (Krankenkassen) oder Rehabilitationsleistungen sowie über Haushalte und die Besetzung hauptamtlicher Führungspositionen entschieden.
Die DRV Nordbayern
Die Selbstverwaltung bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern mit Hauptsitz in Bayreuth hat zwei Organe: Das „Parlament“, die Vertreterversammlung, besteht aus je 15 Vertretern von Versicherten und Arbeitgebern. Keiner von ihnen ist aus Stadt oder Landkreis Bayreuth. Der sechsköpfige Vorstand vertritt die DRV nach außen und bildet die „Regierung“. Alternierende Vorstandsvorsitzende der DRV Nordbayern sind der mittelfränkische DGB-Geschäftsführer Stephan Doll (Versichertenvertreter) und der Unterfranke Michael Bischof, Bezirksgeschäftsführer bei der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. und bayme – Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro e.V.
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