Schüler dürfen nicht länger schlafen

Von Klaus Altmann-Dangelat
Jugendliche in der Pegnitzer Realschule. Hier wird es, wie in den Schulen der Region, keinen späteren Unterrichtsbeginn geben. In Niedersachsen soll das jedoch künftig möglich sein. ⋌Foto: red Foto: red

Ein Traum vieler Schüler geht bald in Niedersachsen in Erfüllung. Denn auch in diesem Bundesland wird zwar nicht die Schule abgeschafft, aber immerhin dürfen die Schüler am Morgen länger schlafen. Denn in Niedersachsen können Schulen den Unterrichtsbeginn verschieben. Der Kurier hörte sich in der Region um, was Lehrer und Schüler zu solch einem Vorstoß sagen. So viel vorweg: Einem späteren Unterrichtsbeginn können nur die Schüler etwas abgewinnen.

 
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Schüler: „Natürlich bin ich für einen späteren Unterrichtsbeginn, dann hätte man am Morgen endlich mal mehr Zeit.“ Das sagt Laurenz Schober, der erste Schülersprecher des Gymnasiums. Der 16-Jährige meint: „Man könnte in der Früh‘ mehr mit den Eltern reden oder sich in die Zeitung vertiefen.“ Er weiß, wovon er redet, denn durch die Kollegstufe und das Kurssystem beginnt an einigen Tagen die Schule für ihn erst um 9.30 Uhr.

Gymnasium: Die Leiterin der Schule sieht das differenzierter: Annett Becker kann diesem Vorschlag für die Oberstufe durchaus etwas abgewinnen. Sie bestätigt, dass dort die Schüler oft später als 8 Uhr mit dem Unterricht beginnen. Sie weiß auch, dass es Forschungsergebnisse gibt, die besagen, dass für diese Altersgruppe ein späterer Beginn günstiger ist. „Für die jüngeren Jahrgänge gilt aber das Gegenteil. Diese Schüler sind um 8 Uhr schon topfit. Für die Unterstufe ist das jetzige Modell besser.“ Becker sähe ein organisatorisches Problem auf die Schule zukommen. „Ich bin auch der Ansicht, dass man die Schule als Ganzes sehen und die Jahrgänge nicht getrennt sehen sollte. Auch ginge ein späterer Unterrichtsbeginn auf Kosten des Nachmittagsunterrichts, der sich noch weiter nach hinten verschieben würde.“ Modellschule: In Nordrhein-Westfalen experimentieren Presseberichten zufolge bereits einige Schulen mit einem Unterrichtsbeginn um neun Uhr. In Alsdorf bei Aachen beispielsweise können sich Oberstufenschüler aussuchen, ob sie zur ersten Stunde um acht Uhr oder erst zur zweiten gegen neun Uhr kommen wollen. Wer sich die erste Stunde freinimmt, arbeitet stattdessen, wenn die Frühaufsteher Freistunde haben. Nach einer Testphase ist das Prinzip ins Alsdorf weitergeführt worden und wird nun seit über zwei Jahren erfolgreich praktiziert.

Realschule: Ein klares „Nein“ kommt vom stellvertretenden Schulleiter Rudi Stopfer. „Wir haben einen großen Anteil von auswärtigen Schülern und sind deshalb an den öffentlichen Personennahverkehr gebunden. Weitere Busse, die eine Stunde später fahren, sehe ich nicht als realistisch an.“ Einen anderen Aspekt, den Stopfer anführt, könnte man als „Heranführung an die Welt der Erwachsenen“ bezeichnen. „Der einheitliche Unterrichtsbeginn bringt für die Schüler eine gewisse Struktur in den Tag. Solche geregelten Abläufe erwarten die Jugendlichen später, trotz allen Bemühungen um Flexibilität, auch im zukünftigen Arbeitsleben.“ Und obwohl der Nachmittagsunterricht an der Realschule „überschaubar“ sei, plädiert Stopfer dafür, dass die Kinder über die zweite Tageshälfte so weit wie möglich selbst bestimmen sollten. „Sie brauchen auch Freizeit, um sich entwickeln zu können.“

Mittelschule: Ariane Deinhardt, die die Schule in Pottenstein leitet, gibt noch einen weiteren Aspekt zu bedenken: die Aufsichtspflicht. Denn wenn die Buslinien nicht umgestellt würden, hätten auswärtige Schüler bereits am Morgen viel Freizeit. Das Problem hat man auch in Nord- und Westdeutschland: Denn was machen berufstätige Eltern morgens mit ihren Kindern, wenn die Schule erst um neun Uhr beginnt? Der niedersächsische Schulleitungsverband schlägt deshalb vor, die frühen Zeiten für Förderunterricht und Arbeitsgemeinschaften zu nutzen. Deinhardt ist auch der Ansicht, dass die meisten Eltern mit einer Umstellung nicht einverstanden wären. „Wir fangen in Pottenstein wegen des großen Einzugsgebiets sowieso erst um 8.15 Uhr an.“ Schüler aus dem Raum Gößweinstein oder Obertrubach kommen an manchen Tagen erst am Nachmittag nach Hause. „Wenn man den Unterrichtsbeginn verlegen würde, würde sich die Rückkehr noch weiter nach hinten verschieben“, meint Deinhardt.

Kultusministerium: „Ein Unterrichtsbeginn gegen 8 Uhr, wie er an vielen Schulen in Bayern üblich ist, hat sich vielerorts bewährt.“ Das teilt die Pressesprecherin Elena Schedlbauer mit. Sie nennt folgende Gründe: Berufstätige Eltern haben die Gewissheit, wenn sie morgens zur Arbeit müssen, dass ihre Kinder an der Schule gut aufgehoben sind und betreut werden. Außerdem ist zu berücksichtigen: Je später der Unterricht am Morgen beginnt, desto länger reicht er in den Nachmittag hinein. Das könnte Auswirkungen auf das außerschulische Engagement der Schüler, etwa in Vereinen, haben. Auch im Sommer, wenn die Temperaturen steigen, freuen sich Schüler über ein möglichst frühzeitiges Unterrichtsende. Zudem sei die Schülerbeförderung, gerade in ländlicheren Regionen, zu berücksichtigen. Die Pressesprecherin weist aber auch darauf hin, dass es einen gewissen Spielraum für einen flexiblen Unterrichtsbeginn an den Schulen im Freistaat gibt. Die Schulordnung ermöglicht es durchaus, auf besondere Gegebenheiten vor Ort Rücksicht zu nehmen. Voraussetzung ist, dass der Schulleiter alle Beteiligten in diese Entscheidung einbindet. „Der Unterricht kann also dann auch in Bayern etwas später beginnen.“