Polar-Gipfel in Paris Pole schmelzen in Rekord-Tempo

Markus Brauer/

Die Eisregionen des Planeten schrumpfen in beunruhigender Geschwindigkeit. Auf einem Polar-Gipfel in Paris beraten Wissenschaftler und Politiker über den Schutz der schmelzenden Ökosysteme. Umweltverbände pochen auf konkretes Handeln und nicht bloß schöne Worte.

 
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Pinguine auf einem Eisberg: Über den Schutz der Gletscher und der Antarktis beraten Politiker und Fachleute bis Freitag auf einem Polargipfel in Paris. Foto: Imago/Design Pics

Das Schmelzen der Gletscher und des Meereises geschieht schleichend. Doch der vom Klimawandel angetriebene Rückzug der Eisregionen des Planeten hat sich zuletzt deutlich beschleunigt. Über den Schutz der Gletscher und der Polargebiete beraten Politiker und Fachleute bis Freitag (10. November) auf der internationalen Konferenz „Polar Summit“ in Paris, im Anlauf zum COP28-Klima-Gipfeltreffen Anfang Dezember in Dubai.

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Gipfel-Reihe zum Schutz der Pole

Die Temperaturen in der Arktis und Antarktis steigen in einem besorgniserregenden Tempo. Foto: Imago/Yay Images

Der Polargipfel ist Teil einer „One Planet“-Gipfel-Reihe, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf der UN-Klimakonferenz in Bonn 2017 ins Leben gerufen hat. Umweltschützer pochen darauf, dass konkrete Schutzmaßnahmen für die schmelzenden Ökosysteme auch umgesetzt werden. Sie warnen vor katastrophalen Folgen, wenn dies nicht gelingt.

Da Pole und Gletscher eine fundamentale Rolle im globalen Klimasystem und für den Erhalt der Biodiversität spielten, hat die Entwicklung weltweite Konsequenzen. Wie dringlich die Lage ist, wird unter anderem in der Antarktis sichtbar. Im September wurde bekannt, dass die Ausdehnung des Meereises rund um den Kontinent einen neuen Tiefststand erreicht hat, der deutlich geringer ist als in den vergangenen Jahren im antarktischen Winter.

Umweltverbände warnen vor katastrophalen Folgen

Die Umweltschutzorganisation WWF warnte, dass der Verlust von Eis und Schnee bei den derzeitigen Temperaturen alarmierend sei und frühere Prognosen übertreffe. Um katastrophale Folgen wie einen kräftigen Anstieg des Meeresspiegels, die Erschöpfung der Wasserressourcen in den Gebirgen, den Verlust der Artenvielfalt in den Polarregionen und die unumkehrbare Freisetzung von Treibhausgasen zu verhindern, dürfe die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 1,5 Grad nicht überschreiten.

Entschlosseneres Handeln gefordert

Eine Eisbärin mit ihrem Jungtier auf einer Eisscholle. Foto: Imago/Blickwinkel

In einer gemeinsamen Erklärung riefen mehrere Umweltverbände die politischen Verantwortlichen bei dem Pariser Polargipfel zu entschlossenem Handeln auf. Dem geplanten „Pariser Appell für Gletscher und Pole“ müssten konkrete Aktionen folgen, deren Umsetzung auch überprüft werden müsse.

Unter anderem gehe es darum, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. In den Polarregionen müssten Meeresschutzgebiete eingerichtet und strengere Regeln für Schifffahrt und Tourismus etabliert werden. Außerdem müssten wissenschaftliche Empfehlungen in politisches Handeln einfließen.

Pole und Gletscher schmelzen rapide

Antarktis, Brunt Ice Shelf: Eisbruch nahe der britischen Forschungsstation Halley. Foto: Zuma Press/Cover Images/dpa

Die Arktis zählt zu den am stärksten vom globalen Klimawandel betroffenen Regionen. Seit den 1990er Jahren geht die Klimaerwärmung dort im Vergleich zum Rest der Welt doppelt so schnell voran. Grund dafür ist ein Phänomen, das als „arktische Verstärkung“ bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um eine verstärkende Wechselwirkung zwischen Luft, Eis und Wasser.

Auch die Gletscher ziehen sich weltweit zurück, wenn ihr Eis schneller schmilzt als neues durch Schnee geformt wird. Aufgrund der Klimaerwärmung schmelzen dem Bericht zufolge Gletscher weltweit doppelt so schnell wie in den vergangenen 20 Jahren. Wenn erst einmal der Höhepunkt der Schmelze überschritten ist, weil sich der Gletscher stark verkleinert hat, nimmt die Menge des Schmelzwassers ab. Das hat erhebliche Folgen für die Wasserversorgung, die in vielen Gebieten davon abhängt. Lange Phasen der Trockenheit können die Folge sein.

Info: Menschheit überfordert die Erde

Belastung
Nicht nur die Klimawandel bedroht das Leben auf der Erde, sondern auch andere vom Menschen beeinflusste Entwicklungen. Dazu gehören etwa die knapper werdenden Süßwasserreserven, die Umweltverschmutzung und die Verringerung der Artenvielfalt (Biodiversität). Die Earth Commission, ein internationaler Zusammenschluss von Wissenschaftlern, hat nun sichere und gerechte Grenzen des Erdsystems benannt und in Zahlen gefasst. In ihrer Studie in der Fachzeitschrift „Nature“ schreibt die Gruppe um Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dass sieben von acht sicheren und gerechten Grenzen bereits überschritten seien.

Biodiversität
Aus Sicht der mehr als 40 Wissenschaftler gefährdet der Mensch mit seiner heutigen Lebensweise die Stabilität und Belastbarkeit des gesamten Planeten.

Klimawandel
Zum Tragen kommt das Gerechtigkeitskonzept auch beim Klimawandel: Während eine Erwärmung um 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter von den Wissenschaftlern noch als „sicher“ eingestuft wird, sehen sie die Erwärmung um maximal ein Grad als „gerecht“ an. Denn schon beim heutigen Stand seien mehrere zehn Millionen Menschen massiv vom Klimawandel betroffen, schreiben die Studienautoren. Diese Zahl werde sich mit jedem Zehntelgrad größerer Erwärmung drastisch erhöhen.

Ausbeutung
Lebt die Menschheit unverändert weiter wie bisher, benötigt sie bis 2030 zwei Planeten, um den Bedarf an Nahrung und nachwachsenden Rohstoffen zu decken. Bis 2050 wären es knapp drei, prognostiziert der WWF in seinem jährlichen Umweltbericht. Zum Vergleich: 1961 benötigte die Menschheit nur zwei Drittel der zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Perspektiven
Dass angesichts der begrenzten Ressourcen ein globales Umdenken und Umsteuern stattfinden muss, ist unbestritten. Die Frage ist, wo der Hebel zu einem ökologisch nachhaltigen Weltwirtschaftssystem ansetzen soll. Acht Milliarden Menschen – bis 2050 werden es vermutlich mehr als zehn Milliarden sein – mit den elementaren Dingen des Lebens zu versorgen.