Prozess gegen Pottensteiner Bauunternehmen: Gutachter kritisiert Buchhaltung Drohende Pleite war abzusehen

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Am sechsten Verhandlungstag gegen ein Bauunternehmen aus dem Raum Pottenstein hat gestern ein forensischer Wirtschaftsgutachter ausgesagt. Er hatte die Finanzen der Firma untersucht. Foto: dpa Foto: red

Die Zahlungsunfähigkeit war bereits Ende November 2009 erkennbar – zu diesem Fazit kommt der forensische Wirtschaftsgutachter und Steuerberater Helmut Holter, der im Auftrag der Staatsanwaltschaft Hof die Finanzen eines Bauunternehmens aus dem Raum Pottenstein geprüft hat.

 
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Am gestrigen sechsten Verhandlungstag gegen den Firmenchef und seine beiden Geschäftsführer, die wegen Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen Betrugs vor dem Landgericht Hof stehen, stellte er seine Ergebnisse vor.

Bereits einen Monat zuvor sei das Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht mehr in der Lage gewesen, fälligen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Ende Oktober 2009 standen noch gut 3,1 Millionen Euro an verfügbaren Mitteln bereit, die fälligen Forderungen beliefen sich auf gut 3,9 Millionen Euro, die Unterdeckung betrug gut 20 Prozent. Ende Januar 2010 hatte sich die Lage gedreht und die Unterdeckung betrug knapp 65 Prozent. Es standen nur noch gut 1,4 Millionen Euro Mittel zur Verfügung, die Verbindlichkeiten betrugen hingegen mittlerweile knapp vier Millionen Euro.

Mahnungen von Lieferanten

Das Unternehmen sei nur unzulänglich oder auch teils erheblich verspätet Zahlungsverpflichtungen nachgekommen. Es gab Mahnungen von Lieferanten und Subunternehmen, so Holter. Eine Beseitigung der Unterdeckung durch Kredite, Einzahlungen von Gesellschaftern oder Veräußerung von Betriebsvermögen war nicht möglich. Geldinstitute seien nicht mehr bereit gewesen, Liquiditätslücken zu finanzieren oder zu überbrücken, so der Gutachter.

Weiter kommt er nach Auswertung der zur Verfügung stehenden Unterlagen zu dem Schluss, dass keine Zahlungen von Kunden, die die Unterdeckung hätten beseitigen können, zu erwarten waren. Am vergangenen Montag hatte der Verteidiger des 64-jährigen Hauptangeklagten geäußert, man habe Anfang 2010 noch Hoffnung auf eine offene Zahlung in Höhe von 1,8 Millionen Euro von einem Bauträger für ein Projekt in Nürnberg gehabt. Holter zitierte Aussagen des Bauträgers im Rahmen der Ermittlungen gegenüber der Kriminalpolizei Bayreuth als „völlig aus der Luft gegriffen“. Der Hauptangeklagte habe auf keinen Fall mit einer Zahlung rechnen können. „Im Gegenteil, eine Immobiliengesellschaft stellte Schadensersatzansprüche in Höhe von über 700 000 Euro“, so Holter. Ein anderes Unternehmen machte noch Restforderungskosten in Höhe von über einer Million Euro geltend.

Schließlich informierte der Gutachter gestern vor Gericht noch darüber, dass die Buchhaltung des Bauunternehmens nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Teilweise sei gar nicht, erheblich verspätet oder nur unvollständig verbucht worden. So wurden beispielsweise zahlreiche Geschäftsvorfälle, die im März 2009 fällig waren, erst zum Jahresende verbucht. Viele Buchungsvorgänge seien überhaupt nicht nachvollziehbar, so Holter.

Der Prozess wird nächste Woche Donnerstag fortgesetzt.

Lesen Sie hierzu auch den Bericht Angeklagter Bauunternehmer übernimmt Alleinverantwortung .

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