Sport und soziale Kontakte
Steffi Heinig macht viel Sport, „der befreit mich irgendwie.“ Rehasport und Krankengymnastik beugen den Spastiken im rechten Bein vor. Sie walkt, schwimmt und reitet. „Bei der Hippotherapie reitet man ohne Sattel. Die Bewegung und die Wärme des Pferdes gehen auf den Reiter über. Leider wird die Therapie nicht von der Krankenkasse bezahlt. Dabei ist sie so wirkungsvoll. Nach dem Reiten habe ich keinerlei Spastiken mehr.“
Auch die sozialen Kontakte seien enorm wichtig. Kurz nach der Diagnose habe sie im Kurier über die MS-Erkrankte Beate Platl gelesen. „Heute leiten wir die Selbsthilfegruppe Albatros. Diesen Menschen musst du nichts erklären. Die wissen genau, was los ist. Jeder muss alleine mit seiner Krankheit klarkommen. Aber es tut gut zu wissen: Ich bin nicht allein.“
Gegenüber ihrem Chef habe sie mit offenen Karten gespielt. „Jeder muss es selbst wissen, aber: wie soll dein Umfeld richtig reagieren, wenn es den Grund für deinen Zustand nicht kennt?“
Heinigs Zukunftswünsche
Die häufigste Reaktion auf ihre Krankheit sei Hilflosigkeit. „Meine jüngere Schwester hat ein halbes Jahr nicht mit mir geredet, nachdem sie von der Krankheit erfahren hatte. Weil sie nicht wusste, wie sie mit mir umgehen soll.“ Auch ihr Vater frage immer eine ihrer Schwestern, wie es ihr gehe. Ihre Mutter sei ganz anders. „Sie spürt, wenn es mir nicht gut geht und hat keine Berührungsängste.“
Was sie sich für die Zukunft wünscht? „Dass ich meinen aktuellen Gesundheitsstand so lange wie möglich halten kann. Und dass ich die Kraft dazu nicht verliere. Und wenn ich ein wenig rumspinnen darf, würde ich wahnsinnig gerne nach Namibia reisen“.
MS - eine entzündliche Erkrankung des Nervensystems
„Multiple Sklerose (MS) ist eine Überreaktion des Immunsystems, die sich gegen die Nervenhüllen des Gehirns und des Rückenmarks richtet“, erklärt Claudia Schultze, leitende Oberärztin und Betreuerin der MS-Ambulanz am Klinikum Hohe Warte. Entsteht an der Schutzhülle der Nervenfasern eine Entzündung, werden Signale des Gehirns nicht wirkungsvoll übermittelt. Das passiert bei einem MS-Schub, spürbar als Kribbeln, Taubheitsgefühl, Sehnerv-Entzündungen, Gangstörungen und Lähmungen - MS ist die Krankheit mit den 1000 Gesichtern.
„Wie viele Menschen leben auf der Erde? Ich weiß die Zahl nicht, aber stellen Sie sich vor: So viele MS-Erkrankte es auf diesem Planeten gibt, so viele verschiedene Formen der Krankheit gibt es auch. Multiple Sklerose hat mindestens 1000 Gesichter“, sagt Steffi Heinig.
40 Jahre MS-Beratungsstelle in Bayreuth
Auch in Bayreuth gibt es eine Anlaufstelle für Betroffene. Diese MS-Beratungsstelle Oberfranken feiert am Mittwoch ihr 40-jähriges Bestehen. „Wir bieten ein lebenslanges Angebot der Unterstützung“, erklärt die Diplom-Sozialpädagogin Ursula Schubert. Ihr Wunsch: Aufklärung anbieten, um erste Ängste zu nehmen.
Vier Beraterinnen helfen in Sachen Beruf, Pflege, behindertengerechtes Wohnen oder Ernährung. „Jeder Schub kann dauerhafte Schäden bringen. Das macht eine ständige Anpassung an die Situation nötig“, erklärt die Sozialpädagogin. In Oberfranken gibt es 23 Selbsthilfegruppen.
Anlässlich des 40-jährigen Bestehens hat die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) am Mittwoch einen Stand auf der Landesgartenschau (AOK-Pavillon). Es stellen auch zwei Autohäuser behindertengerecht umgebaute Autos aus. Um 14 Uhr findet ein Festakt statt.