In Erl zum Beispiel, wo man einen kompletten „Ring“ in einem futuristischen Haus sehen kann.
Mungen: Ja, Erl in Tirol zum Beispiel. Oder Dessau. Oder auch München. Die Opernfestspiele dort gewinnen an Bedeutung, als wirkliche Festspiele, nicht nur als Verlängerung in den Sommer mit ausgelagertem Repertoire.
Was dazu führen kann, dass viele Spitzensänger für Bayreuth nicht mehr zur Verfügung stehen. Dazu ist Wagner dann doch zu anstrengend.
Mungen: Das weiß ich nicht. Die Besetzung bei den Festspielen 2015 erscheint mir sehr gut. Das sind Besetzungen, die ich in manchen Teilen sogar als Weltklasse empfinde. Dazu hat man Dirigenten der absoluten Spitzenklasse. Da kann man auch nicht klagen. Das Szenische, das scheint mir mehr zu haken. Die Neuausrichtung des „Parsifal“ mit Eric Laufenberg anstelle von Jonathan Meese finde ich nicht so glücklich. Barrie Kosky allerdings, der 2017 in Bayreuth die „Meistersinger“ machen wird, ist einer der interessantesten Regisseure überhaupt, einer, der sehr stark vom Handwerklichen her kommt. Sehr spannend finde ich das. Eine Kosky-Inszenierung ist fast immer gut, und fast immer anders, je nach dem Kontext, in dem er gerade arbeitet.
Alvis Hermanis, der 2018 den „Lohengrin“ in Szene setzen wird, hat in der Theaterszene ebenfalls einen großen Namen. Und er inszeniert zusammen mit Neo Rauch...
Mungen: Hermanis und Neo Rauch, das ist interessant, ja. Man kann gespannt sein. Hoffentlich kommt es da zu einer richtig guten Zusammenarbeit. Mit einem Maler, einem bildenden Künstler in einer bestimmten Situation... – Neo Rauch hat auch noch nie Oper gemacht, oder?
Nein, ich glaube nicht.
Mungen: Die Freiheit der Oper wird nicht so oft ausgeschöpft. Ich finde diese Entscheidung für einen bedeutenden Maler mutig, jetzt muss man die beiden mal machen lassen.
Haben Sie Verständnis für Eltern, die ihre Kinder mit T-Shirts demonstrieren lassen, auf denen steht: „Ich will ins Schwimmbad, nicht in die Oper.“ So geschehen in Bonn.
Mungen: Nein, das kann ich nicht verstehen. Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft, da gibt es eben verschiedene Angebote und Möglichkeiten, sich zu finden. Hallenbäder zu schließen ist auch verkehrt, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Der Kulturauftrag hat in der Verfassung eine sehr sinnvolle Form gefunden, die Kommunen müssen allerdings dafür etwas tun. Wichtig ist auch, das zeigte eine Diskussion unter Musikdramaturgen aus ganz Deutschland bei uns im fimt in Thurnau, dass der Spielplan etwas damit zu tun haben sollte, woher die Leute kommen. Dass die Auslastung hoch ist, man aber gleichzeitig ein künstlerisches Programm entwirft, das muss das Ziel sein. Letztlich ist die Kultur in unterschiedlichster Form prägend für uns, für die Gesellschaft, in der wir leben. Der kulturelle Reichtum im deutschsprachigen Raum ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal, mit einem Stadttheatersystem, das weltweit so nicht noch einmal existiert. Das ist ein richtig dickes, gutes Pfund, mit dem man wuchern kann.
Wenn Sie hundert Leute auf der Straße fragen würden, wo man sparen kann, würden vermutlich neunzig auf die Kultur zeigen.
Mungen: Ich bin mir da nicht so sicher. Es kommt natürlich drauf an, wen man da fragt. Militärische Ausgaben würden sicher ganz weit oben stehen. Oder wenn wir an andere Großbaustellen denken: den Berliner Flughafen, Stuttgart 21, oder das Desaster mit der Elbphilharmonie, das mit der Kultur an sich nichts zu tun hat. Bei der Kultur sparen? Da gibt es andere Einsparpotenziale.
Deutschland leistet sich viel Kultur. Zu viel, zu verstreut?
Mungen: Nein, überhaupt nicht, im Gegenteil: Man soll sich nicht verstecken, sondern eher dafür etwas tun, dass dieser Reichtum, der gerade in Bayern enorm ist, noch bekannter wird. Bayern als Opernland: Das könnte man noch ganz anders vermarkten. All die Stadttheater, die vielen Festspiele... Wenn Sie sich Bayreuth anschauen, mit dem Festspielhaus, aber auch dem Markgräflichen Opernhaus: Man könnte richtig was draus machen. Zwei der bedeutendsten Opernhäuser der Welt in einer kleinen Stadt – ich glaube, so etwas ist nur in diesem Land möglich. Ich glaube eher, dass sich unsere Politiker zu viele Sorgen machen. Das kann man schon offensiv vertreten.
Kommen wir auf den Beginn des Gesprächs zurück. Was hat uns die Oper zu sagen? Was „Tristan und Isolde“?
Mungen: Es gibt eine Geschichte an der Oberfläche, und das ist die Liebesgeschichte. Dieses Drama zeigt aber zudem, wie die anderen Figuren untereinander handeln, wie sie miteinander umgehen. Das ist ungeheuer emotional. Tristan und Marke, Tristan und Kurwenal, Isolde und Brangäne: Das sind interessante Beziehungen. Ein wesentlicher Aspekt ist, dass das Geschlechtliche so ausgestellt wird. Im Kontext des 19. Jahrhunderts, in dem wir von einem einfachen Bild des Verhältnisses zwischen Mann und Frau ausgehen können – starker Mann, schutzbedürftige Frau –, wird hier dieses Verhältnis ganz anders dargestellt. Isolde ist zunächst die dominante Figur, Tristan erblüht erst in dem Augenblick, da er körperlich verletzt wurde. Er bäumt sich auf, in einer großen dramatischen Geste.
Wagen Sie doch mal einen Blick in die Zukunft. Wie lange noch wird der Grüne Hügel die Bastion der letzten deutschen Dynastie bleiben?
Mungen: Das werde ich nicht zu entscheiden haben. Ich fände es interessant, das auch mal anders zu machen. Es ist klar, was man durch diese direkte Familienanbindung glaubt erhalten zu können: Atmosphäre, und auch Authentizität. Ich kann mir aber vorstellen, dass man das auch anders machen kann. Oder irgendwann auf andere Mitglieder des Clans zurückgreift. Die Familie ist ja weit verzweigt.