Tennis-Star verlässt Australien Die Verlierer der Visum-Affäre um Novak Djokovic

Jürgen Kemmner

Nach der Ausweisung des Tennisstars Novak Djokovic erscheinen auch der Turnierdirektor der Australian Open und die ATP in zweifelhaftem Licht.

 
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Novak Djokovic vor der Fahrt zu seinen Anwälten und dem Gerichtsentscheid über seine Ausweisung aus Australien. Foto: dpa/James Ross

Stuttgart/Melbourne - Novak Djokovic hat im Grunde überhaupt nichts mit Zauberei zu tun, wenngleich der Serbe auf dem Tennisplatz immer wieder Bälle serviert oder retourniert, die die weniger begabten Spieler übernatürliche Kräfte vermuten lassen. So gesehen mag es nicht völlig daneben sein, dass Serbiens Präsident Aleksandar Vucic den Begriff „Hexenjagd“ aus seinem Wortschatz schöpft, wenn er die Ausweisung seines berühmten Landmanns aus Australien vor den Medien verurteilt und gegen alles und jeden in Down Under schwadroniert. „In dem sinnlosen Gerichtsverfahren konnte man sehen, wie sehr die Anklage lügt. Sie haben schlicht und ergreifend gelogen. Sie sagen, dass es weniger als 50 Prozent geimpfte Menschen in Serbien gibt, aber es sind offiziell 58 Prozent“, polterte der Staatschef.

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Australiens Premierminister Scott Morrison blieb in seiner Wortwahl bedachter, was sicher daran lag, dass er das Urteil gegen den Tennisstar begrüßt. „Jetzt ist es an der Zeit, mit den Australian Open weiterzumachen und wieder den Tennissommer zu genießen“, erklärte der Politiker. Kurz vor dem Start des Grand-Slam-Turniers in Melbourne wies ein Bundesgericht den Einspruch des 34-Jährigen gegen die erneute Annullierung seines Visums zurück. Statt an diesem Montag im Erstrundenduell gegen seinen Landsmann Miomir Kecmanovic anzutreten, hat Djokovic Australien am Sonntagabend verlassen. „Ich bin extrem enttäuscht, aber ich respektiere die Entscheidung des Gerichts“, erklärte die Nummer eins des Tenniszirkus nach der Urteilsverkündung, „ich wünsche allen Spielern alles Gute für das Turnier und möchte mich bei meiner Familie, meinen Fans und meinen serbischen Landsleuten für die Unterstützung bedanken.“ Der 20-malige Grand-Slam-Sieger war am 5. Januar ungeimpft und mit einer medizinischen Ausnahmegenehmigung in das Land eingereist, in dem rigideste Coronabestimmungen herrschen.

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Nun hat nicht nur Djokovic in dieser weltweit registrierten Affäre eine schlechte Figur abgegeben mit falschen Angaben im Online-Gesundheitsfragebogen und seiner zweifelhaften Corona-Infektion von Mitte Dezember, auch Turnierdirektor Craig Tiley und selbst die Tennis-Organisation ATP haben ihre Außendarstellung nicht gerade auf Hochglanz poliert. Tiley, mit Djokovic persönlich befreundet, erfüllt dem anspruchsvollen Star bald jeden Wunsch in Melbourne, der Südafrikaner und der Serbe pflegen einen regelmäßigen Austausch – doch dass der 60-Jährige den neunmaligen Melbourne-Champion – koste es, was es wolle – aufs Spielfeld bugsieren wollte, erwies sich als unglückliches Vorhaben. Dass der ungeimpfte Djokovic durch die Hintertür eingeschleust werden sollte, stieß nicht nur den Aussies sauer auf. „Er hat nicht das Recht, hier zu sein“, kritisierte der ungarische Profi Marton Fucsovics, es sei klar gewesen, dass man geimpft sein müsse, um anzutreten.

Turnierchef Tileys Taktgefühl ist nicht immer im sportlich adäquaten Rhythmus: 2018 hatte er die extravagante Russin Maria Scharapowa direkt nach ihrer abgelaufenen Dopingsperre als Stargast der Auslosung hofiert, als sei nichts gewesen. Die Beharrlichkeit des Turnierdirektors, manche sprechen auch von Selbstüberschätzung, in der Causa Djokovic ist deshalb nicht ganz unschuldig daran, dass Djokovic mit dem annullierten Visum und der Unterbringung im Abschiebehotel vor aller Welt peinlich vorgeführt wurde. Auch schon 2021 hatte sich Tiley gehörig vergaloppiert, denn anders als versprochen mussten 72 Profis nach der Einreise 14 Tage in harter Quarantäne schmoren.

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Pikanterweise hat die Profiorganisation ATP ihr Bedauern bezüglich der Ausweisung von Djokovic ausgedrückt. „Unabhängig davon, wie dieser Punkt erreicht wurde, ist Novak einer der größten Champions unseres Sports und sein Fehlen ein Verlust für das Spiel“, schrieb die Organisation in einer Mitteilung. Sie respektiere die Entscheidung der Justiz, sprach dem Serben aber auch Mut zu. „Wir wissen, wie turbulent die letzten Tage für Novak waren und wie sehr er seinen Titel in Melbourne verteidigen wollte“, schrieb die ATP weiter: „Wir wünschen ihm alles Gute.“ Man muss kein Studium in Kryptologie mit dem Master absolviert haben, um zwischen den Zeilen zu entschlüsseln, dass nicht nur Tiley, sondern auch die ATP kein geringes Interesse besessen hat, Djokovic in Melbourne in der Rod-Laver-Arena aufschlagen zu sehen – völlig unabhängig von dessen Impfstatus. Denn die ATP, wohlgemerkt, fordert die Profis allesamt auf, sich impfen zu lassen.

In Anlehnung an eine deutsche TV-Show könnte man nun die Frage stellen: „Djoko – wer stiehlt mir die Show?“ Es war ein australisches Gericht; und der Italiener Salvatore Caruso erbt den Platz der Nummer eins im Starterfeld der Australian Open.