"Natürlich gehört zur Jagd das Töten"

Von

Der Landesjägertag in Kulmbach vom 15. bis 17. April steht unter dem Motto  "Jagd - die schmeckt!" Denn die Jäger wollen sich als Lieferanten von exzellentem Wildbret präsentieren. Wir haben mit Jäger-Präsident Prof. Jürgen Vocke über Schusswaffen, Abschusspläne und Wildschweine gesprochen. Und darüber, ob er mit einer Demonstration von Jagdgegnern rechnet.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Was regt die bayerischen Jäger im Moment mehr auf: das Verbot des Bundesverwaltungsgerichts von halbautomatischen Waffen mit wechselbaren Magazinen für Jäger? Oder dass die Grünen im Landtag fordern, die Jäger sollen mehr Rehe schießen?

Jürgen Vocke: Automatische Waffen sind nach dem Waffengesetz grundsätzlich verboten. Erlaubt sind unter bestimmten Voraussetzungen die Halbautomaten mit maximal drei Schuss, ein Magazin mit zwei Schuss und einem im Lauf. Einige Jäger sind auch Sportschützen und wollen daher mehr Schuss haben. Das Gericht argumentierte, so wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Darüber kann man streiten: Ob man sich als Sportschütze extra ein Gewehr nur fürs Sportschießen kauft. Oder ob man sagt, das mehrschüssige Magazin kommt keinesfalls auf die Jagd mit, sondern nur auf den Schießstand. Das Gericht hält das für zu gefährlich, und das hat sicherlich mit Europa und den jüngsten Attentaten zu tun.  Ich setze mich dafür ein, dass unsere dreischüssigen Waffen erhalten bleiben. Mit so was geht kein Krimineller und erst recht kein ein Terrorist um.

Und warum setzen sich die Naturschützer für den verstärkten Abschuss von Rehen ein?

Vocke: Das ist inzwischen ein Daueraufregerthema, denn alle drei Jahre gibt es Vegetationsgutachten von der Forstverwaltung zum Zustand der Waldverjüngung. Das wird über Hegegemeinschaften betrachtet, also regionalen Zusammenschlüssen von Revieren. Damit haben wir ein dickes Problem. Wenn es dann noch heißt, notfalls werden die Abschusspläne mit Zwangsmaßnahmen durchgedrückt. Da sage ich: Leute wehrt euch! Ich kann die Zielvorstellung nicht allein dem Forstmann nach seinem subjektiven Befinden überlassen. Die Gutachten müssen nachprüfbare, realistische Ziele enthalten, damit der Jäger exakt weiß, woran er ist. Die Anträge der Grünen ist sowohl von der CSU als auch von den Freien Wählern abgelehnt worden. Ich halte das für den falschen Weg.

Wie wichtig nehmen Sie als Jäger den Naturschutz?

Vocke: Ich befinde mich da in einem schwerem Clinch mit Bauernverband, Waldbesitzern und Grundeigentümern. Wir sind ein anerkannter Naturschutzverband und müssen dramatische Eingriffe in die Natur hinnehmen. Das sieht man am Niederwild - Hase, Rebhuhn, Fasan - deren Bestände uns bis unter die Nachweisgrenze wegbrechen, weil ihnen die Lebensbedingungen fehlen, da wir in vielen Regionen nur noch industrielle Landwirtschaft haben. Tag und Nacht sind die Landwirte mit großen Maschinen draußen. Der Kiebitz, die Feldlerche, die haben alle keine Chance mehr. Deshalb kooperiere ich mit dem Landesbund für Vogelschutz, wofür ich schärfstens attackiert werde.

Auf dem Landesjägertag in Kulmbach geht es unter anderem um das Thema „Tierschutz und Jagd – (k)ein Widerspruch“. Was ist Ihre Position?

Vocke:Tierschützer und Jäger müssen miteinander reden und als Jäger haben wir klare Verpflichtungen. Der Grundsatz der Waidgerechtigkeit ist ein historischer Begriff und bezieht sich auf die ethische Einstellung bei der Jagd. Natürlich gehört zur Jagd auch das Töten. Das wegzudiskutieren, wäre müßig und falsch. Es kommt aber darauf an, wie jage ich. Deshalb bin ich dagegen, dass wir mit allen technischen Hilfsmitteln die Nacht zum Tag machen. Wir müssen den Wildtieren eine Chance lassen, sonst macht die Bevölkerung nicht mit. Wir müssen deutlich machen, wie wir jagen, unter absolut, strengen tierschutzgerechten Kritierien. Die Schießfertigkeit muss möglichst so sein, dass der Schuss perfekt sitzt. Im besten Fall so, dass das Tier den Schuss gar nicht hört.

Und was sagen Sie Besitzern von Katzen und Hunden, die Angst vor schießwütigen Jägern haben?

Vocke: Eine Katze ist ja nun kein Raubtier, das sofort umgebracht werden muss. Im Umkreis von 300 Metern von Häusern darf eine Katze nicht geschossen werden, es sei denn sie wird inflagranti erwischt, aber nicht, wenn sie am Waldrand nur entlang streift. Hunde und Katzen haben Sozialfunktionen in den Familien. Nur wenn es gar nicht anders geht, ist das Schießen gerechtfertig. Wir versuchen von Verbandsseite aus, dass einzudämmen, wo es nur geht, aber die Bevölkerung muss uns da auch unterstützen. Mein Appell: Liebe Hunde- und Katzenbesitzer, ihr habt auch eine Mitverantwortung. Nicht einfach Tür aufmachen, rauslaufen lassen und Augen zumachen, das kann's nicht sein. Wenn ich einen Hund erschießen würde, könnte ich mich zuhause bei meinen Enkelkindern nie mehr sehen lassen.

Erwarten Sie Proteste von Jagdgegnern in Kulmbach?

Vocke: Das hatten wir früher eine Zeit lang gehabt. Ich wurde schon mal blutüberströmt auf Plakaten und im Internet als Mordbubi gezeigt. Da hat der Spaß aufgehört und ich bin dagegen gerichtlich vorgegangen. Ich mache das seit 22 Jahren und erinnere mich an zuletzt an Proteste zu Anfang des Jahrtausends. Wir versuchen, gegenzusteuern und mit dem Tierschutz und den Verbänden im Gespräch zu sein. Vieles hat sich gewandelt und unsere Leute sind sensibler geworden.

Einige begegnen der Rückkehr des Wolfes in die heimischen Wälder mit großer Skepsis, andere begrüßen sie. Wie beurteilen Sie als Vertreter der bayerischen Jäger die Situation?

Vocke: Grundsätzlich steht ein Luchs oder ein Wolf unter Naturschutz. Wer sich nicht daran hält, ist dran und wir als Verband helfen nicht, weil jemand, der auf so ein Tier schießt, der ganzen Jägerschaft schadet. Wolfsrudel halten Kontakt über das Jaulen und das habe ich schon erlebt. Dann ist kein einziger Jogger mehr im Wald, das garantiere ich Ihnen. Wölfe sind keine kleinen Stallhasen und Kuscheltiere, das sind Raubtiere. Für den Wolf müssten wir das gesamte Jagdsystem ändern. Warum? Kommt ein Fuchs und reißt einen Junghasen, darf ich ihn erschießen. Kommt eine Hirschkuh mit ihrem jungen Kalb und es kommt ein Wolf und tötet es, kann der Jäger nichts machen. Welcher Jäger pachtet dann noch so ein Revier? Da gibt es noch viele Konfliktfelder, über die wir diskutieren müssen.

Macht die Jagd auf Schwarzwild Fortschritte?

Vocke: In Bayern hatten wir lange Zeit Regionen, in denen war so gut wie gar kein Schwarzwild, zum Beispiel im Süden. Hier tun sich Jäger relativ hart, mit dem Schwarzwild umzugehen, weil sie es wieder lernen müssen, auf schnelle Ziele zu schießen. Wir brauchen ortsnahe Schießstände, über die wir das Bewegungsschießen wieder erlernen. Außerdem hatten wir viele milde Winter in den letzten Jahren, früher sind 40 bis 50 Prozent der Frischlinge eingegangen. Jetzt kommen fast die gesamten Frischlinge durch. Einmal wegen des Klimas und auch wegen der veränderten Landwirtschaft mit den großen Maisanbaugebieten. Bayernweit bleiben 9000 Tonnen draußen liegen und werden eingepflückt, das ist für das Schwarzwild ein Schlaraffenland. Im Frühjahr schießt der Raps hoch und bittet ihnen Kraftfutter und Deckung. Die Frischlinge werden inzwischen bereits im ersten Jahr geschlechtsreif, was zur Explosion der Bestände führt.

Warum lehnen Sie eigentlich Nachtzielgeräte ab?

Vocke: Viele sehen in Nachtzielgeräten das Wunderheilmittel, aber sie unterliegen dem Bundeswaffengesetz und sind nur erlaubt für die Bundeswehr und Sondereinsatzkommandos der Polizei, so dass eine Freigabe das Bundeskriminalamt machen müsste. Doch es hat alle Anträge grundsätzlich abgelehnt. Mir wirft man vor, dass ich das nicht unterstütze. Was wären die Folgen, wenn wir nachts und ganzjährig schießen könnten? Die Tiere würden um nichts mehr in der Welt herauskommen und die Bachen hätten sich in kürzester Zeit angepasst.

Weshalb steht der Jägertag unter dem Motto „Jagd – die schmeckt“?

Vocke: Kulmbach ist ja die Stadt der Genüsse und die Stadt der Biere. Wir wollen heuer bewusst zeigen, was von unseren Jägern geleistet wird. Es werden rund 5000 Tonnen Wildbret jährlich zum Verzehr produziert. Natürlicher kann die Fleischgewinnung nicht sein. Und das passt gut zu Kulmbach, wo auch der Sternekoch Alexander Herrmann für uns kochen wird. Wir wollen in den Vordergrund stellen, dass Jagd etwas sympathisches ist und Jäger ganzjährig hochwertige Lebensmittel auf den Markt bringen.

Autor

Bilder