Strafbefehle gegen mehr als 50 Kulmbacher wegen Betrugs – Krankenkasse zahlte Zuschüsse zu Kursen Betrugsvorwurf an Fitnessstudio-Kunden

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Rennen, Schwitzen und jetzt Blechen: Den Mitgliedern des Kulmbacher Fitnessstudios wird vorgeworfen, sie hätten sich auf Kosten der AOK fit gemacht. Foto: Britta Pedersen /dpa Foto: red

Ein Kulmbacher Fitnessstudio samt seiner Kunden soll Abrechnungsbetrug begangen haben. Geschädigt wurde die AOK, sagt die Staatsanwaltschaft und verschickt Strafbefehle gegen mehr als 50 Menschen aus Kulmbach. Nach Strampeln, Stemmen und Schwitzen gibt es ein dickes Ende.

 
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2013 brachte eine „Unterrichtung der Staatsanwaltschaft“ durch die AOK einen Stein ins Rollen, der sich im Landkreis Kulmbach inzwischen zu einer Art Lawine entwickelt hat. Kunden eines Fitnessstudios sollen sich im Zusammenhang mit Gesundheitskursen, die die Kasse bezuschusst, des Abrechnungsbetruges schuldig gemacht haben, hatte damals die AOK vermutet.

Inzwischen steht fest: Die Staatsanwaltschaft Bayreuth sieht das nicht anders. Etwa 60 Strafbefehle seien mittlerweile gegen Mitglieder des Studios ergangen, sagt der Kulmbacher Strafverteidiger Alexander Schmidtgall. Die Betroffenen, oft Menschen im fortgeschrittenen Alter, hätten sich des Betruges strafbar gemacht, heißt es in den Strafbefehlen, die von den Adressaten Geldstrafen in bis zu vierstelliger Höhe fordern.

Wegen Betrug

Zumindest einige der Empfänger solcher Strafbefehle wollen ihre Verurteilung verhindern. Andere haben schon bezahlt. Anwalt Schmidtgall hat dazu eine klare Meinung: „So es Kursteilnehmer gab oder gibt, die die vom Amtsgericht Bayreuth erlassenen Strafbefehle akzeptierten, behauptet die Verteidigung, dass dies nicht aus Schuldeinsicht heraus geschah, sondern aus Scham, im Rentenalter vor ein öffentliches Strafgericht zu müssen.“ Die jetzt zum Teil des mehrfachen Betrugs beschuldigten Männer und Frauen haben alle eins gemeinsam: Sie waren oder sind Mitglied in einem bestimmten Fitnessstudio und zahlen monatliche Beiträge, in denen die Kosten für alle möglichen Kurse, auch solche, die die Kassen fördern, bereits enthalten sind. Genau das ist aber laut AOK nicht förderfähig.

Im Klartext: Hätte sich jemand bei demselben Studio nur für einen Kurs angemeldet und hätte daran teilgenommen, wären ihm die Kosten erstattet worden. Der, wie jetzt die Staatsanwaltschaft feststellte, illegale „Ausweg“, doch an Zuschüsse zu kommen: Das Studio bescheinigte die Teilnahme am jeweiligen Kurs und versicherte ebenso wie auch der Teilnehmer selbst schriftlich, dass keine Querverrechnung mit Mitgliedsbeiträgen erfolgt sei.

Die AOK zahlte 75 Euro pro Kurs

In ihren Strafbefehlen stellt die Staatsanwaltschaft deshalb fest, die Betroffenen hätten gewusst, dass sie keine gesonderte Kursgebühr bezahlt haben, teilweise sei nicht einmal die erforderliche Mindestanzahl an Kurseinheiten besucht worden. Gleichwohl seien aber Erstattungsanträge unter falschen Voraussetzungen eingereicht worden. Die AOK habe daraufhin im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben pro Kurs 75 Euro erstattet, um die sie nun geschädigt sei. Für die Staatsanwaltschaft ist klar: Dabei handelt es sich um Betrug, der auf dem Wege eines Strafbefehls durch eine Gesamtgeldstrafe geahndet werden soll. Sein Mandant, sagt Strafverteidiger Alexander Schmidtgall, habe an den Kursen teilgenommen und könne dies auch belegen. Der Mann habe nicht gewusst, dass die gesonderte Bezahlung der Kursgebühr neben den Studiogebühren zwingende Voraussetzung für den Zuschuss von der Krankenkasse sei. Das „Modell der Zuzahlung“ sei von den Verantwortlichen in dem Studio so „angepriesen und beworben“ worden.

Anwalt: Unschuldige Bürger

Bei den jetzt des Betrugs bezichtigen Personen handle es sich „angenommen um nicht vorbestrafte rechtstreue Bürger“, die nicht gewusst hätten, unter welchen Umständen eine Bezuschussung erfolgt oder nicht. Auch die AOK habe dies ihren Versicherten nicht erläutert. Für Schmidtgall ist klar: „Hier wird die strafrechtliche Verantwortlichkeit völlig unlauter auf nichts ahnende Mitglieder der AOK verschoben, obwohl von einer Aufklärungspflicht der Kasse auszugehen ist und nicht anders herum.“

Und noch einen weiteren Verantwortlichen sieht Schmidtgall und spricht ganz konkret das Fitnessstudio selbst an. Das habe, wie der Anwalt erklärt, Kursteilnehmer ganz gezielt mit der Begründung zu Vertragsabschlüssen bewogen, dass sich ja die monatlichen Beiträge an das Studio durch die Zuzahlung der AOK verringerten.

Hohe Studiobeiträge schmackhaft gemacht

So sind laut Schmidtgall zumindest seinen Mandanten die hohen monatlichen Beitragsgebühren schmackhaft gemacht worden. Der Anwalt wird deutlich. Durch diese Art der „Bezuschussung“ habe sich das Studio einen Wettbewerbsvorteil verschafft.

Ermittlungen laufen seit drei Jahren

Dass sein Unternehmen solche Vorteile gehabt habe, weist der Betreiber des Studios im Gespräch mit dem Kurier zurück. Er kann nicht verstehen, warum Mitglieder des Studios schlechter gestellt sein sollen als Personen, die nur für einen Kurs zu ihm kommen und verweist darauf, dass die Praxis der AOK nicht von allen Krankenkassen gepflegt werde. Seit dem Besuch der Polizei vor drei Jahren fülle man jetzt die Teilnahmebescheinigungen anders aus und verweise eigens auf die Verrechnung mit den Studiogebühren.

Worauf der Studiobesitzer Wert legt: Sein Unternehmen habe keinerlei finanziellen Vorteil gehabt. Die drei Jahre Ungewissheit empfindet der Firmeninhaber als sehr belastend. Recht viel mehr kann der Fitness-Unternehmer zu der Sache derzeit nicht sagen, denn auch gegen ihn wird in dieser Sache ermittelt. Seit drei Jahren bereits. Der Verdacht lautet auf Beihilfe zum Betrug, bestätigt Oberstaatsanwältin Juliane Krause von der Staatsanwaltschaft in Bayreuth. Das Verfahren sei aber noch nicht abgeschlossen, die Anklage noch nicht erhoben.

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