Markgräfliches Opernhaus Besucher wendet sich wegen schlechter Sicht an Staatsanwaltschaft

Zweiter Rang, zweite Reihe: Man sieht viel vom Opernhaus, aber fast nichts von der Bühne. Foto: Concerto Bayreuth, Torsten Hemke

Weil er von seinem Platz im Markgräflichen Opernhaus so gut wie nichts gesehen hat, wendet sich ein Besucher aus Bremen an den Kurier. Und an die Staatsanwaltschaft.

 
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Eingeschränkte Sicht oder gar keine Sicht? Das ist hier die Frage. Und offenbar sogar ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Dabei hat alles ganz harmlos begonnen.

Rolf Reckert hatte sich mit seiner Frau auf eine Städtereise nach Bayreuth begeben. Auf dem Programm stand auch eine Besichtigung des Markgräflichen Opernhauses. Das nahe Bremen lebende Ehepaar war begeistert von der Pracht des Hauses und so wollte man sich auch den Genuss einer Aufführung im einstigen Musentempel der Markgräfin Wilhelmine gönnen.

Im Internet buchte Reckert zwei Karten für das Gastspiel des berühmten Opernsängers Rolando Villazón am 8. Oktober. Die Vorfreude war groß. Die Enttäuschung danach noch viel größer, was nicht an den stimmlichen Qualitäten des Sängers lag, sondern an den Sitzplätzen im Markgräflichen Opernhaus.

Hochsitze in Reihe zwei

„So ein Platz dürfte nicht angeboten werden“, schimpft der 79-Jährige, der einst Leiter der Bereitschaftspolizei in Bremen war, am Telefon im Gespräch mit dieser Zeitung. Zwar sei er beim Kauf der Tickets darauf hingewiesen worden, dass es sich dabei um „eventuell sichtbehinderte“ Plätze handle, doch dies hält Reckert, nachdem er nun Rollando Villazón zwar gehört, aber so gut wie nicht gesehen hat, für maßlos untertrieben. Bei den Plätzen des Ehepaares handelte es sich um die Hochsitze drei und vier in Loge zwei im zweiten Rang links. Von diesen aus seien allenfalls rund zwei Quadratmeter von der Bühne zu sehen gewesen. Reckerts Pech: Gerade dort hat sich aber nichts abgespielt. Den beiden Besuchern blieb nichts anderes übrig, als immer wieder aufzustehen und den Gästen in der ersten Reihe in sehr dichtem Kontakt über die Schulter zu schauen. Was über die gesamte Dauer der Aufführung für alle Beteiligten eine Zumutung gewesen wäre.

Den Abend völlig versaut

„Diese unzumutbaren Plätze haben uns den Abend in diesem wundervollen Haus völlig versaut“, schreibt Reckert in einem Brief, der der Redaktion vorliegt, der an den Bayreuther Oberbürgermeister Thomas Ebersberger ging und den der Bremer auch sogleich – wenn schon, denn schon – an die Staatsanwaltschaft Bayreuth geschickt hat. Und zwar mit der Bitte zu prüfen, ob hier nicht Betrug vorliege. „Ich wollte einfach mal einen Schlag vor den Bug geben“, sagt der Opernfreund aus dem hohen Norden, der für seine Eintrittskarten jeweils 17,50 Euro bezahlt hat. Überdies regt Reckert an, zu überprüfen, ob der Hinweis „eventuell sichtbehindert“ nicht in „keine Sicht auf die Bühne“ abgeändert werden müsste.

Höfische Architektur

Im Nachhinein hätte man dem Ehepaar aus Bremen dann doch gewünscht, dass es eher eine Aufführung im Bayreuther Festspielhaus auf dem Grünen Hügel besucht hätte, denn dort hat man von fast jedem Platz aus eine tolle Sicht auf die Bühne, was dem Komponisten Richard Wagner seinerzeit ein drängendes Anliegen war. Während das Festspielhaus von einer – wenn man so will – demokratischen Architektur geprägt ist, repräsentiert das Markgräfliche Opernhaus die höfische Ständegesellschaft. Eine exzellente Sicht auf die Bühne ist hier nur einem Teil der Besucher gegönnt.

In Bayreuth ist das kein Geheimnis. Robert Baums, der Vorsitzende der Gesellschaft der Kulturfreunde, die das Konzert mit Rolando Villazón veranstaltete, weiß um die schlechte Sicht von den Plätzen in der zweiten Reihe im zweiten Rang. Deshalb gebe es ja auch beim Kartenkauf den Hinweis auf die Sichtbehinderung. Dem Paar aus Bremen empfiehlt er, einfach in der nächsten Saison wieder zu kommen und dann teurere Plätze zu kaufen.

Digital probesitzen

Mit der Problematik vertraut ist auch Clemens Lukas, der im Markgräflichen Opernhaus seit vielen Jahren Konzerte und Opernaufführungen organisiert. Immer wieder habe es Beschwerden von Besuchern über einige schlechte Plätze gegeben. Das hat den künstlerischen Leiter der Musica Bayreuth und Geschäftsführer von Bayreuth Baroque dazu veranlasst, beim Ticketing einen besonderen Service anzubieten. Wer übers Internet bestellt, kann dort über die Funktion „probesitzen“ jeden Platz anklicken und sogleich die Sicht auf die Bühne überprüfen. „Seither hat sich bei uns keiner mehr beschwert“, sagt Clemens Lukas. Für dieses System wurden von jedem Sitzplatz aus mehrere Fotos gemacht. Seit 2021 ist es im Einsatz. Auch von anderen Bayreuther Konzertveranstaltern werde dies inzwischen genutzt. Nicht jedoch von der Gesellschaft der Kulturfreunde.

Ob dies Rolf Reckert überzeugen wird? Von Bremen nach Bayreuth sei für ihn eine weite Reise. Ganz ausschließen will er am Telefon aber nicht, dass er es vielleicht doch noch ein weiteres Mal versuchen wird. In der Stadt hat es ihm schließlich gefallen.

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