Veranstalter begrüßen einstimmigen Landtagsbeschluss – Bayreuther Politiker beschwören Kompromissbereitschaft Länger feiern beim Volksfest

Von Norbert Heimbeck
Die einen wollen feiern, die anderen schlafen - die Lärmbelästigung der Anwohner durch Volksfeste ist fortwährendes Streitthema. Der Bayerische Landtag hat jetzt beschlossen, das Feiern von 22 bis 24 Uhr zu verlängern. Foto: Kolb Foto: red

Es war ein seltener Fall von Einmütigkeit im Landtag: Am Dienstag beschlossen die Fraktionen einstimmig, dass künftig auf bayerischen Volksfesten länger gefeiert werden darf. Hintergrund ist die Absage eines Festes in Unterfranken: In Kahl am Main waren Anwohner vor Gericht gezogen, weil ihnen der Festtrubel zu laut ist. Aus Furcht vor Bußgeldern sagten die Veranstalter daraufhin die „Kerb“ ab.

 
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Volksfeste seien für den gesellschaftlichen Zusammenhalt unverzichtbar und gerade auf dem Land ein wichtiges Angebot zur Freizeitgestaltung, sagte der CSU-Abgeordnete Josef Zellmeier im Plenum. Alle Fraktionen stimmten dafür, den Beginn der Nachtzeit von 22 auf 24 Uhr zu verschieben. Diese Verlängerung der Feierstunden soll auch dazu dienen, die Änderung der sogenannten „Freizeitlärmrichtlinie“ voranzutreiben.

Kulkturgut Volksfest

Die Bayreuther Landtagsabgeordneten bekannten sich in einer Blitzumfrage des Kuriers allesamt zum Volksfest als Kulturgut und beschworen die Kompromissbereitschaft der Betroffenen. Jochen Mörz, Festwirt beim Bayreuther Volksfest, war die Freude deutlich anzuhören: „Sensationell, eine tolle Entscheidung!“ In Bayreuth habe er noch keine schlechten Erfahrungen mit Anwohnern gemacht, in Fürstenfeldbruck, wo er derzeit arbeitet, „wird gleich die Behörde gerufen. Da kann ich um 22 Uhr die Musik abschalten. Aber alleine, wenn sich die Gäste unterhalten, erreichen wir locker 85 Dezibel, da braucht’s keine Musik mehr.“

Keine Klagen

Jan Kempgens, bei der Bayreuth Marketing und Tourismus GmbH für das Volksfest zuständig, bestätigt Mörz’ Aussage über die Nachbarn des Volksfestplatzes: „Wir kommen ganz gut miteinander aus.“ Das Volksfest sei eine seit langem gewachsene Veranstaltung, im Wissen um die Belastung der Nachbarn achte der Veranstalter auf die Einhaltung der Regeln. Aus dem Ordnungsamt im Rathaus heißt es, bisher habe es keine Klagen vor Gericht gegen das Volksfest gegeben: „Bei Frühlingsfest und Volksfest handelt es sich um Feste, die auf eine lange Tradition zurückblicken können und dementsprechend gesellschaftlich verwurzelt und akzeptiert sind“. Bei beiden Festen muss ab 22 Uhr die Musiklautstärke reduziert werden. Beim Volksfest ist um 23 Uhr Schluss mit der Musik, ab 23.30 Uhr laufen die Zapfhähne leer.

Spießer in Bayreuth

Ulrike Gote (Bündnis 90/Die Grünen) sagte: „Ich halte die neue Regelung für sinnvoll. Aber ich erwarte, dass sich die Stadt Bayreuth dann auch daran hält. Denn Ende heißt zum Beispiel beim Bürgerfest eher zwei Uhr oder drei Uhr als 22 Uhr.“ Gote wünscht sich einen runden Tisch, wie man mit Veranstaltungen in der Innenstadt umgeht, die Lärm erzeugen: „Wer sich beklagt, dass es um zwei Uhr zu laut ist, der gilt in Bayreuth als Spießer“.

Verändertes Verhalten

Christoph Rabenstein (SPD): „Es gibt immer mehr Klagen von Einzelpersonen gegen Volksfeste, auch solche mit einer großen Tradition, wie zum Beispiel die Erlanger Bergkirchweih. Ich verstehe die Leute, die ihre Ruhe haben wollen.“ Deshalb seien in den Lärmschutzverordnungen der Städte ja schon Einschränkungen festgelegt worden: „Zum Beispiel dürfen Sie am Wochenende nicht unbegrenzt Rasen mähen.“ Volksfeste seien von großen Bevölkerungsgruppen akzeptiert, es gehe nicht, dass sie von Einzelpersonen eingeschränkt werden: „Zumal solche Veranstaltungen ohnehin auf wenige Tage im Jahr begrenzt sind. Die Ausdehnung auf 24 Uhr halte ich für sinnvoll. Das Ausgehverhalten hat sich verändert, vor allem jüngere Leute feiern später.“

Streit in Hummeltal

Peter Meyer (Freie Wähler) sagte: „Es war zu erwarten, dass die Entscheidung einmütig ausfallen würde. Uns allen ist klar, dass wir etwas für den Erhalt der Volksfeste tun müssen. Es kann nicht sein, dass die Interessen Einzelner das Gesamtinteresse so dominieren.“ Meyer wohnt in Hummeltal, wo ein Streit um die Zeltkerwa des Burschenvereins tobt. Er beschwört die gegenseitige Rücksichtnahme und appelliert an die Kompromissbereitschaft der Beteiligten: „Wir wollen die Anwohner nicht rund um die Uhr beschallen, wir sehen auch deren Ruhebedürfnis. Aber an bestimmten Tagen im Jahr erwarten wir von ihnen, dass sie ihre Ansprüche zurücknehmen“. Bei aller Freude über die einstimmige Landtagsentscheidung ist Meyer unsicher, ob die Änderung tatsächlich eine Lösung bringt.

Aigners Brief soll für Klarheit sorgen

Gudrun Brendel-Fischer (CSU) verweist auf Traditionsveranstaltungen, deren Dauer sich im Rahmen halte. Auch sie kennt Klagen über Musiklärm, setzt aber ebenfalls auf gemeinsame Lösungen. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sagte auf Anfrage: „Ich werde mich mit den zuständigen Ressortkollegen möglichst schnell darum kümmern, dass die neuen Lärmschutzrichtlinien vor Ort Anwendung finden. Mit einem gemeinsamen Schreiben werden wir uns an die Vollzugsbehörden wenden und ihnen Maßstäbe für den Einzelfall an die Hand geben. So schaffen wir Rechtsklarheit vor Ort.“

Info: Die Freizeitlärmrichtlinie des Bundes stammt aus dem Jahr 1995 und enthält Vorgaben für den erlaubten Lärmpegel in Freizeiteinrichtungen vom Abenteuerspielplatz bis zum Hundedressurgelände.

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