Pfefferspray-Attacke Prozess gegen Polizisten geht weiter

Von und Vanessa Lutz
In mehreren Videos, die dem Kurier vorliegen, haben russische Fußballfans den Einsatz von Christian G. (46) dokumentiert. Foto: red Foto: Otto Lapp

BAYREUTH. Er ging mit Pfefferspray gegen friedlich feiernde Russen vor, das brachte Christian G. (46) jetzt vor das Amtsgericht Bayreuth. Ein interner Ermittler sieht keinen Grund für G.s hartes Vorgehen. Ein Urteil fiel noch nicht.

 
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G. gilt auch in Polizeikreisen als schillernde Figur. Als Hobbyschauspieler stand er bei den Rosenheim Cops und K11 vor der Kamera, als Ritter auf Youtube - doch als echter Polizeihauptmeister bei der Bayreuther Stadtpolizei machte er – angeblich – einen auf Rambo: Er versprühte seinen gesamten Pfefferspray-Vorrat gegen friedlich feiernde Fußball-Fans. Der einzige Polizist, der so handelte.

Videos, die dem Kurier vorliegen, dokumentieren sein Vorgehen am 1. August 2018, kurz nach 19.30 Uhr, als Russland ins WM-Achtelfinale eingezogen war und Russen auf dem Hohenzollernring vorm Rotmain-Center tanzten. Er schickte Fans von der Kreuzung, die ihm auch Folge leisteten, allerdings nicht sofort – G. besprühte sie ohne Vorwarnung.

Einer konnte sich rechtzeitig wegdrehen. Ein anderer sagt vor Gericht: „Als ich mich kurz umgedreht habe, habe ich eine Flüssigkeit ins Gesicht bekommen. Ich hab‘ nichts mehr gesehen.“ Nicht gerechtfertigter Einsatz, so die Staatsanwältin. Auch der interne Ermittler des Landeskriminalamtes sah für Gs. Verhalten „keinen offensichtlichen Grund“.

Es habe „Chaos pur“ geherrscht, sagte G.s Verteidiger Dieter Widmann. Die wenig erfahrenen jungen Polizisten, teilweise Praktikanten, seien „mit der Situation überfordert“ gewesen. Die „stark alkoholisierten“ Fans verließen die Straßen, seien aber wieder zurückgekommen. „Ein Ping-Pong-Spiel.“ Dann habe G. das Pfefferspray eingesetzt. „Mehr als Warnstöße.“ Die Fans sollten merken, der meine es ernst. Körperliches Angehen habe er dadurch vermeiden wollen.

Die Videos zeigen nicht das, was vorher gewesen ist. G. verwies auf „mehrere Notrufe“, die gezeigt hätten, wie „gravierend“ die Situation gewesen sei. Die Russen sollten „aggressiv“ und „unbelehrbar“ gewesen sein. „Bereits auf der Anfahrt war es ein Chaos“, sagte G., ein erfahrener Polizist, 28 Dienstjahre, der damals ein Jahr in Bayreuth war. Einer habe einen Außenspiegel abgeschlagen. „Da wusste ich, es wird was Größeres.“

Er schrie in den Lautsprecher, die Fans sollten die Straße räumen. Den ersten, auf den G. dann zuging, schrie er an und als er sich von ihm wegdrehte, sprühte er ihn nach Vorwarnung von hinten an. „ich kann mich nicht einfach hinstellen und zuschauen“, sagte er. Es sei sein „gefährlichster Einsatz“ gewesen, sagte G., der schon bei Länderspielen eingesetzt war.

Auf dem Video wirke das anders, fast statisch, er entspannt. Aber in der Menge „war ich unter Stress“. Einer der russischen Fans habe ihn sogar geschlagen. Nach dem Pfefferspray-Einsatz. „Mir ist dessen Wirkung bewusst, weil ich es oftmals selbst abkriege.“

Sein Fazit: „Ich wusste, viele Leute haben Handys. Viele meiner Kollegen trauen sich da nicht, das zu machen, was sie wollen. Ich zieh das durch, ich stell mich nicht hin und warte, bis was passiert.“ Inzwischen aber habe er sich „schon seine Gedanken gemacht“. Er räumte ein, dass „es nicht so gut“ aussehe.

Von den Polizisten konnte oder wollte sich keiner genau erinnern, obwohl Videos zeigten, wie nahe sie am Geschehen waren. „Das Aussageverhalten war mau“, sagte der interne Ermittler. „Für mich wäre es viel leichter gewesen, die Kreuzung für den Verkehr zu sperren.“ Mit der Zahl der Beamten und Autos wäre dies möglich gewesen.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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