IHK Bayreuth bietet Lehrgang für Sicherheitspersonal-Ausbilder Türsteher-Ausbildung: Erst reden, dann schlagen

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Schlagkräftig müssen Türsteher immer noch sein. Aber mit Worten, nicht mit Fäusten. Denn die Zeit der muskelbepackten Kleiderschränke vor den Diskotheken ist abgelaufen. „Es ist gut, wenn die reden können, nicht nur draufschlagen“, sagt Bernd Rehorz von der IHK Bayreuth. Die bildet in einem bundesweit einzigen Projekt Ausbilder für Sicherheitspersonal aus.

 
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Wenn Markus Löbbecke (39) seinen Schlagstock zur Hand nimmt, wird man innerlich gleich ein wenig braver. Löbbecke steckt in einem schwarzen Ganzkörperanzug, schwarz sind auch die Handschuhe. Der Schlagstock, der in seinen Kreisen „Tonfa“ heißt, wirbelt um seinen Körper. Wann er mal zuschlägt? Nie. „Nur zum Abdrängen“, sagt er. Oder beim „bewaffneten Gegenüber“. Aber davor schlägt er mit Paragrafen um sich. Denn Sicherheit ist auch Sicherheit im Umgang mit dem deutschen Recht.

Löbbecke kommt aus Aachen, ist hauptberuflich Feuerwehrmann, hat zwei Karate-Schulen und nebenbei verdient er sich ein bisschen was im Sicherheitsgewerbe. In Bayreuth lernt er die Sachen, die er braucht, um selbst Sicherheitspersonal auszubilden. In Nordrhein-Westfalen geht das nicht. Die IHK in Bayreuth hat ein Programm aufgelegt, das bundesweit einzigartig ist und mehr Qualität in die Sicherheits-Szene bringen soll.

In der „Schmuddelecke“ aber stehe das Sicherheitsgewerbe schon „lang nicht mehr so richtig“, sagt Martin Hildebrandt, der stellvertretende Geschäftsführer des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW) in Bad Homburg. Seit fast zwölf Jahren arbeitet der Verband daran, die gesetzlichen Voraussetzungen für ihr Personal schärfer zu machen. Jetzt brauchen die Türsteher mindestens eine Schulung von drei Wochen – „schon ein Schritt mehr“, sagt Hildebrandt. Allerdings messe der Gesetzgeber mit zweierlei Maß: Ein Türsteher, der bei der Disco angestellt ist, braucht keine Ausbildung. Ein Türsteher, der bei einer Sicherheitsfirma angestellt wird, braucht sie schon: „Etwas schade.“

Löbbecke, der Feuerwehrmann mit Schlagstock, hat 50 Stunden Unterricht hinter sich und hat sich in die Gesetze eingelesen. Er rattert den Paragrafen 32 des Strafgesetzbuches herunter, der erlaubt, einen „rechtswidrigen Angriff auf Leib und Leben bei mir und anderen abzuwehren“. Oder den Paragrafen 15 des Ordnungswidrigkeitengesetzes. Der erlaubt ihm, sein Auto im Halteverbot zu parken, wenn er schnell mal Leben verteidigen muss. Und wenn er dem Nachbarn eine Latte aus seinem Zaun reißt, um sich und andere zu verteidigen, ist das wieder ein anderer Paragraf. Denk- statt Kampfsport. Seinen fünf Kollegen, die alle in Bayreuth ihre Prüfung als Ausbilder im Sicherheitsfach ablegen, folgen ihm.

„Defense und Security“ heißt das System, nach dem die IHK zusammen mit Roland Rausch, dem Kampfsportler und Inhaber der Bayreuther Sicherheitsfirma 3R Safety, ausbildet. Rausch folgt dem Feuerwehrmann aufmerksam, mal nickt er, mal schüttelt er sachte seinen Kopf. Er ist der Prüfer, auf seine Noten wird es ankommen bei den Prüflingen.

Schon lange sind sie nicht mehr nur dafür da, den Rausschmeißer in der Disco zu spielen. Es ist viel Überwachungs-Technik im Spiel. Außerdem brauche es „eine gute Optik“, um auf Leute zugehen zu können. „Nicht erst auf die Nase hauen“, sagt Rehorz von der IHK. Gewalt sei erst das letzte Mittel.

Das Eisatzgebiet der Sicherheitsleute ist hauptsächlich der Objekt-Schutz, am Empfang oder als Pförtner. Auch als Bewachung von Atomkraftwerken, bei Kontrollen auf den Flughäfen oder bei der Bewachung von Bundeswehrkasernen stehen die Männer und Frauen privater Sicherheitsdienstleister.

Das Gewerbe wächst unaufhörlich, weil immer mehr Firmen ihre Sicherheitsabteilungen ausgliedern. Denn Versicherungen stellen höhere Ansprüche, um im Schadensfall auszahlen zu können. Seit 1994 hat sich die Anzahl der Sicherheitsfirmen mehr als verdoppelt, nach Angaben des Statistik-Portals statista gibt es rund 4000 in Deutschland mit 180000 Beschäftigten.  Auch der Umsatz hat sich seitdem verdoppelt: auf mehr als fünf Milliarden Euro. Die IHK Bayreuth zählt in ihrem Bezirk 80 Firmen.

Der Bedarf an Personal auf diesem Markt ist gewaltig, zumal der Branche laut ihrem Verband in den nächsten Jahren der Nachwuchs ausgehen wird. „12 500 Mitarbeiter fehlen mittelfristig“, sagt Hildebrandt. Umso wichtiger sei die Ausbildung. Denn wenn die Alten gehen, nehmen sie auch die Erfahrung mit.

Die hat Dirk Janser (44) aber ganz sicher. Denn er ist seit 21 Jahren Polizist. Er ist einer der Prüflinge, auch er kommt aus Nordrhein-Westfalen nach Franken zum Lernen. Er muss aber auch lernen, dass er in Polizei-Uniform viel mehr darf, als wenn er in dem schwarzen Ganzkörperanzug des Sicherheitsmannes steckt. Rein rechtlich gesehen ist der Polizist im Paragrafendschungel des Strafrechts unterwegs, der Türsteher in dem des Bürgerlichen Gesetzbuches.  Janser, der Polizist, war schon oft im Einsatz, wo es Ärger mit einem Türsteher gab „Man weiß oft nicht, wer der Böse ist: der Türsteher oder der andere.“ Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und privatem Sicherheitsdienst werde immer wichtiger, sagt er. Es gehe darum, sie auf eine „inhaltlich gute Ebene“ zu stellen.

Aber dann geht es be den Prüflingen doch noch um körperlichen Einsatz, der auch wichtig ist. Schließlich zählt zu den Ausbildern auch Alfred Kleinschwärzer, ein Kampfsportexperte der Polizei. Den Prüflingen werden Szenen gestellt: Nach einem Auffahrunfall kommt es zu einem Streit, der in einer kleinen Schlägerei endet. Der Feuerwehrmann aus Aachen beobachtet das Vorgehen. Am leichtesten ist es, den rabiaten Angreifer abzudrängen. Ist das erlaubt? Was muss man beachten? Sind die rechtlichen Möglichkeiten abgeprüft? Gewalt wäre einfacher als die vielen Paragrafen.

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