Diesen Vorsprung kann auch Politikberater Fuchs bestätigen. Grundsätzlich sei es zu begrüßen, dass Persönlichkeiten wie Lauterbach versuchten, "Populisten die Vormachtstellung streitig zu machen". Überstürzt und "aktionistisch" nun eine TikTok-Präsenz schaffen zu wollen, werde aber scheitern, prognostiziert der Experte. "Die Wahlen im Osten oder die Europawahl lassen sich damit nicht gewinnen." Für TikTok brauche es eine Gesamtstrategie und eine breite und professionelle Aufstellung.
Kritik an TikTok
Das Erfolgsgeheimnis der AfD? Eine Mischung, sagt Fuchs. Die Partei sei gut vernetzt und breit auf TikTok aufgestellt, habe keine Berührungsängste mit der Plattform und sehe über Grenzüberschreitungen Einzelner hinweg. Dieses Verbreiten von umstrittenen Inhalten hat auch in der Vergangenheit immer wieder für Kritik an TikTok gesorgt.
Auch Datenschutzbedenken treiben die Nutzer und Nicht-Nutzer um: Tiktok ist die einzige international erfolgreiche Online-Plattform, die nicht aus den USA stammt. Betreiber ist das chinesische Unternehmen Bytedance. Es gibt die Sorge, die App könne zum Sammeln von Informationen über Nutzer durch chinesische Behörden missbraucht werden.
Eine Sorge, die die AfD offenbar nicht sonderlich umtreibt. Die Bundesgeschäftsstelle betont auf dpa-Anfrage, dass die Präsenz der Partei auf sozialen Plattformen auch deshalb wichtig sei, weil die "etablierten Medien" die Positionen der AfD "entweder ausblenden oder sinnentstellend verbreiten" würden. Die Partei liege "mit weitem Abstand vor den anderen Parteien", weil sie im Gegensatz zu den anderen Positionen vertrete, "die tatsächlich im Interesse der eigenen Bürger liegen". Eine Analyse, die die politischen Mitstreiter zurückweisen würden.
Der Rest des Kabinetts übt sich eher in Zurückhaltung
Auf Anfrage teilen etwa die SPD, die Linke und auch die FDP mit, schon länger mit bekannten Persönlichkeiten auf TikTok präsent zu sein. Ob nun auch andere Minister dem Beispiel Lauterbachs folgen werden? Erst kürzlich hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärt, dass die Bundesregierung künftig auch auf TikTok präsent sein wolle. Ein hippes Tanzvideo des Kanzlers lässt bislang auf sich warten. Und der Rest des Kabinetts? Übt sich eher in Zurückhaltung. Selbst Volker Wissing, FDP-Digitalminister, dem viele qua Amt und Parteizugehörigkeit schon eine Grundneigung zur Onlinepräsenz unterstellen würden, hat bislang keine Andeutungen gemacht, sich einen Account zulegen zu wollen. Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke wird es ihrem Sprecher zufolge vorerst nicht tun.
Politikberater Martin Fuchs sieht in dieser Zurückhaltung einzelner Politiker kein Problem. Nicht jeder Bundesminister eigne sich als Tiktokker, erklärt er. Wichtig sei es, als politische Strömung überhaupt in irgendeiner Form dort präsent zu sein. Für den einzelnen gelte in Anlehnung an ein berühmtes Zitat von Christian Lindner, der bislang als Bundesfinanzminister übrigens auch noch keine große TikTok-Karriere hinter sich hat: "Besser kein Account als ein schlechter Account."