Verfahren um Unfallflucht in Kulmbach schien auf der Zielgeraden, da findet der Angeklagte eine alte Handynummer Neues Rätsel um Phantom-Chauffeur

Von Manfred Scherer
Foto: Britta Pedersen dpa-Archiv Foto: red

Wie findet man ein Phantom? Schon für das Kulmbacher Amtsgericht war dieser Fall schier endlos. Und auch im Berufungsverfahren um eine Unfallflucht in Kulmbach vor nunmehr fast drei Jahren beweist der Fall eines nicht auffindbaren Chauffeurs aus der Ukraine seine Elastizität. Der Angeklagte, der den Ukrainer als Alibi nennt, bringt nun nach Monaten einen zweiten Unbekannten in Spiel.

 
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An sich ist es ein "kleiner" Kriminalfall: Am 12. Dezember 2014 nachts gegen 23 Uhr beobachtet ein junger Mann aus Kulmbach im Schießgraben, wie ein Auto ausparkt, auf der gegenüberliegenden Straßenseite gegen einen geparkten BMW stößt und davonfährt.

Der Zeuge verständigt die Polizei und gibt das Kennzeichen des Autos durch. Im östlichen Landkreis Bayreuth finden Polizeibeamte den Wagen und im dazu gehörenden Anwesen einen als Halter gemeldeten Mann. Dieser hat Alkohol im Blut, etwa 1,58 Promille. Und die Polizisten finden noch was anderes: Im Polizeicomputer steht der 53-Jährige als einschlägig vorbestraft, er hat keine Fahrerlaubnis.

Ein unbelehrbarer Wiederholungstäter also? Solche Kandidaten werden von der Justiz hart angefasst. Was auch mit dem Mann aus dem östlichen Landkreis geschieht: Das Kulmbacher Schöffengericht brummt ihm im März 2017 eine zehnmonatige Haftstrafe auf und versagt ihm die Bewährungschance.

Ein Unbekannter als Alibi

Dass schon der erstinstanzliche Prozess so lange dauerte, liegt an einer besonderen Verteidigungsstrategie des Beschuldigten: Er reklamiert, nicht er persönlich sei an jenem Abend gefahren, sondern ein Mann aus der Ukraine, der an jenem Abend im Dezember 2014 erstmals für ihn als Chauffeur tätig gewesen sei.

Der Chauffeur aber ist ein Phantom: Es gibt nur einen Namen, keine Adresse. Es gibt Handynummern, die mittlerweile entweder anderen Leuten gehören oder "tot" sind. Es entsteht der Verdacht, der ukrainische Chauffeur könnte eine Schutzbehauptung sein.

Fahrversuche in der Nacht

Schutzbehauptung oder nicht - die Einlassung des Angeklagten, der um seine Existenz ringt, bringt die Justiz in Kulmbach im Erstinstanzlichen Prozess und die Justiz in Bayreuth im Berufungsverfahren zu einem Kern der Strafjustiz: Nicht der Angeklagte hat seine Unschuld zu beweisen, sondern der Staat die Schuld des Angeklagten. Auch im Berufungsverfahren wurden Telefonnummern und Adressen des Ukrainers überprüft - ohne Ergebnis. Das Berufungsgericht hielt sogar einen nächtlichen Augenschein in Kulmbach ab, um festzustellen, ob der Unfallzeuge den am Steuer sitzenden Angeklagten erkannt haben konnte oder nicht.

Nun schien der Berufungsprozess auf der Zielgeraden, da zog der Angeklagte einen letzten Trumpf: Er präsentierte eine Handynummer, die zu einem Mann führen soll, der ihm damals im Herbst 2014 den Ukrainer als Fahrer vermittelt haben soll. Die Polizei hat nun den Auftrag herauszufinden, ob er den Vermittler wirklich gibt und wenn ja, was er über den mysteriösen Chauffeur aussagen kann.

Der Prozess wird am 28. Dezember fortgesetzt.

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