Murr übernahm nicht nur die Verantwortung, sondern auch deutlich mehr Aufgaben als zuerst gedacht. Bis 2011, also 15 Jahre lang, blieb Murr Vorsitzende des EVP. „Ich habe praktisch alles gemacht“, erinnert sie sich. Sie habe versucht, Dinge auf ihre Art anzupacken und zu verändern. „Manche Sachen kann man als Frau anders als die Männer“, sagt Murr. Beispielsweise habe sie das Rauchen in der Kabine eindämmen können. Heute arbeitet sie in der Geschäftsstelle, ist die gute Seele des Vereins.
Der Verfall eines Machers
Im Jahr 2010 verlor Sigrid Murr ihren Mann nach jahrelanger schwerer Krankheit. Auch aus diesem Grund endete ihre Amtszeit beim EVP nur ein Jahr später. „Er hat mich immer beraten. Alleine ging das einfach nicht mehr“, sagt Sigrid über Günther Murr. Die Ärzte nannten es multiple Systemathrophie, laut Murr sei das aber nur eine Zustandsbeschreibung. „Sein Körper ist über die Jahre immer mehr zusammengefallen. Sein Geist war aber absolut wach bis zum Schluss.“
Einem geliebten Menschen beim Verfall zuzusehen, so Murr, sei eigenartig. „Er war immer ein Macher, ein großer Redner vor dem Herrn. Aber am Ende konnte er nicht mal mehr sprechen“, erzählt die 69-Jährige. Ein fröhlicher, lustiger Mann sei er gewesen, von dem sie viel gelernt hätte, vor allem Selbstbewusstsein.
„Nach dem Abi war ich eine graue Maus. Erst durch ihn habe ich eine gewisse Allgemeinbildung bekommen und bin zur Person geworden“, erinnert sich Murr. Er habe sie immer ermutigt, sich auszuprobieren. „Ein anderer Mann hätte mich vielleicht einfach Heimchen am Herd sein lassen, aber er hat mehr in mir gesehen.“
Die AfD findet sie "unmöglich"
Während ihr das Vorstandsamt im Städtepartnerschaftsverein mit Guyancourt aufgrund ihrer Französischkenntnisse fast zufiel, hat sie sich mit dem Vorsitz des Seniorenbeirates selbst überrascht. Sie sei nie politisch gewesen, bis auf eine Ausnahme: Die AfD findet sie „unmöglich“, sie sei ein weltoffener Mensch. Ihr größtes Vorurteil hat sie gegen Berliner, „und das bestätigt sich ständig“.
Leitgeb soll wieder Sprecher werden
Im Seniorenbeirat war sie zunächst einfaches Mitglied, auch weil sie nicht wollte, dass der Rat wegen zu weniger Kandidaten nicht voll würde. Im Jahr 2017 übernahm sie dann vom erkrankten Vorsitzenden Karlheinz Leitgeb. Inzwischen, so sieht es Murr, sei dieser wieder in der Lage, das Amt wahrzunehmen. Murr will deshalb nicht wieder für den Vorsitz antreten. Im Seniorenbeirat will sie aber bleiben: „Das ist ein wichtiges Gremium, das etwas bewegen kann.“