Problematisch ist der gegenüber den Joints der 68er-Jahre dramatisch angestiegene THC-Gehalt, weil Konsumenten häufig eine ähnliche Menge Cannabis wie zuvor rauchen - dabei aber weitaus mehr THC aufnehmen als ein Nutzer einst. Die Hanfpflanze Cannabis sativa enthält insgesamt mehr als 60 Cannabinoide, von denen Tetrahydrocannabinol aber als stärkste psychoaktive Substanz eingestuft wird. Im ganzen Körper gibt es Rezeptoren, an denen körpereigene Cannabinoide, aber auch THC andocken.
Dass THC gerade das Gehirn Jugendlicher beeinflusst, ist Experten zufolge biologisch plausibel: In der Pubertät ist das Gehirn eine Art Großbaustelle und besonders leicht aus der Balance zu bringen. Angenommen wird dem Forschungsteam in Kanada zufolge, dass THC über das körpereigene Cannabinoid-System unter anderem Nervenfaser-Verknüpfungen und die Entwicklung der weißen Substanz im Gehirn beeinflusst.
Risiko für Angststörungen
Zu den bekannten Folgen regelmäßigen Cannabis-Konsums in der Pubertät gehöre neben dem höheren Risiko für Psychosen ein um bis zu etwa zehn Punkte sinkender IQ-Wert, erklärt Thomasius. "Wenn ein ohnehin nicht so hoher IQ von 90 auf 80 sinkt, dann bedeutet das eine Lernstörung." Auch Auffassungsgabe und Konzentrationsfähigkeiten litten. Im Gehirn könnten bei Cannabis-Konsum in der Pubertät bis zu gut ein Drittel der funktionsfähigen Verbände im Frontalhirn verloren gehen, das zuständig für Funktionen wie Denken, Vernunft und Emotionsregulation ist. Auch sei das Risiko für Angststörungen und Depressionen höher.
Doch nicht genug damit, dass sich Konsumenten ihr eigenes Leben und das ihrer Familie vermiesen können - auch andere Menschen sind betroffen, etwa durch die eingeschränkte Verkehrstüchtigkeit. "In den USA hat sich die Zahl schwerer Verkehrsunfälle unter Cannabiseinfluss schon verdoppelt bis verzehnfacht seit der Legalisierung dort", sagt Thomasius.
Jugendlichen seien solche Risiken nicht wirklich bewusst, sagt der Mediziner. "Das wird bisher überhaupt nicht angemessen kommuniziert." Analysen zeigten, dass die Risikowahrnehmung für Gesundheitsschäden durch Cannabis-Konsum in den USA und Europa generell abnehme. Bei Jugendlichen komme hinzu, dass sie allgemein nicht so viel Selbstfürsorge und ein geringeres Risikobewusstsein hätten. Und dass Erwachsene etwas nutzen dürfen, Jugendliche aber die Finger davon lassen, habe noch nie funktioniert.
Die Cannabis-Legalisierung bedeute Verharmlosungseffekte und setze völlig falsche Signale, betont Thomasius daher. "Wir können jetzt schon voraussagen, dass die Psychose-Inzidenzen ansteigen werden." Und jeder solche Fall bedeute ein Wiederholungsrisiko, wenn nicht lebenslang auf alle psychoaktiven Substanzen verzichtet werde. "Wenn einmal eine Psychose aufgetreten ist, ist die Vulnerabilität bei Drogenkonsum erhöht."
André McDonald und Susan Bondy von der Universität Toronto hatten für ihre Studie bevölkerungsbasierte Erhebungsdaten aus den Jahren 2009 bis 2012 mit Aufzeichnungen von Gesundheitsleistungen bis zum Jahr 2018 verknüpft. Die mehr als 11.000 einbezogenen Teilnehmer waren zu Studienbeginn zwischen 12 und 24 Jahre alt und hatten bis dahin keine psychotische Störung.
Der Auswertung zufolge berichteten fünf von sechs Jugendlichen (12 bis 19 Jahre), die im Studienverlauf wegen einer psychotischen Störung in ein Krankenhaus eingeliefert wurden oder eine Notaufnahme aufsuchten, über Cannabiskonsum. Dabei habe es womöglich noch eine Untererfassung gegeben, weil der Freizeit-Cannabiskonsum da noch für alle Altersgruppen in Kanada illegal gewesen sei, was die Angaben zum eigenen Cannabiskonsum beeinflusst haben könnte. Bei jungen Erwachsenen (20 bis 33 Jahre) wurde kein deutlicher Zusammenhang gefunden.
Es gelte weiterhin, dass die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen, die Cannabis konsumieren, keine psychotische Störung entwickelt, erklärte McDonald. Jugendliche, die Cannabis konsumieren, hätten jedoch ein 11-fach höheres Risiko für eine psychotische Störung als Jugendliche, die keines nutzen.
Zu bedenken ist dabei, dass die Analyse wie vorhergegangene epidemiologische Studien eine Korrelation zeigt, keinen kausalen Zusammenhang. Das heißt, ein umgekehrter Zusammenhang kann nicht ausgeschlossen werden: Jugendliche mit psychotischen Symptomen könnten zum Beispiel vor der klinischen Diagnose eine Selbstmedikation mit Cannabis begonnen haben.
Auch andere potenziell wichtige Faktoren wie die Genetik oder womöglich durchlebte Trauma in der Vergangenheit wurden in der Studie nicht berücksichtigt. Tatsächlich bestimme die Genetik die Anfälligkeit für Psychosen sehr stark, erklärt Thomasius. Cannabis-Konsum sei bei einer solchen familiären Vorbelastung dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringe.