Blackstone verliert Interesse
Hitzlsperger warf den deutschen Clubs mangelnde Kommunikation gegenüber den Mitgliedern vor und er fragte kritisch, warum keiner der 36 Clubs nach den Abstimmungen einen Einspruch eingelegt habe. Was die aktuellen Proteste anbelangt, so Hitzlsperger: „Damit muss der DFL jetzt umgehen. Keiner will Spielabbrüche.“ Und Lena Cassel bemerkte zur Absage des möglichen Investors Blackstone, dass die Proteste schon Wirkung erzielt hätten.
Die Kritik von Bayern-München-Geschäftsführer Jan-Christian Dreesen, dass es der Ultra-Szene mit ihrem Protest vor allem um eine Machtdemonstration gehe, wies Cassel zurück. Dreesen beschreibe die Ultras als selbstgefällige Gruppe, die er „unter den Teppich kehren will“, aber er brauche die authentische und tolle Stimmung dieser Fans auch, wenn es um die Vermarktung seines Clubs gehe. „Das ist eine Doppelmoral.“
Aber ob nicht vielleicht mehr Geld durch Investoren auch besseren Fußball bringe, fragte Markus Lanz schließlich. Thomas Hitzlsperger verwies immerhin auf die zwei „reinen Vereine“ SC Freiburg und Union Berlin, die zwar Sponsoren, aber gar keine Investoren hätten. Anders als bei RB Leipzig, Wolfsburg, Bayer Leverkusen und den anderen. Es gebe schon so eine „Sehnsucht“ nach der Vereinsstruktur. Der Einstieg eines Investoren bei der DFL wird nach Ansicht von Lena Cassel auf jeden Fall das Ungleichgewicht in der Liga vergrößern. Da werde ein Bayern München vielleicht 100 Millionen Euro mehr erhalten, aber was sei denn mit kleinen Clubs wie Osnabrück oder Wiesbaden? „Ich sehe da den nationalen Wettbewerb gefährdet.“
Schwulenabneigung in der Kabine
Zur Hälfte der Sendung wechselte Lanz das Thema, er befragte Thomas Hitzlsperger nach seinem Coming-out als Homosexueller vor zehn Jahren – er war damals kein aktiver Fußballer mehr. Es hätte sicher eine größere Strahlkraft gehabt, so Hitzlsperger, wenn er den Schritt schon als Aktiver gewagt hätte, und er hatte dies auch vorgehabt und bereits ein Interview mit der „Zeit“ verabredet. Aber sein Medienanwalt habe ihm dringend davon abgeraten und im Nachhinein habe der Recht gehabt: „Wäre ich den Schritt früher gegangen, hätte ich Schaden nehmen können.“
Es sei schon so gewesen, dass es in der Kabine manchmal „üble Kommentare“ zum Thema Homosexualität gegeben habe. Bei einem Schwulen im Team, so habe es einmal geheißen, werde man sich weigern, sich mit dem in einem Raum umzuziehen.
„Toxische Männlichkeit“ im Fußball?
Als Ex-Fußballer sei das Coming-out aber in Ordnung gewesen, er habe ja weiterhin im Fußball gearbeitet und keinerlei Probleme gehabt, Ängste seien unberechtigt gewesen. Spekuliert wurde dann über die Frage, warum sich kein einziger aktiver Fußballer in Deutschland als schwul geoutet hat – auch bei Handballern ist keiner bekannt – während Homosexualität im Frauenfußball aber eine akzeptierte Sache ist. Männerfußball werde mit „dreckig und hart“ verbunden, da gebe es eine „toxische Männlichkeit“, so Lena Cassel, homosexuelle Männer werden aber mit „soft“ assoziiert. Beim Frauenfußball sei das genau umgekehrt, da verbinde man mit den Spielerinnen eine gewisse Männlichkeit, Kurzhaarfrisur und Burschikosität – und das werde auch Lesben zugeschrieben.
Lena Cassel forderte, dass die Vereine einen Schutzraum für homosexuelle Spieler schaffen müssten. Das sei doch eine konkrete Frage, ob schwule Spieler nach Katar ins Trainingslager fahren könnten. Oder zur WM nach Saudi-Arabien im Jahr 2034, wo auf Homosexualität die Todesstrafe stehe, wie Markus Lanz bemerkte. Der Moderator nannte den 17. Mai übrigens als Datum, an dem eine Gruppe von schwulen Fußballern um Marcus Urban ein größeres Coming-out plant. Man wird gespannt sein dürfen, ob einer der rund 800 aktiven Profifußballer in Deutschland dabei sein wird.