Uni-Studie zum Leben auf dem Land

Von Norbert Heimbeck
Bürgerbusse wie hier in Goldkronach gibt es mittlerweile in mehreren Gemeinden der Region. Sie können nach einer Studie der Universität Bayreuth ein wichtiger Beitrag zur Mobilität der Senioren sein. Foto: Harald Judas, Archiv Foto: red

Das Leben auf dem Lande - oft wird es romantisch verklärt, oft als provinziell abgetan. "Ich bin mir nicht sicher, ob die Zukunft der Stadt gehört," sagt Professor Eberhard Rothfuß. Seine Studenten haben den "Sozialraum Oberfranken" untersucht. Ihre Erkenntnisse sind nicht überraschend, etwa was demographische Entwicklung und öffentlichen Nahverkehr angeht. Aber sie haben kreative Lösungsvorschläge für Oberfrankens Zukunft.

 
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Eberhard Rothfuß ist an der Universität Bayreuth Professor für Sozial- und Bevölkerungsgeographie. Er sagt: "Ländlich leben in Garmisch ist etwas anderes als ländlich leben in Hof." Und: "Das Leben auf dem Land soll keine symbolische Deklassierung sein." Seine Master-Studenten haben über eineinhalb Jahre lang die sozialen Herausforderungen Oberfrankens untersucht. Sie haben dabei statistische Daten der Behörden und Untersuchungen wie die neue Shell-Jugendstudie ausgewertet, haben mit Bürgermeistern der Region und Vertretern von Sozialverbänden gesprochen. Rothfuß: "Es ist eine grundlegende Bestandsaufnahme geworden."

Petra Beermann, Leiterin der Stabsstelle Entrepreneurship und Innovation der Universität, sagt: "Es geht um grundsätzliche Bedürfnisse: Wir haben keine Hausärzte mehr, die Lebensmittelläden auf den Dörfern werden geschlossen, ältere Menschen kommen nicht mehr aus dem Haus." Man müsse sich von der Vorstellung lösen, dass "alles an jedem Ort" zur Verfügung stehe. Stattdessen gehe es darum, Orte zu schaffen, an denen eine kritische Masse erreicht werden kann. Beispiel: Statt mehrere Thermen in einem Landkreis zu errichten, lieber ein zentral gelegenes Bad, das wirtschaftlich betrieben werden kann.

Einige ausgewählte Studien-Ergebnisse:

Jugendliche und junge Erwachsene:

Einkaufen: Kommunale Konkurrenzkämpfe um Einzelhandelsansiedlungen machen die Situation nicht besser. Vorschlag: Ausbau von Dorfläden und dezentrale, mobile Versorgung sowie Zusammenarbeit über Kommunalgrenzen hinweg.

Bildung und Arbeit: Mangelnde Arbeitschancen sind Hauptmotiv für die Abwanderung  junger Menschen. Petra Beermann sagt dazu: "Wir haben erstmals junge Leute, die hier studiert haben, dann fortgezogen sind und jetzt zurückkehren, weil sie bei uns bessere Rahmenbedingungen für ihre Unternehmensgründung finden als etwa in München."

Senioren:

Soziale Beziehungen: Auf dem Land stimmt das soziale Klima noch eher, was sich etwa in funktionierender Nachbarschaftshilfe zeigt. In den Städten nimmt hingegen die Vereinsamung zu. Lösung: Analog zum Kindergarten einen "Seniorengarten" schaffen. Außerdem sei der Begriff Senior weit gefasst: Extrem fitten 65-Jährigen stehen pflegebedürftige 85-Jährige gegenüber - hier müsste man das "Aktionspotenzial" von rüstigen Senioren  mobilisieren.

Mobilität: Auf dem Land sind Senioren aufs Auto angewiesen. Lösung: Anruf- oder Bürgerbusse einsetzen. Statt eines teuren, unflexiblen ÖPNV-Netzes sollten Angebote wie Car-Sharing oder Fahrgemeinschaften ausgebaut werden.

Eberhard Rothfuß nennt das Fazit der Untersuchung: "Wir brauchen neue Lebensmodelle für den ländlichen Raum." Erste Schritte dahin seien etwa regionale Energiekonzepte. Überall dort, wo der "Staat wenig oder kein Interesse" zeige, würden von Bürgern selbst organisierte Änderungsprozesse wichtiger.

Info: Die Studie wird im Rahmen eines "Social Entrepreneurship Camp" an der Universität präsentiert.  Sie soll Institutionen und Unternehmen der Region zur Verfügung gestellt werden. Infos dazu bei der Kulmbacher Adalbert-Raps-Stiftung.

Kommentar: Vom Leben auf dem Lande

 

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