Verteidiger kritisieren Gutachten massiv Unternehmer spekuliert auf Freispruch

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Im Prozess gegen einen Pottensteiner Bauunternehmer geht der Hauptangeklagte von einem Freispruch aus. Foto: dpa - Bildfunk Foto: red

„Der muss uns freisprechen, das Gutachten ist falsch“, gibt der Hauptangeklagte lautstark bekannt. Die umstehenden Verteidiger ermahnen ihn zur Ruhe. Die Nerven liegen besonders bei dem Bauunternehmer aus dem Raum Pottenstein, der mit seinen beiden Geschäftsführern wegen verschleppter Insolvenz und vorsätzlichen Betrugs angeklagt ist, blank.

 
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Der Hauptangeklagte ist im Laufe des Prozesses vor dem Landgericht Hof schon öfter wegen seines cholerischen Verhaltens aufgefallen, wurde deswegen auch schon von Richter Matthias Burghardt ermahnt. Am gestrigen 17. Verhandlungstag teilte er vor Verhandlungsbeginn vor dem Schwurgerichtssaal für alle hörbar mit, was er vom erneuerten Gutachten des Wirtschaftsgutachters Helmut Holter hält.

Zahlungsunfähigkeit war bekannt

Dieser hatte Ende August sein Zahlenwerk unter Berücksichtigung der gemachten Beweisaufnahmen noch einmal im Auftrag des Gerichtes vorgetragen. Sein Fazit blieb unverändert, die Firma hätte ihre Zahlungsunfähigkeit bereits im Herbst 2009 erkennen müssen, bevor sie Mitte 2010 Insolvenz anmeldete.

Gestern zerlegten nun die beiden Verteidiger der Geschäftsführer das Gutachten in seine Einzelteile. So stellte Anwalt Gerhard Schüler infrage, wie Holter ohne genaue Kenntnis der Verbindlichkeiten das Gutachten erstellen konnte. Er habe weder Bauakten gehabt, noch das Kernproblem gesehen, ob Abschlagsrechnungen fällig waren oder gezahlt wurden. „Die Zahlungen waren von den gemachten Leistungen abhängig“, so Schüler, der ein Projekt mit einer Elektrofirma in Castrop-Rauxel als Beispiel nahm. Er beantragte, den Firmenchef hierzu noch einmal zu vernehmen.

Klage hat keine Aussicht auf Erfolg

Außerdem appellierte er, Zahlungen erneut anzusehen, da diese von der Pottensteiner Firma in der vereinbarten Frist gezahlt worden seien, die Holter aber nicht berücksichtigt habe. Seiner Ansicht nach hat die Klage keine Aussicht auf Erfolg und die Zahlen müssten neu bewertet werden. „Die Zahlen von Herrn Holter sind unklar und es wurden falsche Zahlen zugrunde gelegt“, so der Anwalt. Das erstellte Gutachten sei somit falsch und unbrauchbar, da er Kritik an den Zeugen geübt habe. Im Februar 2010 seien bis auf 3000 Euro sämtliche offenen Rechnungen beglichen gewesen. „Das Gutachten ist eine Fehlleistung von Holter“, sagte Schüler. Die Zahlen müssten flächendeckend überprüft und neue vorgelegt werden. Außerdem habe sein Mandant, einer der Geschäftsführer, bestätigt, dass noch im Januar 2010 mit einer offenen Zahlung von gut 4,4 Millionen Euro zu rechnen gewesen sei.

Den gleichen Tenor der Kritik, nur wesentlich ausführlicher, hatte der Beweisantrag von Heribert Waider. In über zwei Stunden erklärte der Anwalt des anderen Geschäftsführers – Sohn des Hauptangeklagten – warum das Gutachten von Holter nicht zu gebrauchen sei. Der Sachverständige gehe von falschen Zahlen, Fälligkeiten und Rechnungen aus. „Herr Holter hat den Überblick verloren“, merkte Waider an. Anhand verschiedener Beispiele stellte er fest, dass Dinge, die nicht nachvollziehbar seien, nicht ins Gutachten einfließen dürften.

Viele Fehler sind enthalten

Es sei auch eine Kompetenzüberschreitung von Holter, wenn dieser Baubeschreibungen auswerte. Es sei nicht seine Aufgabe, rechtliche Wertungen vorzunehmen. Das Zahlenwerk enthalte viele Fehler und würde die Unterdeckung des Bauunternehmens nicht widerspiegeln. „Herr Holter war seiner Aufgabe nicht gewachsen, manchmal ließ er die Logik vermissen“, so der Anwalt. Der Sachverständige habe weder seine Aufgabe noch die Inhalte der vorgelegten Schriftstücke erfasst. „Herr Holter will an seiner einmal getroffenen Feststellung der Zahlungsunfähigkeit festhalten“, sagte Waider. Holter sei aber kein juristischer Gutachter und habe sich somit aus juristischen Fragen herauszuhalten.

Mehrere Ablehnungen wegen Bedeutungslosigkeit für das Verfahren verlas schließlich Richter Burghardt. Weder Rechnungen, Angebote noch Protokolle müssten erneut bewertet werden noch ein Bauleiter als Zeuge wiederholt vernommen werden. Auch ein Zeuge, den Reinhard Debernitz, Verteidiger des Hauptangeklagten, gefordert hatte und der Mängel bestätigen sollte, wird nicht gehört werden. „Der Zeuge soll bewerten“, erklärte Burghardt den Beschluss. Und auch ein neues Gutachten für eine Immobilie in Speichersdorf wird nicht erstellt. Hier hatten die Anwälte einen niedrigeren Verkehrswert errechnet, als ein Gutachter. Wegen dieser Immobilie läuft die Betrugsanklage, da sie angeblich aus der vorhandenen Vermögensmasse der Firma geschafft wurde. „Es sind keine Voraussetzungen dafür gegeben“, so der Richter.

Der Prozess wird am kommenden Donnerstag mit den Plädoyers wie geplant fortgesetzt, gab Richter Burghardt abschließend bekannt. Allgemeines Kopfschütteln bei den Angeklagten und Verteidigern.

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